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Der nachstehende Artikel erschien in gekürzter Form im Bundesbaublatt 01/02 2017:
A. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Passivhausstandards
Zahlreiche Länder und Kommunen haben durch entsprechende Beschlüsse ihrer Gremien erklärt, dass im jeweiligen Zuständigkeitsbereich Neubauten als Passivhäuser entsprechend dem Standard des Passivhaus-Instituts Darmstadt errichtet werden sollen. Als wesentliche Festlegung gilt hierbei, dass der jährliche Energieverbrauch je qm beheizte Nutzfläche nicht mehr als 15 kWh jährlich betragen soll. In der fachlichen Debatte gibt es widerstreitende Meinungen zur Frage, ob dieser Standard gegenwärtig wirtschaftlich zu realisieren ist.
Nachfolgend sollen verschiedene Positionen zu dieser Frage dargestellt werden. Ferner soll eine energetische und finanzmathematische Methode vorgestellt werden, die es ermöglicht, Vorgaben für eine wirtschaftliche Realisierung des Passivhaus-Standards oder anderer ggf. darunter liegender Standards zu errechnen. Denn es ist zur Frage der Wirtschaftlichkeit keine einfache und schon gar keine global gültige Antwort möglich. Wie meist, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Die Reichweite der fachlichen Debatte zu dieser Frage ist zeitlich limitiert: Der Bundesgesetzgeber ist infolge der EU-Energieeffizienzrichtlinie (RICHTLINIE 2010/31/EU vom 19.05.2010) verpflichtet, ab 2019 für die öffentlichen Bauherren und ab 2021 für die privaten Bauherren einen Niedrigstenergiestandard zu verordnen, der voraussichtlich nahe bei dem gesetzlich nicht normierten Passivhaus-Standard liegen wird.
Gleichwohl sind bis 2018 noch eine Vielzahl von Standard-Entscheidungen zu Bauvorhaben zu treffen, die vor 2019 begonnen oder fertiggestellt werden. Hierzu soll die folgende Arbeit eine Handreichung geben.
B. Übersicht über die aktuellen energetischen Standardregelungen der Länder und der Kommunen
Den Passivhausstandard haben für eigene Neubauten eingeführt Bayern, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Thüringen, ferner eine große Zahl von Kommunen. Unter den 15 größten deutschen Städten sind dies Köln, Frankfurt/Main, Essen, Leipzig, Dresden, Hannover und Nürnberg und ebenfalls als Kommune Bremen.
Der nicht gesetzlich normierte Passivhausstandard ist wie folgt definiert:
- Heizwärmebedarf <= 15 kWh/qm a
- Nutzkältebedarf <= 15 kWh/qm a
- Primärenergiebedarf <= 120 kWh/qm a
- Gebäudeluftdichtheit <= 0,6/h
- Gebäudeheizlast <= 10W/qm
- Übertemperaturhäufigkeit <= 10 %
Daneben gibt es verschiedene Abstufungen der Unterschreitung des EnEV-Standards mit 20 - 70 %. Die KfW-Förderbank des Bundes hat eigene Abstufungen eingeführt, die in % den Restenergiebedarf unter Bezug auf die EnEV-Standard ausweisen: KfW 40, KfW 55 usw.
C. Kritik an der Hochdämmung von Hochbauten
Die maßgebliche Kritik an der Hochdämmung bezieht sich im Wesentlichen auf die Dämmung von Bestandsbauten. Hier können insbesondere bei unkritischer Anwendung des ~WDV-Systems enorme Gestaltverluste baukultureller Werte entstehen. Insoweit ist auch eine öffentliche Debatte hierüber zu verzeichnen, die noch durch die laufenden Untersuchungen zur Brandgefahr von WDV-Konstruktionen mit Polystyrol als Dämmstoff buchstäblich befeuert wurde.
Neubauten können insoweit von Beginn an gestaltkonform geplant und ausgeführt werden.
Die Hochdämmung von Bestandsbauten wurde auch seitens vieler Bauexperten als häufig extrem unwirtschaftlich kritisiert. Durch Prebound- und ~Rebound-Effekte werden vielfach die errechneten Einspareffekte nicht erzielt und die Refinanzierung der Investition kann nicht wie geplant erfolgen.
Prebound-Effekt meint, dass Nutzer schlecht gedämmter Immobilien einen vorauseilend (prebound) niedrigeren Komfortanspruch haben und im gewünschten Ergebnis weniger Heizkosten erzeugen, als nach einer abstrakten Berechnung gemäß der einschlägigen Normen.
Rebound-Effekt meint dabei den umgekehrten Fall, dass nach einer energetischen Sanierung die Komfortansprüche steigen und höhere als die vorausberechneten Temperaturen gewünscht werden und damit ein höherer Verbrauch als berechnet erfolgt.
In der normalen Praxis eines kommunalen Immobilienbetriebes tauchen regelmäßig beide Faktoren auf. Sie sind jedoch nicht im voraus berechenbar. Beide sind zusammen dafür verantwortlich, dass im Einzelfall nicht die vorausberechneten Einspareffekte erzielt werden.
Viele Experten sehen darin die Ursache, dass die energetische Sanierungsrate der Wohnungsbaubestände weit hinter den Erwartungen und den Notwendigkeiten zurück bleibt, weil auch private Immobilienbesitzer kein ausreichendes Vertrauen in die prognostizierten Einsparungen haben.
Ob sich Mehraufwendungen für einen Passivhausstandard und wenn in welchem Zeitraum rechnen, soll hier näher untersucht werden.
D. bisherige Methoden zur Wirtschaftlichkeitsberechnung von Investitionen zur Energieeinsparung
Weit überwiegend werden - wenn überhaupt Wirtschaftlichkeitsberechnungen erfolgen - dynamische Verfahren (Barwert- oder Endwertberechnungen) verwendet, die dazu z.B. bei der VDI 2067 oder 6025 speziell auf die betriebstechnischen Gewerke ausgerichtet sind. Die Verfahren sind untereinander, soweit sie dynamisch sind im Ergebnis vergleichbar. Entscheidend für die Ergebnisse sind stets die verwendeten Parameter der finanziellen und energetischen Eckdaten.
Eine Wirtschaftlichkeit energiesparender Investitionen kann sich wegen der Eingabedaten der Berechnungsmethode nur ergeben, wenn man über die (ebenfalls anzunehmende) Laufzeit (Lebens- oder Nutzungsdauer) einer Investition definierte Energiepreissteigerungsraten und Kapitalmarktzinssätze vorausschätzt. Dies waren bisher die eigentlichen Stellschrauben zur Beeinflussung der Ergebnisse, ebenso wie die Festlegung der Laufzeiten. Die Kritik von einzelnen Rechnungshöfen an dieser Methode war stets, dass durch geeignete Wahl der v.g. Parameter nahezu jede energiesparende Investition für wirtschaftlich erklärt werden kann. Angenommene Energiepreissteigerungsraten und Laufzeiten wurden als zu hoch bzw. zu lang kritisiert.
Richtig dabei ist, dass sich infolge der derzeitigen Konjunkturschwäche der Weltwirtschaft die Energiepreise seit etlichen Jahren nicht signifikant erhöht haben. Gleichwohl wird sich wegen der langfristig zunehmenden Verknappung der nicht erneuerbaren Energien deren Preis unausweichlich weiter nach oben bewegen.
Bei Laufzeiten von über 30 Jahren, wie sie gelegentlich für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen angenommen wurden, so die Kritik, würden die Entwicklung von Wissenschaft und Technik und daraus möglicherweise resultierende Systemwechsel außer Acht gelassen. Es sei undenkbar, eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung über 60 Jahre Laufzeit mit jährlichen exponentiellen Energiepreissteigerungen von 6 oder 8 % anzustellen. Hierdurch würden im Ergebnis die Energiekosten die Kapitalkosten um ein Vielfaches übersteigen. Bei einer derartigen Entwicklung seien technisch bedingte Systemwechsel hoch wahrscheinlich, was die Basisannahmen der Berechnung untergraben würde. Letztlich wird dafür plädiert, die Laufzeit von derartigen Investitionsrechnungen auf 30 Jahre zu begrenzen, weil jede weitere Extrapolation in die Zukunft vollkommen spekulativ sei.
Bei den gesetzlich definierten Energiestandards ist Basis des jeweiligen Standards die wirtschaftliche Verfügbarkeit der erforderlichen Bauweisen und -Techniken für den privaten Eigentümer entsprechend dem entwickelten Stand von Baugewerbe und -Industrie. Es darf dem Privateigentümer keine Vorreiterrolle zugeschrieben werden, bei der er mehr investieren muss als er wirtschaftlichen Gewinn daraus ziehen kann. Dies wird in bestimmten Grenzen für den öffentlichen Bauherren ausgeschlossen. Es kann und wird bei der entsprechenden Gesetzgebung häufig auf die Vorbild- und Vorreiterrolle der öffentlichen Bauherren hingewiesen.
Insoweit spiegeln die regelmäßigen Verschärfungen der Energiegesetzgebung grundsätzlich den Stand der Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Industrie wider, verschärfte Anforderungen für öffentliche Bauherren den noch nicht vollständig wirtschaftlichen Teil davon. Die wirtschaftlichen Grenzen zwischen beiden Standards sind aber nicht statisch sondern unterliegen einer dynamischen Entwicklung, weshalb die Gesetzgebung dem regelmässig folgt.
E. Konzepte für den Niedrigstenergiestandard ab 2019/21
Artikel 9 der Neuauflage der EU-Gebäuderichtlinie von 2013 fordert, dass „die Mitgliedsstaaten gewährleisten, dass bis 31. Dezember 2020 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind und nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden Niedrigstenergiegebäude sind". Desweiteren sollen die Mitgliedsstaaten „Nationale Pläne zur Erhöhung der Zahl der Niedrigstenergiegebäude erstellen" und „unter Berücksichtigung der Vorreiterrolle der öffentlichen Hand Strategien festlegen und Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise die Festlegung von Zielen, um Anreize für den Umbau von Gebäuden, die saniert werden, zu Niedrigstenergiegebäuden zu vermitteln".
Ein Niedrigstenergiegebäude ist laut Artikel 2 der Neuauflage der EU-Gebäuderichtlinie definiert als „ein Gebäude, das eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen -- einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird -- gedeckt werden".
Niedrigstenergiegebäude in Deutschland
In Deutschland wird die EU-Gebäuderichtlinie in Form des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG), welches die gesetzliche Grundlage schafft, und der Energieeinsparverordnung (EnEV) umgesetzt.
Seit dem 13. Juli 2013 ist die geänderte Version des Energieeinsparungsgesetzes EnEG 2013 in Kraft. Wichtigste Änderungen sind entsprechend der Novelle der EU-Gebäuderichtlinie der gesetzlich vorgeschriebene Niedrigstenergiestandard für öffentliche Gebäude ab 2019 und alle weiteren Neubauten ab 2021(§ 2a), die Kontrolle von Energieausweisen und Inspektionsberichten (§ 7b) und die Änderung der Energieeinsparverordnung.
EU-Gebäuderichtlinie 2010/31 Neufassung 2013:
F. Methode zur Bestimmung der maximalen wirtschaftlichen Zusatzinvestition
Eine differenzierte Methode zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Energieeinsparmaßnahmen haben die Autoren Prof. Lütkemeyer und Prof. Strauß in der vom Senator für Umwelt, Bau und Verkehr und von der Bremer Energiekonsens [Klimaschutzagentur der Freien Hansestadt Bremen] in Auftrag gegebenen Studie "Strategien und Potentiale energieeffizienter Sanierung im Bremer Wohngebäudebestand" 2013/14 vorgelegt (http://bit.ly/spesgesamt) in Kapitel 4 S. 47 ff ). Dort wird ein sogenannter Prognosefaktor dargestellt, der die wesentlichen zukunftsabhängigen Einflüsse auf die Wirtschaftlichkeit von Energieeinsparmaßnahmen zusammenfasst und die Berechnung einer Kapitalrückflußquote ermöglicht, d.h. eine Aussage darüber, ob sich die Maßnahme über die Lebensdauer der betreffenden Bauteile "rentiert" bzw. das eingesetzte Kapital (mehr als) vollständig oder zum Teil durch Einsparungen zurückgewonnen wird. Elegant ist an dieser Methode, dass nicht mit vollständig feststehenden Eckdaten gearbeitet werden muss, sondern dass situativ aktuelle Einschätzungen der Zinsentwicklung, der Inflationsraten und der Energiepreisentwicklung vorgenommen werden können oder Varianten einfach zu berechnen sind.
Der Gang dieser Berechnung setzt auf eine oder mehrere gegebene konkrete Energieeinsparinvestitionen auf und liefert als Ergebnis, ob diese im Nutzungszeitraum refinanziert werden können. Basis hierfür ist die erzielte Energieeinsparung gegenüber der gesetzlich vorgegebenen Basisvariante (z.B. entsprechend EnEV 2014).
Hierfür ist grundsätzlich die umfangreiche Kalkulation der Kosten der Basisvariante und der beabsichtigten zusätzlichen Investition notwendig.
Das hier vorgeschlagene Rechenverfahren ändert den Rechengang durch Umformung des Formelwerks der Autoren Prof. Lütkemeyer/Prof. Strauß hin zum Ergebnis genau der Investition, die bei Erreichen eines zu definierenden energetischen Standards gerade noch wirtschaftlich, also innerhalb der vorgegebenen Laufzeit zu refinanzieren ist. Basis sind hier die zu erzielende Energieeinsparung gegenüber dem gesetzlichen Standard, die Nutzungsdauer, die Kapitalverzinsung und die Energiepreissteigerungsrate.
An der Unsicherheit der Einschätzung dieser in die Zukunft weisenden Faktoren ändert dies Vorgehen nichts, der Planer bekommt jedoch vor einer langwierigen Kalkulation der Investitionskosten bereits in Abhängigkeit von dem angestrebten Standard gegenüber den gesetzlicher Vorgaben eine maximale Gesamtinvestition genannt, die nicht überschritten werden darf.
Im Rahmen von Sensitivitätsanalysen kann so auch umgekehrt ein Standard/eine maximale Investition definiert werden, der unterhalb von Passivhausstandard oder den definierten KfW-Standards liegt und gleichwohl wirtschaftlich ist.
Die Verformelung und detaillierte Erläuterung des Rechengangs finden Sie nachstehend:
F.1 Rechengang maximale Investition
Der Rechengang ist in mehrere Tabellenblätter eingebettet, welche hier abgerufen werden können:
Sie können das Blatt herunterladen und anschließend die Rechenparameter entsprechend Ihren Vorgaben verändern. Dargestellt ist eine effektive Energiepreissteigerung von 0 %
Einen PDF-Ausdruck können Sie hier einsehen
Der Kostenfaktor K = eingesparte Energie über Laufzeit monetär/aufgewendete Investitionsmittel
Prognosefaktor P lt. Formelwerk Lütkemeyer/Strauß
nachstehende Formeln werden verwendet:
nach Lütkemeyer/Strauß: eingesparte Energie über Laufzeit monetär/aufgewendete Investitionsmittel*Prognosefaktor = 1 oder größer
durch Umformung ergibt sich aufgewendete Investitionsmittel = Prognosefaktor * eingesparte Energie monetär
dies entspricht
maximal investierbare Investitionsmittel = Prognosefaktor * eingesparte Energie monetär
das ist die Investition, bei der mit dem gegebenen Prognosefaktor ein Rückflussfaktor von mindestens 1 erreicht wird mehr Investitionen verschlechtern den Rückfluss, geringere verbessern ihn.
Die Laufzeit der Zusatzinvestition ist für den Beispielfall "KITA mit PH-Standard" oder KfW-55-Standard berechnet und beträgt für den PH-Standard 29 Jahre, für den KfW-55-Standard 33 Jahre, d.h. ab diesen Jahren ist das Zusatzdarlehen für die erhöhten Aufwendungen getilgt und die Einsparungen für die Restlebensdauer gehen allein zugunsten des Bauherrn. Allerdings sind diese beim Passivhausstandard jährlich etwa doppelt so hoch wie beim KfW-55-Standard.
G. Literatur und Quellen
EU-Gebäuderichtlinie 2010/31 Neufassung 2013
abgerufen am 30.09.2015
Strategien und Potenziale energieeffizienter Sanierung für den Bremer Wohnungsbestand, Prof. Dipl.- Ing. Ingo Lütkemeyer, Prof. Dr.- Ing. Rolf-Peter Strauß, im Auftrag des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr und Energiekonsens Bremen GmbH, Bremen 2014
Evaluation von acht Passivhaus-Kitas in Hannover, Dr.-Ing. Stefan Plesser, energydesign braunschweig GmbH, 4A-Side GmbH, Braunschweig 2014
zum Autor:
Dipl.Ing. Architekt Falko von Strauss und Torney (Jahrgang 1949) war bis 2014 (Eintritt in den Ruhestand) beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr in der Freien Hansestadt Bremen als Referent für Hochbau und Liegenschaften beschäftigt. Ab 1992 bis 2003 war er Leiter des dortigen Hochbauamts und Geschäftsführer von dessen Nachfolgeorganisationen. Von 1979 bis 1991 war er Abteilungsleiter für den Hochschulbau im Staatshochbauamt Göttingen.
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Diese Magisterarbeit wurde von Renate von Strauss und Torney zum Abschluß ihres Studiums der Gesundheitswissenschaften geschrieben. Sie erhielt dafür eine Auszeichnung.
Pathogene Implikationen des Frauenschuhs
Eine Untersuchung geschlechtsspezifischer Ungleichheit
Magisterarbeit
vorgelegt von Renate von Strauß und Torney
Betreuende/r Gutachter/in:
Prof. Dr. Dietrich Milles
Prof. Dr. Petra Kolip
Bremen, den 29.8.2004
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
2 Der Frauenschuh: (k)ein Thema für Public Health?
2.1.Gesundheitliche Aspekte der Fußbekleidung in der Geschichte der ‚Öffentlichen Gesundheit’ 1
2.2 Schuh- und Fußfunktion aus bekleidungshygienischer Sicht 1
2.3 Aktuelle Beispiele gesundheitlicher Aufklärung zur Fußgesundheit 1
2.4 Gesundheitsverhalten im Blickwinkel von Public Health 1
3.2 Der typische Frauenschuh 1
3.3 Physiologische Funktion der Füße, ein ‚Stachel’ im Frauenschuh 1
3.3.1 Fußanatomie als Grundlage der Funktion 1
3.3.2 Anatomische Struktur der Fußsohle 1
3.3.3 Funktion des Bewegungsapparates beim Stehen und Gehen 1
4 Gesundheitsschäden durch Frauenschuhe
4.1 Frauenschuhe als Ursachen häufiger Fußprobleme 1
4.2 Spezifische Fußerkrankungen (Spreizfuß, Zehendeformitäten) 1
4.3 Deformierte Füße durch weibliche Konstitution? 1
5 Durch Beobachtungen und Messungen zur passenden Schuhform?
5.1 Zwei frühe Beispiele einer langen Geschichte 1
5.1.1 Petrus Campers „Abhandlung über die beste Form der Schuhe“ von 1783 1
5.1.2 G. Hermann Meyer beschrieb 1885 „Die richtige Gestalt der Schuhe“ 1
5.2 Aktuelle biomechanische Messmethoden 1
5.2.1 Statische Gewichtsverteilung unter der Fußsohle: Fußsohlenabdruck und Druckpodogramm 1
5.2.2 Kontinuierliche Messung der Druckverteilung unter der Fußsohle / Dynamisches Druckpodogramm 1
5.2.3 Automatisierte Ganganalysen 1
5.2.4 Zeitliche Struktur des Gangzyklus 1
5.2.5 Messung der Muskelaktivität: Elektromyogramm 1
5.3 Aktuelle Ergebnisse biomechanischer Messungen bei unterschiedlicher Absatzhöhe 1
5.3.1 Messungen zur veränderten Fußstatik auf hohen Absätzen 1
5.3.2 Messungen zur unphysiologischen Fußbelastung in Absatzschuhen (Bodenreaktionskräfte) 1
5.3.3 Statische Veränderung des Körperschwerpunktes durch Absatzschuhe 1
5.3.4 Kompensatorische Anpassung der Körperhaltung an die Absatzhöhe 1
5.3.5 Messbare Veränderungen der Ganganalyse durch Absatzschuhe 1
5.3.6 Wirkung der Absatzhöhe auf Knie- und Hüftgelenke 2
5.3.7 Zusammenfassende Übersicht über die biomechanischen Untersuchungsergebnisse 2
6.1 Fachkundige Huldigung des Absatzes in einem Orthopädielehrbuch 2
6.3 Gefühlte Qualität’ einer Ganganalyse 2
6.4 Subjektiver Bericht passionierter Stöckelschuhträgerinnen 2
6.5 Verbesserung der Figur (Haltung) durch Absätze aus Sicht eines Modepsychologen 2
6.6 Orthopädische Aussagen zur Körperhaltung und ihre ästhetische Bewertung 2
7 Soziokulturelle Bedeutung der weiblichen Fußbekleidung
7.1 Fußbekleidung und Bewegung als Elemente einer geschlechtsspezifischen somatischen Kultur 2
7.2 Der Frauenschuh in der interaktiven Konstruktion von Geschlechtlichkeit 2
7.2.1 Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht 2
7.2.2 Fußbekleidung als Mittel zur Darstellung der Geschlechtszugehörigkeit 2
7.2.3 Geschlechtsspezifische Körpersozialisation und Bewegungsverhalten 2
7.2.4 Sexualisierung des weiblichen Körpers 2
7.3 Symbolische Bedeutung weiblicher Füße und Schuhe 2
7.4 Weibliche Fußbekleidung und körperliches Wohlbefinden: ein unvereinbarer Gegensatz? 2
8 Kulturgeschichtliche Entwicklung der Frauenschuhe im 19. Jahrhundert
9 Gut zu Fuß: weibliche Fortbewegung in Gesundheitsförderung und Prävention
10 Literaturverzeichnis
11 Erklärung
1. Einleitung
„Aber es ist so (...): der größte Teil der Leiden, die uns bedrücken, kommt vom Menschen selbst.“ Johann Peter Frank, 17901
Abbildung 1 1 „Zagreb, August 1996“, Regina Schmecken (Süddeutsche Zeitung 16.7.2004)
Ein Blick auf die Füße genügt: an ihren Schuhen sind Männer und Frauen eindeutig zu erkennen. Schuhe zu tragen ist eine Bedingung der menschlichen Zivilisation, jedoch mit unterschiedlichen Konsequenzen für Frauen und Männer.
Dass der ‚typische Frauenschuh’, der elegante Damenpumps mit Stöckelabsatz nicht den gesundheitlichen Anforderungen an ‚fußgerechtes Schuhwerk’ entspricht ist allgemein bekannt. „Woran liegt es eigentlich, dass kleine Mädchen erst in den ‚Hochhackigen’ ihrer Mütter Dielenparketts und später dann, auf noch höheren Sohlen, ihre eigenen Füße und ihren Geldbeutel ruinieren?“ fragt die Journalistin Christine Ellinghaus, die sich zu ihrem ‚Schuhtick’ bekennt. (Bieker, Ellinghaus 1999) Und sie gesteht, dass auch Blasen und Druckstellen sie nicht von ihrer Leidenschaft für Pantöffelchen und Stilettos abbringen können, die das Missfallen von Orthopäden und besorgten Müttern erregen. Frauen gelten als besonders gesundheitsbewusst, sie haben angeblich ein besseres Gespür für ihren Körper als Männer2 und dennoch zwängen sie ihre Füße in zu kurze, viel zu enge Schühchen, in denen sie dann nur unter Schmerzen laufen können. Ellinghaus beschreibt sehr plastisch, welche Leiden ihre Schuh-Passion verursacht. Ihre „sehr schönen kleinen Füße“ werden jeden Morgen in neue „Folterwerkzeuge“ gepackt, um abends dann mit Bädern und Salben gepflegt zu werden. Spezielle Fußgymnastik soll einen beginnenden Hallux valgus3 bekämpfen. (Bieker, Ellinghaus 1999, S. 117-118)
Zwischen Frauenschuhen und Gesundheit besteht ein kompliziertes Spannungsverhältnis. Und es scheint keinen größeren Gegensatz zu geben, als ‚Fußgesundheit’ und ‚schöne Frauenschuhe’. Bequeme Schuhe sind offensichtlich nicht ‚schön’ und ‚schöne Schuhe’ sind nicht bequem. Dass diese Tatsache ‚im Alter’ zu einem Problem werden könnte, diskutieren Sylvia Bieker(35) und Christine Ellinghaus (36). Es würde schwierig sein, „geschlossene bequeme Schuhe zu finden, die trotzdem etwas besonderes sind“, stellen sie übereinstimmend fest. „Bieker: Wo findet man so was eigentlich? So wie’s aussieht bleiben ja sonst nur orthopädische Schuhe. Ellinghaus: Iiiih! Stell dir mich mal in orthopädischen Schuhen vor.“ Und sie bemerken anerkennend, dass in Spanien und Italien auch ältere Frauen noch schöne Schuhe trügen. „Man sieht ja auch fast automatisch gut aus, wenn man schöne Schuhe anhat, völlig unabhängig von Alter und Figur. Das finde ich immer so erstaunlich, dass selbst dicke Matronen in unvorteilhaften wadenlangen Röcken durch hübsche Schuhe, die sie tragen noch wie Frauen aussehen.“ (Bieker, Ellingfhaus 1999, S. 122) Doch so leidenschaftlich Schönheit und Attraktivität von Stöckelschuhen auch von ihnen gepriesen werden, auf 16 cm hohen Absätzen wird das Gehen zur schmerzhaften Tortur, von dem es nur eine Erlösung gibt: „Das Schönste ist ja immer dieses immense Gefühl von Freiheit, wenn man aus den Schuhen schlüpft.“ (Bieker, Ellinghaus 1999, S.117 Hervorhebung R.v.St.)
Die freimütigen Äußerungen von zwei begeisterten Stöckelschuhträgerinnen deuten bereits wesentliche Facetten der komplexen Thematik an. „Der Busen poppt vorne raus, der Po poppt hinten raus und die Hüften poppen abwechselnd rechts und links raus.“ So zitiert Ellinghaus die männliche Beschreibung des weiblichen Ganges auf Stöckelschuhen durch „irgendeinen Designer“. (ebd., S.53)
Weibliche Fußbekleidung impliziert nicht nur körperliche Beeinträchtigungen und manifeste Gesundheitsschäden, sondern auch sexuelle Attraktivität. Am Beispiel des ‚typischen Frauenschuhs’ wird deutlich, dass die bekannte Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 19474 einen unauflöslichen Widerspruch enthält. ‚Vollkommenes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden’ ist für Frauen in weiblicher Fußbekleidung nicht gleichzeitig zu erreichen. Das ‚soziale Wohlbefinden’, das der Gang auf hohen Absätzen vermittelt (‚Hohe Schuhe tragen poppt’), muss mit Bewegungs-einschränkungen, körperlichen Beschwerden und langfristig mit körperlichen Gesundheitsschäden erkauft werden. (vgl. Abs. 7.4)
Für die Behandlung und Beseitigung dieser körperlichen Beschwerden und Gesundheitsschäden sind dann Orthopäden, Physiotherapeuten und Orthopädie-Schuhtechniker zuständig. Der Orthopäde Alfred M. Debrunner (1994) berichtet von typischen langen Leidensgeschichten, die die Anamnese von Patientinnen mit solchen Fußerkrankungen5 kennzeichne: „Immer wieder werden neue Schuhe ausprobiert, doch keine passen. (...) Überall suchen diese Patientinnen Rat, doch der simplen Erkenntnis, dass ihre Schuhe vorne viel zu eng sind und ihre breiten Füße einfach nicht hineinpassen, verschließen sie sich hartnäckig.“ Resigniert stellt der Orthopäde fest: „An dieser Tatsache lässt sich wohl so wenig ändern, wie an der Schuhmode, welche die Form des Frauenschuhes seit jeher bestimmt hat und weiterhin diktieren wird. (...) Viele Frauen lassen sich lieber ihre Halluces valgi operieren als das sie unförmig große Schuhe tragen.(...) Tatsächlich entspringt diese Haltung nicht einfach mangelnder Einsicht oder individueller Verschrobenheit, sondern ist ein gesellschaftlich-kulturelles Phänomen, an dessen Entstehung das männliche Geschlecht vermutlich größeren Anteil hat als die Frauen selbst.“ (Debrunner 1994, S.886) Unter Hinweis auf ‚chinesische Lotusfüße’ weist Debrunner, darauf hin, dass der Frauenfuß in höheren Schichten zum Luxusobjekt, Schmuckstück und Zeichen des Reichtums umfunktioniert wurde, „aber auch zu einer Fessel. Mit solchen Füßen kann die Frau nicht arbeiten, aber auch nicht weglaufen. Die westliche Schuhmode zeigt dieselben Merkmale, wenn auch in abgemilderter Form.“ (Debrunner 1994, S.886; vgl. Abs. 7.3 und 7.5)
Seit mehr als zweihundert Jahren gibt es warnende Hinweise von Medizinern und Orthopäden vor unzweckmäßigem Schuhwerk, besonders für Frauen. (Camper 1783; Meyer 1858; Linder, Saltzmann 1998) Individualmedizinische Prävention und ärztliche Aufklärung konnten dieses ‚kulturell-gesellschaftliche Phänomen’ bisher nur wenig beeinflussen. Daher ist es notwendig, nicht nur die somatischen Aspekte der weiblichen Fußbekleidung zur Kenntnis zu nehmen, sondern ebenso ihren soziokulturellen Hintergrund zu beleuchten. Dies erfordert einen multiperspektivische Blickwinkel, wie er in den Gesundheits-wissenschaften / Public Health möglich und notwendig ist.
In der ‚Öffentlichen Gesundheit’ (Public Health) und den Gesundheits-wissenschaften (Health Sciences) geht es u.a. darum, Bedingungen zu erforschen und zu beeinflussen, unter denen Menschen gesund bleiben können. Dabei richtet sich das Augenmerk sowohl auf körperliche, psychische und soziale als auch auf kulturelle und ökonomische Voraussetzungen. Während das Erkenntnissinteresse in der Medizin als ‚Krankheitswissenschaft’ dem einzelnen Individuum gilt, richtet es sich in den Gesundheits-wissenschaften/Public Health auch auf ganze Bevölkerungsgruppen und ihre gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen. (Hurrelmann, Laser 1998, S. 25) Mit dieser erweiterten Perspektive wird der medizinisch-naturwissenschaftliche Bezugsrahmen der individuellen und kollektiven Gesundheit auch auf psychologische und soziokulturelle Aspekte ausgeweitet.
In meiner Bearbeitung dieser komplexen Thematik habe ich auch immer wieder historische Entwicklungslinien der verschiedenen Aspekte verfolgt. Dadurch ergeben sich vielfach überraschende neue Gesichtspunkte, auch für die Wahrnehmung und Beurteilung (allzu) vertrauter Gegebenheiten in der Gegenwart. „Es ist sinnvoll, die Entwicklungslinien und Wirksamkeiten historisch gewachsener Konzepte nachzuzeichnen, da sie die gegenwärtige Situation beeinflussen, ohne das dies explizit wahrgenommen wird.“ (Milles, 1991, S. 38)
Public Health wörtlich übersetzt als ‚Öffentliche Gesundheit’ hat eine historische Wurzel in der ‚Öffentlichen Gesundheitspflege’ des 19. Jahrhunderts, deren Zielsetzungen bereits im aufgeklärten 18. Jahrhundert von Johann Peter Frank formuliert wurden. Danach habe der Staat für das Wohlsein aller Staatsbürger zu sorgen und die Mittel für eine gesundheitsgemäße Existenz bereitzustellen. Eine Aufgabe der Heilkunst sei es, sich mit der Gesundheitsbildung weitester Volkskreise zu befassen. (Schipperges 1990, S.100) Mit der Begründung einer naturwissenschaftlichen Hygiene durch Max v. Pettenkofer in der Mitte des 19. Jahrhunderts rückte auch die Lebensumwelt mit ihren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen ins Blickfeld und die Gesundheitserziehung wurde eine Aufgabe der Öffentlichen Gesundheitspflege. (ebd. S.101)
In dieser Arbeit geht es darum, neben den somatischen Implikationen des typischen Frauenschuhs auch die geschlechtsspezifischen soziokulturellen Bedingungen der weiblichen Fußbekleidung zu untersuchen um Hinweise zu finden, warum gesundheitliche Aufklärung und präventive Bemühungen die unphysiologische Form des typischen Frauenschuhs bisher nicht beeinflussen konnten. Im 2. Kapitel wird untersucht, wie das Thema der Fußgesundheit als Aufgabe der ‚Öffentlichen Gesundheit’ im 18. und 19. Jahrhundert behandelt wurde und es werden historische Beispiele der hygienischen Volksaufklärung und aktuelle bekleidungshygienische Anforderungen vorgestellt. Während im 3. bis 5. Kapitel naturwissenschaftlich-somatischen Aspekte der Füße und die physische Wirkung der Frauenschuhe auf die Fußfunktion dargestellt werden, diskutiere ich im 6. Kapitel positive Urteile über die typisch weibliche Schuhform vor dem Hintergrund aktueller physiologischer und biomechanischer Erkenntnisse. Diese positiven Einschätzungen der weiblichen Schuhform werden erst durch ihren soziokulturellen Hintergrund verständlich. Daher untersuche ich im 7. Kapitel die geschlechtstypische Bedeutung der Frauenschuhe als Merkmal einer geschlechtsspezifischen somatischen Kultur und unter dem Aspekt der interaktiven Konstruktion von Geschlechtlichkeit. Ein Blick auf die kulturgeschichtliche Entwicklung der geschlechtsspezifischen Schuhform im 19. Jahrhundert in Kapitel 8 zeigt ihre Auswirkungen auch noch auf die gegenwärtige geschlechtstypische Schuhgestalt. In Kapitel 9 werden die Schlussfolgerungen einer; multiperspektivischen Sichtweise in Gesundheitsförderung und Prävention für die weibliche Fußgesundheit diskutiert.
2. Der Frauenschuh: (k)ein Thema für Public Health?
„The time is ripe to educate government, employers, and the public: standing and walking ‘perpetually on tip-toe... is the death-knell of health and comfort to millions of human beings’.“6
Abbildung 2 2 (Werbung Firma Opel 2004)
Als geschlechtspezifisches Kleidungsstück hat der Frauenschuh einen entscheidenden Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden von Frauen. Mediziner und Wissenschaftler warnen seit mehr als 250 Jahren vor der gesundheitsschädigenden Wirkung unphysiologisch gestalteter Schuhe. (Linder, Saltzman 1998) Auf den ersten Blick beruht die Wahl für ein bestimmtes Schuhmodell auf der persönlichen Entscheidung jeder einzelnen Frau, die sich damit mehr oder weniger gesundheitsbewusst verhält. Dementsprechend bestanden in der Vergangenheit präventive Bemühungen im wesentlichen aus Appellen an die ‚Vernunft’ der Frauen, sich gegen modische ‚Torheiten’ zu entscheiden und ‚vernünftiges Schuhwerk’ zu tragen. (Camper 1783; Meyer 1858; Schmeil 1964; Eyer 1969; Preuner 1977)
2.1Gesundheitliche Aspekte der Fußbekleidung in der Geschichte der ‚Öffentlichen Gesundheit’
Die Diskrepanz zwischen modischer Schuhform und physiologischer Fußfunktion zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Fußbekleidung als Thema in der ‚Öffentlichen Gesundheit’.
Das allgemeine Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und Krankheiten vorzubeugen wurde seit dem aufgeklärten 18. Jahrhundert im wesentlichen auf zwei unterschiedlichen Wegen angestrebt. Einerseits sollte durch medizinische Aufklärung und „Bildung der Vernunft“ eine „Änderung des Verhaltens durch Wissen, Erkenntnis und Einsicht“ erreicht werden. Dabei wurde Gesundheitsbildung „unter Federführung der Medizin zur Gemeinschaftsaufgabe erhoben“. (Haug 1991, S.109-116)
Andererseits sollte der Staat eine ‚Vormundschaft in Sachen Gesundheit’ übernehmen und durch ‚Verordnungen und Kontrolle’ die Volksgesundheit erhalten und fördern. Der Arzt Johann Peter Frank (1745-1821)7, wollte dies mit „einer auf ‚natürlichen Grundsätzen’ gebauten ‚Gesundheitsordnung’ erreichen, die zunächst durch Gesetze verordne, was die Bevölkerung dann später auch ohne ‚obrigkeitlichen Befehl’ beibehalte. (Haug 1990, S.121) In seinem siebenbändigen ‚System einer vollständigen medicinischen Polizey’ stellte Frank auch die Forderung nach ‚heilsamen Kleiderordnungen’. Der dritte Band (1783) enthielt das Kapitel ‚Von gesunder Kleidertracht’: „Die medizinische Beurteilung der Kleidermode beginnt mit einer heftigen Attacke gegen ‚die tyrannische Zunft französischer Modehändlerinnen und Schneider’, die beschlossen habe, ‚dass wir Deutschen, in ihren engen Fesseln, Gesundheit und alle[r] Vorzüge unserer männlichen Gliedmaßen verlustiget werden sollten!’ Man sehe nur, wie von dem Kopfe an, bis zur Spitze unserer Füße, alle Theile unseres Körpers eingerädert und zu allen freien Bewegungen unfähig gemacht werden...’ “(Artelt 1969, S.120, Hervorhebung im Original) Während Kleiderordnungen vorher lediglich die ‚Mäßigung des verderblichen Aufwands’ der Kleidung zum Ziel hatten und die geltende Standesordnung widerspiegelten, sollte nach Auffassung Franks jetzt die Aufmerksamkeit der ‚Polizey’ auch dem „Einfluß der verschiedenen Kleidungsarten auf die Gesundheit der Bürger“ gelten und „zum Gegenstand heilsamer Kleiderordnungen“ gehören. (Artelt 1969, S. 121)
Im Gegensatz zu diesen Forderungen nach staatlichen ordnungspolitischen Regelungen, sind es nach Haug „vor allem verschiedene ‚medizinische Aufklärer’, die der Vernunft und Selbstverantwortlichkeit des einzelnen gegenüber gesetzlichen Maßnahmen den Vorrang einräumen wollen. Sie glauben daran, dass zum Erreichen eines gesundheitsgerechten Verhaltens vor allem medizinisch-hygienisches Wissen und der Entschluß bzw. Mut zu konsequenter Lebensweise notwendig seien. Gesundheit wird also vornehmlich als Leistung des Individuums betrachtet...“. (Haug 1991, S.116)
Ganz im Sinne dieser medizinischen Aufklärung veröffentlichte der holländische Arzt, Anatom und Naturforscher Petrus Camper (1722-1789) seine ‚Abhandlung über die beste Form der Schuhe’, die 1783 in deutscher Übersetzung erschien. In einer Vorbemerkung rechtfertigte er sich, einen so unbedeutenden Gegenstand zum Thema seiner wissenschaftlichen Betrachtung gemacht zu haben. „Ein Scherz hat diese kleine Abhandlung veranlasst. Ich wollte meinen ehemaligen Zuhörern, welche behaupteten, dass aller Stoff zu Abhandlungen erschöpft wäre, beweisen, daß der allergeringfügigste Gegenstand, und wäre es auch nur ein Schuh von Holz oder Leder, unter den Händen eines Mannes, der gründlich Kenntnis davon hätte, interessant werden könnte. (...) Es ist aber kein Scherz, wenn ich behaupte, dass meine Betrachtungen über die Folgen unserer elenden Art, die Füße zu bekleiden, sich auf anhaltende Beobachtungen und wiederholter Erfahrungen gründen. Es kommt auf unsere jungen zierlichen Herren und Damen an, sich dieselben zu Nutze zu machen...“. (Camper 1783, S. 3-4) Campers Kritik wandte sich ebenso gegen die Unwissenheit der Handwerksleute, „welche im Ganzen genommen, die Verfertigung eines Schuhes bloß aus der Uebung gelernt haben, und der lächerlichen Mode und dem verderbten Geschmack ihres Zeitalters blindlings folgen.“ (Camper 1783, S.6-7) Abbildung 2-2 zeigt einen modischen Damenschuh von 1785, der noch nicht nach einem unterschiedlichem Leisten für den rechten und linken Fuß gearbeitet wurde.
Abbildung 2 3 Damenschuh, Frankreich 1785 (O’Keeffe1997, S.147)
Im 19. Jahrhundert war es ein Ziel der ‚öffentlichen Gesundheitspflege’, durch ‚hygienische Volksaufklärung’ die gesunde Bekleidung, also auch die zweckmäßige Schuhform, weitesten Bevölkerungskreisen nahe zu bringen. Die Hygiene der Kleidung, ebenso wie die von Luft, Wasser, Boden, Ernährung und Wohnung wurde Teil einer allgemeinen ‚naturwissenschaftlichen Hygiene’. Max von Pettenkofer8 (1818-1901) sah „in der Kleidung mehr als ein interessantes kulturhistorisches oder volkswirtschaftliches Objekt“. (Schipperges 1990, S.101) In seinem Aufsatz „Über die Funktion der Kleider“ stellte Pettenkofer (1865) die Ausgangslage und seine Forderungen für eine naturwissenschaftlich begründete Hygiene der Kleidung dar.
„Kleidung und Wohnung gehören zu den wichtigsten Erfindungen, die der Mensch gemacht hat; sie allein machen es ihm möglich, in den verschiedenen Breitengraden zu leben, sich über die ganze Erde auszubreiten. Die Kleidung des Menschen ist schon vielfach Gegenstand ästhetischer, culturhistorischer und national-ökonomischer, industrieller und merkantiler Betrachtungen gewesen, aber die Naturwissenschaften haben sich bisher nur sehr wenig damit beschäftigt. Sowohl für die Physiologie, als auch für die praktische Medicin hat das Studium der Kleidung einen in die Augen fallenden Werth, in soferne diese Umhüllungen die Funktionen der natürlichen Körperoberfläche theilweise zu übernehmen bestimmt sind. Man möchte zwar denken, dass etwas so nahe liegendes längst genug erforscht sei, aber bei näherer Betrachtung ergibt sich, daß wir auf die einfachsten Fragen über die naturwissenschaftliche Funktion der Kleider keine bestimmten Antworten zu geben vermögen, daß Naturforscher und Arzt darüber nicht mehr weiß, als was jedem Laien sein Gefühl sagt.“ (Pettenkoffer: Zeitschrift für Biologie; Über die Funktion der Kleider.“ 1865, S.180; Zit. nach Artelt 1969, S.126)
Auf dem Gebiet der Fußbekleidung hatte der Züricher Anatom Herman Meyer bereits 1858 seine ‚Abhandlung für Ärzte und Laien’ über ‚Die richtige Gestalt der Schuhe’ veröffentlicht. Sein naturwissenschaftliches Interesse beruhte auf zwei unterschiedlichen Ansätzen. „Ich war auf diesen Gegenstand von zwei Seiten her besonders aufmerksam gemacht worden; einerseits nämlich führten mich meine an anderem Orte bekannt gemachten Untersuchungen über die Mechanik des Ganges darauf, einzusehen, wie durchaus verkehrt unsere gewöhnliche Fußbekleidung beschaffen sei, und andererseits hatte ich als Lehrer der Anatomie, dem viele Körper vor Augen kommen, vielfach Gelegenheit, oft Unglaubliches von Fußmißbildungen zu sehen, deren Entstehung leicht auf Schuhdruck zurückzuführen war.“ (Meyer 1858, S. III)
Zum Einfluss der Mode auf die Fußgesundheit nahm Meyer ausführlich Stellung und wandte sich gegen modische Vorschriften, die in einem unauflöslichen Widerspruch zu den funktionellen Anforderungen stehen. Dabei bezog er sich ganz offensichtlich nicht nur auf weibliche, sondern ebenso auch auf männliche Fußbekleidung.
"Nun kömmt aber die Mode, welche sich auf das Zudringlichste in alle unsere Kleidungsverhältnisse einmengt und will auch über die Gestalt der Schuhe mitreden. - Solange sich die Mode nur um Schnitt und Weite der Röcke, um Gestalt und Farbe der Hüte e.c. kümmert, kann sie keine Nachtheile erzeugen, sondern höchstens Lächerlichkeiten. Die Gestalt der Schuhe ist indessen nicht eine Sache, in welcher die Mode mitreden darf. Es ist für die Gesundheit ganz gleichgültig, ob wir einen braunen oder einen grauen Rock tragen, aber es ist für die Gesundheit durchaus nicht gleichgültig, ob wir breite oder schmale, runde oder spitze, lange oder kurze Schuhe tragen.
Durch solche Vorschriften über die Gestalt der Schuhe übt die Mode den nachtheiligen Einfluß aus auf den Mechanismus des Fußes und auf alle Verhältnisse, welche von einem gesunden Fuße abhängig sind, z.B. auf die Möglichkeit angemessener Bewegung in freier Luft.
Man muß nur daran denken, dass der Fuß in den Schuh eingeführt werden muß, und wenn der Schuh eine andere Gestalt hat als der Fuß, dann muß der Fuß als der schmiegsamere Theil sich nach der Gestalt des Schuhes richten. Wenn also die Mode eine bestimmte Gestalt der Schuhe vorschreibt, so geht sie weit über ihr Gebiet hinaus und maßt sich an, eine Vorschrift darüber zu geben, wie der Fuß aussehen soll.
Der Fuß ist aber ein Theil unseres Körpers und an unserem Körper darf die Mode nichts ändern wollen; denn unser Körper ist ein Gegebenes und in allen seinen Theilen zweckmäßig. Wenn wir etwas an der gesunden Gestalt unseres Körpers ändern wollen, so können wir damit nichts verbessern, sondern nur verschlechtern." (Meyer 1858, S.2)
In einem anschaulichen Beispiel versucht Meyer seine Leser davon zu überzeugen, wie widersinnig es ist, dass die Schuhform nicht von der Fußform, sondern von der Mode bestimmt wird. "Welcher anmaßenden Lächerlichkeit sich die Schöpfer der Mode schuldig machen, wenn sie unseren Füßen die Gestalt vorschreiben wollen, sehen wir freilich nicht sogleich ein, weil wir nicht daran denken, daß eine solche Vorschrift eigentlich unseren Füßen gilt. Wir erblicken in derselben nur eine Angabe über die Gestalt der Schuhe und meinen, über diese dürfe die Mode ebenso mitreden, wie über den Schnitt der Röcke. Das ist nun einmal die hergebrachte Ansicht und in diese fügen wir uns gedankenlos, obgleich der Einfluß der Mode auf die Gestalt der Schuhe gar nichts besser ist, als wenn die Mode es einmal unschön finden wollte, daß wir Finger haben, und uns deswegen vorschreiben wollte, die Hand immer in eine spitze Lederdüte eingeklemmt zu tragen, - und ebenso ist dieser Einfluß um nichts besser, als wenn die Mode einmal in ihrer wechselnden Laune das Sehenlassen der Arme verbieten und uns, wie den Wickelkindern, die Arme an den Rumpf binden wollte." (Meyer 1858, S.3)
Sehr eindrucksvoll veranschaulichen diese Beispiele, wie absurd die funktionellen Einbußen und Bewegungseinschränkungen sind, die durch unphysiologische modische Fußbekleidung hervorgerufen werden. Da die Fußbekleidung ausschließlich den Fuß schützen soll, hat sich nach der Auffassung Meyers die Schuhform nach der ‚Gestalt des Fußes’ zu richten. Folgerichtig steht am Anfang seiner Untersuchung eine Darstellung der physiologischen Fußfunktion und Anatomie.
"Die Fußbekleidung hat die Aufgabe, ihrem Zweck, der Beschützung des Fußes nachzukommen; - sie hat aber nicht die Aufgabe, an der Gestalt unseres Fußes herumzupfuschen. (...) Die Gestalt des richtigen Schuhes, welcher das Gehen wirklich erleichtert und nicht, wie dies so häufig der Fall ist, erschwert oder unmöglich macht, hat sich nach der Gestalt des Fußes zu richten. deshalb ist diese letztere zuerst zu untersuchen." (Meyer 1858, S. 3) (vgl. Abs. 3) Während Meyer ausdrücklich nicht zwischen Männer- und Frauenschuhen unterscheidet, wird ein Blick auf die kulturgeschichtliche Entwicklung der Schuhformen zeigen, dass sich in den folgenden Jahrzehnten, wohl auch unter dem Einfluss des Sports, die Männerschuhe zunehmend an der anatomischen Fußform und Fußfunktion orientierten, während ‚typische Frauenschuhe’ die anatomischen und funktionellen Gegebenheiten der Füße bis heute weitgehend ignorieren. (vgl. Abs. 7.5)
2.2 Schuh- und Fußfunktion aus bekleidungshygienischer Sicht
Wie schon die beiden Ansätze für Meyers Untersuchungen andeuten, die einerseits von der Mechanik des Ganges und andererseits von anatomischen und pathologischen Erkenntnissen ausgingen, wurden die gesundheits-schädigenden Wirkungen unphysiologischer Fußbekleidung in der Folgezeit in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen untersucht und behandelt. Während biomechanische Ganganalysen die Physiologie der Fortbewegung immer detaillierter analysierten und beschrieben (vgl. Kap. 5), wurde es die Aufgabe von Orthopädie, schuhinduzierte Fußbeschwerden zu erkennen, vorzubeugen und konservativ oder operativ zu behandeln (vgl. Kap. 4). In der Hygiene9, die sich zu einer medizinischen Fachdisziplin entwickelte, wurde ‚gesunde weibliche Fußbekleidung’ zwar immer wieder thematisiert, aber präventive Bemühungen gegen Schäden durch weibliche Fußbekleidung galten (und gelten auch heute noch) wegen unüberwindbarer Modeeinflüsse als nahezu aussichtslos.
In einem Lehrbuch der Hygiene und der präventiven Medizin von 196910 sind einerseits Hinweis zur Fußbekleidung im Sinne Pettenkoffers zu finden, andererseits werden die Grenzen der naturwissenschaftlich fundierten Aufklärung deutlich gemacht. „Die Fußbekleidung, innen und außen gleichermaßen mechanisch, thermisch, und feuchteausgleichend, aber auch chemisch und mikrobiell beansprucht, bedarf größter Beachtung. Nur gegenüber Witterungsextremen (Kälte, Hitze, Schnee, Nässe) und beruflichen Schädigungen zeigt die Wahl des geeigneten Strumpf- und Schuhwerks eine deutliche bekleidungshygienische Publikumsreaktion. Bei allen übrigen Gelegenheiten führen die geltenden Modeströmungen, die insbesondere das weibliche Geschlecht oft genug geradezu grotesk anmutenden Zwang widerspruchslos hinnehmen, ja regelrechten Schmerz erdulden lassen. Bei dem hohen psychologischen Reizgehalt von Schuh, Strumpf und Bein der Frauen stehen bekleidungshygienische Bestrebungen hier vor einer fast unüberwindlichen Mauer.“ (Eyer 1969, S.166)
Neben der Wirkung der Mode auf die Schuhform spricht Eyer hier den besonderen psychologischen Reiz an, der mit der weiblichen Fußbekleidung verbunden sei. Dieser Aspekt hat einen großen Einfluss auf alle positiven Bewertungen von Absatzschuhen, ganz gleichgültig, ob es sich dabei um Aussagen in der Modeliteratur oder in orthopädischen Fachbüchern handelt. (vgl. Kap. 6) Die präventiven Aufgaben der Bekleidungshygiene werden von Eyer deutlich eingegrenzt. Während die bekleidungshygienische Überwachung von Eigenschaften der verwendeten Materialien auch bei Schuhen als notwendig gilt, werden Gesundheitsschäden, die durch eine modische Passform entstehen können, in der persönlichen Verantwortung des/der Einzelnen gesehen.
„Es ist (...) Aufgabe der Bekleidungshygiene, den Textilgrundstoffen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, deren sich Spinnereien und Webereien zu bedienen pflegen, und zu prüfen, ob die zur Fertigung verwendeten Textilgewebe die zu fordernden bekleidungshygienischen Voraussetzungen insoweit erfüllen, dass gesundheitliche Schäden mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sind.
Es versteht sich von selbst, dass formgebende und deshalb meist hautnah getragene Bekleidungsgegenstände wie Korsagen und verwandte Artikel, aber auch Schuhe, zumal solche aus Kunstleder oder Gummi, einer sorgfältigen hygienischen Überwachung bedürfen. Ebenso notwendig ist freilich eine gut durchdachte Aufklärungsarbeit, um dem im Durchschnitt sehr unselbständigen und wenig kritischen Publikum den Weg zu gesunder Kleidung zu weisen. Bekleidungsbedürfnisse aller Art unter gleichzeitiger Wahrung gerechtfertigter ästhetischer Ansprüche wird im übrigen durch die einschlägige Industrie schon in manchen bereichen erfüllt.
Es ist nicht Aufgabe der Bekleidungshygiene, der Mode Vorschläge zu machen! Wer sich von ihr leiten lässt, muß selbst Art und Maß dessen kennen, was seine Persönlichkeit vorteilhafter gestaltet, und sich dementsprechend verhalten.“ (Eyer 1969, S.159 Hervorhebung im Original) Nach dem Verständnis Eyers soll kritisches gesundheitsförderndes Verhalten durch Aufklärung erreicht werden, bekleidungshygienische Vorschriften in modischen Fragen werden dagegen abgelehnt.
Auch in einem ‚Lehrbuch der Hygiene für Krankenpflege und medizinisch-technische Berufe’ von 197711 werden gesundheitliche Forderungen an die Fußbekleidung mit Hinweisen auf modische Einflüsse verbunden.
"Das Schuhwerk soll den Fuß vor Kälte, Hitze, Nässe und Verletzungen schützen, in bestimmten Arbeitsbereichen auch vor beruflichen Schäden. Da aber Schuhe – wie kaum ein anderes Bekleidungsstück – den extremsten Modeeinfällen unterworfen sind, wird man strikt zu unterscheiden haben zwischen Schuhen, die am Arbeitsplatz getragen werden (Verkäuferin, Krankenschwester) und solchen für Sport und Freizeit. Ein Schuh soll leicht, luftdurchlässig, mit dünner, biegsamer Sohle, niedrigem Absatz und weichem Oberleder versehen und von physiologisch guter Passform sein. Männerschuhe sind meist zu schwer und zu dicksohlig. Frauenschuhe oft zu leicht. Zu enge und zu spitze Schuhe führen bei längerem Tragen bei beiden Geschlechtern zu Hammerzehenbildung (Hallux valgus) 12, zu hohe Absätze (über 4 cm) u.a. zur Verkrampfung der Wadenmuskulatur, Krampfadern (Varizen), Bandscheibenschäden und Unterleibserkrankungen bei anhaltender Fehlhaltung der Wirbelsäule." (Preuner 1977, S. 203, Hervorhebungen im Original) (vgl. Kap. 4)
Da weibliche Füße augenscheinlich nicht wirksam vor mode-bedingten Gesundheitsschäden geschützt werden können, soll (nun wenigstens) die Dauer der schädigenden Wirkung begrenzt werden. Eine Lösung, die gegenwärtig auch von Orthopäden vorgeschlagen wird.
2.3 Aktuelle Beispiele gesundheitlicher Aufklärung zur Fußgesundheit
Naturwissenschaftlich fundierte Hygieneerziehung wurde in der ‚Schulgesundheitspflege’ seit 1867 Aufgabe des Biologieunterrichts. (Haug 1991, S.131) In dieser Tradition sind auch die Informationen und Mahnungen zur Fußgesundheit zu sehen, die sich in einem Biologiebuch finden, das noch 1969 in einer Mädchenoberschule in Niedersachsen verwendet wurde.
Abbildung 2 4 (Schmeil 1964, S. 20)
1 Natürliche Gestalt des Fußes und richtige Form der Schuhsohle. 2 Durch modisches Schuhwerk verkrüppelter Fuß
Abbildung 2 5 (Schmeil 1964, S. 21)
Fuß in Schuh mit hohem Absatz, Röntgenbild
„Zu enge oder zu kurze Schuhe und Stiefel drücken die Zehen zusammen und begünstigen das schmerzhafte Einwachsen der Nägel. Die Form der Sohle muß dem Umriß des Fußes entsprechen. (vgl. Abb. 2-3) Haben Schuhe oder Stiefel zu hohe Absätze, so wird das Körpergewicht einseitig auf den Ballen des Mittelfußes, und bei noch höheren (Stöckelschuhen) auf die Zehen verlegt, so dass beim Gehen die Knie leicht gebeugt werden müssen. Hierdurch wird der Gang unsicher und wenig ausdauernd. (vgl. Abb.2-4) (...) Trage daher bequemes Schuhwerk, das den Fuß nicht einengt und eine normale Körperhaltung ermöglicht! Wandere viel im Freien auf unebenem Boden, damit die Elastizität der Füße erhalten bleibt.“ (Schmeil 1964, S.20)
In der 109. Auflage von Schmeil’s Naturwissenschaftlichem Unterrichtswerk ‚Der Mensch’ wird die gesunde Fußbekleidung als Teil der naturwissenschaftlichen Gesundheitslehre auf anatomischer und physiologischer Basis erklärt und an die Schülerinnen appelliert, sich gesundheitsbewusst zu verhalten.
Ein aktuelles Beispiel für medizinische Aufklärung zur Fußgesundheit liefern die Internetseiten der American Orthopaedic Foot & Ankle Society (AOFAS). Unter dem Titel ‚FootCareMD.com’ sind im ‚Footwear Guide’ u.a. Hinweise zum Schuhkauf zu lesen: „We're all susceptible to foot and ankle injuries, but we can reduce our risk for them by wearing properly-fitting shoes that conform to the natural shape of our feet. In selecting shoes, keep this basic principle of good fit in mind: Your feet should never be forced to conform to the shape of a pair of shoes.” (http://www.footcaremd.com/, Juli 2004)
Da es anscheinend als unmöglich gilt, Frauen davon zu überzeugen, ganz auf modische Absatzschuhe zu verzichten, werden Tipps gegeben, wie Gesundheitsschäden dennoch vermindert werden könnten.
Smart Tips for Wearing High Heels
Wear a shorter heel. a 2-inch heel causes less problems than a 4-inch heel. A shorter heel will give an elongated appearance if it is a thin stiletto type rather than a thick or chunky heel.
Try to save the use of your high heeled shoes for functions where you will not be on your feet for extended periods of time; treat them as a limited privilege accessory.
Take your designer shoes to a pedorthist to have them custom fit to your feet. They may be able to stretch the toe box to better accommodate your feet.
Try wearing a larger size show than usual and insert heel cups indo the backs for a better or more comfortable fit.
Wear open toe shoes instead of a similarly-styled shoe that causes discomfort in your toes. Partially open toe shoes have become more acceptable in many work environments, allowing you to further customize your shoes to your feet.
Remember that however appealing those high-heel, high-fashion shoes are, your feet need to carry you around for a lifetime. Treat them kindly!
Last updated: December 27, 2003
Einen anderen Weg beschreiten amerikanische Orthopäden/innen um auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen der Passform weiblicher (modischer) Fußbekleidung und der anatomischen Fußform hinzuweisen. (Frey 2000; Frey, Coughlin 1999; Frey, Thompson, Smith et al. 1993; Frey Thompson Smith 1995)
Abbildung 2 6 (Frey u.a. 1993 S. 78) Abbildung 2 7 (ebd. 1993 S. 79)
-
In dramatischer Weise zeigt sich die Diskrepanz
zwischen Schuh- und Fußform
wenn diePatientin barfuß neben ihrem Schuh steht.Fußumriss des belasteten Fußes
und Schuhumriss werden verglichen.
Um Frauen die Ursache ihrer Fußprobleme vor Augen zu führen, empfehlen sie, sehr einfache Messungen, die jede Frau selbst durchführen kann. So soll die Breite des Vorfußes mit einem Lineal gemessen und mit dem breitesten Teil der Schuhsohle verglichen werden. Ebenso zeigt der Umriss des Fußes, der auf einem Stück Papier abgezeichnet wird, im Vergleich zum Schuhumriss sehr deutlich das Missverhältnis zwischen Fuß- und Schuhform. (Abb. 2-6) Überzeugend sei es auch, wenn Frauen barfuß direkt neben ihrem Schuh stehen um Form und Breite zu vergleichen. (Abb. 2-5) Diese Vorschlägen zur Gesundheitsaufklärung richten sich sowohl direkt an Patientinnen als auch an die behandelnden Orthopäden.
Wie die angeführten historischen und aktuellen Beispiele zeigen, haben sich die Argumente gegen eine unphysiologische Fußbekleidung seit Beginn der medizinisch-naturwissenschaftlich fundierten Aufklärung im 18. Jahrhundert nur unwesentlich verändert. 13 Anders als in der Zeit bis zur Französischen Revolution ist es heute allerdings besonders die weibliche Fußbekleidung, die Gesundheitsschäden verursacht. „Compared with males, females have 9:1 odds of having various forefoot problems developed. It can be concluded that males wear more ‘healthy’ shoes. Shoes for males provide a roomier, nonconstricting environment for the foot than fashion shoes for females.” (Frey 2000, S.35) Nach einer aktuellen amerikanischen Studie14 litten 80% der untersuchten Frauen in ihren Schuhen unter Fußschmerzen. 76% hatten eine oder mehrere Vorfußdeformität/en, bei 54% wurde ein Hallux valgus festgestellt. Von den Frauen mit Vorfußdeformitäten hatten 71% einen Hallux valgus, 50% Hammerzehen, 18% ‚Bunionettes’.15. (Frey 2000, S. 34)
Die erhöhte Prävalenz von Fußerkrankungen bei Frauen zeigt sich auch in einer statistischen Auswertung aller Fußoperationen einer amerikanischen Orthopädischen Praxis. (siehe Abb. 2-6: Tabelle)
Abbildung 2 8: Coughlin, Thompson 1995, S.372
Da Fußdeformitäten durch konservative Maßnahmen nur schwer zu beeinflussen sind, müssen sie oft operativ behandelt werden. (vgl. Debrunner 2002) Um die Kosten der schuhinduzierten Fußerkrankungen für die amerikanische Gesellschaft zu verdeutlichen, führen Frey und Coughlin ,unter Berufung auf eine Studie von 199516, folgende Berechnungen für die USA an:
„The cost to society of the foot problems that can develop from ill-fitting shoes has been investigated. Using a process of extrapolation, it was estimated that in 1991 the following rates of surgery were performed: 209,000 bunionectomies, 210,000 hammertoe corrections, 66,500 neuroma resections, and 119,000 bunionette repairs. The authors estimated that 75 % of Problems requiring surgery were aggravated or caused by women fashion shoe wear. It was estimated that the direct cost for surgery and postoperative care for these patients was $ 1.5 billon. The indirect cost, which included time off from work, added an additional $1.5 billion to the cost. As the $3 billion total figure does not include non-operative care for these condition and excludes other shoe-related problems, the cost to society resulting from women wearing ill-fitting fashion shoes is most likely considerably higher.” (Frey, Coughlin 1999, S.45-46)
Auch wenn mir für Deutschland keine entsprechenden Berechnungen vorliegen, weisen die Zahlen darauf hin, dass auch hier erhebliche Kosten entstehen, die durch eine wirksame Prävention vermieden (oder wenigstens vermindert) werden könnten. Dennoch sind die Gesundheitsschäden durch Frauenschuhe in der Öffentlichen Gesundheit / Public Health in Deutschland gegenwärtig kein Thema. Beiträge zur gesundheitsschädigenden Wirkung der (weiblichen) Fußbekleidung fand ich vor allem in aktuellen amerikanischen Fachzeitschriften und in historischen Beiträgen zur medizinischen und bekleidungshygienischen Aufklärung. Frauenschuhe als Thema der Gesundheitsbildung und Prävention kommen z.B. in aktuellen Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)17 nicht vor. Orthopäden werden mit den Folgen unphysiologischer Schuhformen als individuelles Gesundheitsproblem konfrontiert und reagieren mit individualmedizinischen Aufklärungs- und Behandlungsmaßnahmen. Um Frauen zu veranlassen ‚gesunde’ Schuhe zu tragen, wurde und wird vor allem an die ‚Vernunft’ appelliert, die sich gegen ‚modisch elegante Schuhe’ entscheiden soll. Welche neuen Aspekte sind nun von der Untersuchung dieses Themas aus einer aktuellen Public-Health-Perspektive zu erwarten?
2.4 Gesundheitsverhalten im Blickwinkel von Public Health
Nach 250 Jahren medizinischer Forschung und Aufklärung ist für die Autoren des ‚International Journal of Health Services’, Linder und Salzmann (1998) die Zeit nun reif, Regierung, Nutzer und die Öffentlichkeit davon zu unterrichten: ‚ständig auf Zehenspitzen zu stehen und zu gehen, zerstöre Gesundheit und Wohlbefinden von Millionen Menschen’. Diese schon vor 130 Jahren im Hall’s Journal of Health, (Seton Hall University USA. 1874) formulierte Erkenntnis über die ‚abscheulichen Folterwerkzeuge, die Stiefel und Schuhe genannt werden’, („...hideous torturing machines called boots and shoes...“, (ebd. S.466) besitzt auch heute noch traurige Aktualität. Das zunehmende medizinisch-funktionelle Wissen über pathogene Wirkzusammenhänge konnte die gesundheits-schädigenden Folgen der ‚typisch weiblichen Fußbekleidung’ nicht verhindern. Nicht nur in bezug auf die Fußgesundheit hat sich gesundheitliche Aufklärung, (die an ‚vernünftiges Verhalten’ appelliert), als wenig effektiv erwiesen um Gesundheitsverhalten18 positiv zu beeinflussen. (Troschke, v. 1998, S.376) Das Wissen über medizinisch-pathogenetische Zusammenhänge bildet zwar eine notwendige Basis für die Verhinderung von Krankheiten. Diese naturwissen-schaftliche Perspektive reicht aber nicht aus, um gesundheitsrelevante Verhaltensweisen zu erklären und zu beeinflussen. (Schwartz u.a. [Hrsg.] 1998)
Im Blickwinkel von Public Health wird der individualmedizinisch-naturwissenschaftliche Bezugsrahmen auf psychologische, soziokulturelle und gesellschaftliche Aspekte erweitert. Dabei werden gesundheitsrelevante individuelle und kollektive Verhaltensweisen im Zusammenhang mit kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnissen gesehen.
Während in psychologischen Erklärungsansätzen die Abhängigkeit des Gesundheitsverhaltens von Kenntnissen und Einstellungen des Individuums im Vordergrund stehen, sind aus soziologischer Perspektive soziale Lebensbedingungen, soziale Normen und kollektive Verhaltenserwartungen bestimmend. (Troschke v. 1998, S.382) In empirischen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass sich das praktizierte Gesundheitsverhalten nicht nur schichtspezifisch unterscheidet, sondern in sozialgruppenspezifischen Lebensstilen ausprägt. (Trojan 2002)
Soziale Ungleichheit19 beeinflusst nicht nur die Morbidität und Mortalität der Bevölkerung in den nach Bildung, Berufsstatus und Einkommen differenzierten (vertikalen) Bevölkerungsschichten. (Mielk, Helmert 1998, S.519; Troschke, v. 1998, S.388) Auch das Geschlecht als ein Indikator der (horizontalen) sozialen Ungleichheit, ist mit ungleichen Lebenschancen verknüpft und bedingt gesundheitliche Ungleichheiten. (Maschewsky-Schneider, Sonntag, Klesse 1992, Maschewsky-Schneider 1997) Geschlechtsspezifische Unterschiede im Gesundheitsverhalten lassen sich einerseits als Folge unterschiedlicher auch materieller Lebensbedingungen von Frauen und Männern begreifen, andererseits werden gesundheitsrelevante Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen im Prozess der Sozialisation von Verhaltensvorbildern übernommen. (Troschke v. 1998, S.383)
Auf die Bedeutung der soziokulturellen Bedingungen weiblicher Fußbekleidung gehe ich in Kap. 7 ausführlich ein. Um die Funktionseinbußen durch ‚typische Frauenschuhe’ verständlich zu machen, skizziere ich im Folgenden den Aufbau von typischen Männer- und Frauenschuhen und stelle dann die anatomischen Strukturen und funktionellen Bedingungen der Füße dar.
3. Schuhform und Fußfunktion
Da sich die Funktion der Füße von Männern und Frauen nicht unterscheidet, gibt es auch keine geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Anforderungen an eine funktionelle Schuhform. Den typischen Frauenschuh als geschlechtsspezifische Schuhform kennzeichnet eine besonders unphysiologische Passform. Schuhe zu tragen ist eine Errungenschaft unserer Zivilisation. Die aktuellen Schuhformen sind in einem gesellschaftlichen, kulturhistorischen Prozess und unter den Bedingungen handwerklicher oder industrieller Fertigungsmethoden sowie gegebener Eigenschaften der verwendeten Materialien entstanden. Der physiologischen Fußfunktion würde es entsprechen gar keine Schuhe zu tragen. Daher raten Orthopäden zur Kräftigung und Abhärtung der Füße so oft wie möglich auf gewachsenen Böden, wie Wiesen, Sand und im Wald barfuss zu laufen. Unter rein funktionellen Gesichtspunkten dienen Schuhe dem Schutz vor Kälte und Verletzungen. Außerdem können Schuhe besondere Belastungen der Füße z.B. beim Gehen auf harten Böden oder beim Sport abmildern.(Rabl, Nyga 1994, S. 47; Debrunner 2002, S. 1180) Schuhe, die die anatomischen und funktionellen Gegebenheiten der Füße nicht berücksichtigt führen zu Schmerzen und Gesundheitsschäden.
3.1 Fußgerechte Schuhe
Die Anforderungen an ‚fußgerechte Konfektionsschuhe’ werden von Orthopäden und Orthopädieschuhmachern formuliert. Einerseits sollen Schuhe den Füßen Halt geben und sie ‚führen’, andererseits dürfen sie das freie Spiel der Zehen nicht einengen. Ein fußgerechter Aufbau der Schuhe verhindert, dass der Fuß beim Schrittablauf, besonders in der Abstemmphase, nach vorn rutscht und die Zehen anstoßen. Dies wird durch die gute ‚Fassung des Fußes’ im Mittelfußbereich und durch eine notwendige ‚Überlänge’ von 1,5 cm verhindert. (nach Kraus: Rabl, Nyga 1994, S.47, siehe auch: Kraus 1977, Kraus 1979, Weber 1983)
Den grundlegenden Aufbau eines ‚normalen’ Halbschuhs zeigt Abb. 3-1. Die Form dieses ‚normalen’ Halbschuhs entspricht einem typischen Herrenschuh, wie er seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunächst nur von Männern, später auch von Frauen getragen wurde und bis heute als Schuhform für beide Geschlechter üblich ist. (vgl. Abs. 7.5)
Abbildung 3 9 Der Aufbau eines normalen Halbschuhs (Rabl, Nyga 1994, S.47)
Die Verbindung von Absatz- und Sohlenaufbau bildet das sogenannte Schuhgelenk, das nicht beweglich ist. „Die innere untere Festigkeit erhält der Schuh durch die Brandsohle, darauf ist im Schuh das mehr oder weniger ausgearbeitete ‚Fußbett’ angebracht. Der obere Schuhaufbau besteht aus der Vorderkappe und der Hinterkappe mit dem etwas nach vorn gezogenen Futter. Vorder- und Hinterkappe werden durch den Schaft verbunden. Der Schaft sorgt für die mehr oder weniger feste Fassung des Mittelfußbereichs, er kann als Slipperform oder zum Schnüren ausgelegt sein.“ (Rabl, Nyga 1994, S.47)
3.2 Der typische Frauenschuh
Parallel zur funktionellen Form der Herrenschuhe entstand der typische Damenschuh in seiner noch heute gebräuchlichen Form. Während vor der französischen Revolution Männer und Frauen zierliche Schuhe mit Absatz trugen, wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert die zierliche Form und der Absatz ausschließliche Merkmale von Frauenschuhen. (vgl. Abs. 7.5)
Abbildung 3 10 Gute Fassung des Fußes (Rabl, Nyga 1994, S.47)
Die Abbildung 3-2 zeigt die gute Fassung a) im Damen- und b) im Herrenschuh. Beide Schuhformen unterscheiden sich im wesentlichen durch Höhe und Form des Absatzes, der beim Damenschuh höher und schmaler gearbeitet ist.
Der ‚typische Damenschuh’ (Pumps) ist jedoch gerade im Mittelfußbereich weit ausgeschnittenen und gibt dem Fuß wenig Halt. Durch den hohen Absatz rutscht der Fuß nach vorn und quetscht die Zehen in der meist zu kurzen und zu engen Kappe zusammen. (Abb. 3-3)
Abbildung 3 11 (Debrunner 2002, S.1157)
Mann könnte nun einwenden, dass heute keine Frau gezwungen sei, Pumps mit hohen Absätzen zu tragen, da in den Schuhgeschäften auch physiologisch gestaltete Damenschuhe angeboten würden. Bei diesen Schuhen handelt es sich allerdings um ‚sportliche’ Schuhe, die sich im Design nicht wesentlich von Herrenschuhen unterscheiden. Es gibt jedoch keinen ‘typischen’ Frauenschuh in einer fußgerechten, funktionellen Passform. Eine amerikanische Orthopädin bemerkte dazu passend: „Any woman who wants the comfort of a tennis shoe will probably have to wear a tennis shoe.“ (Seale 1995, S. 384) Dazu passen auch die Erfahrungen des Orthopäden Alfred M. Debrunner: „Das Schuhproblem ist ein leidiges. Keinem Arzt ist es noch gelungen, eine Frau soweit zu überzeugen, dass sie genügend große Schuhe trägt. Und wäre das doch möglich, so findet sie auf dem Markt keine, wenigstens keine, welche sie tragen würde.“ (Debrunner 1994, S. 193, Hervorhebung im Original)
Eine amerikanische Untersuchung (AOFAS20 Council on Women’s Footwear, 1991[www.aofas.org/fai]) an 356 Frauen bestätigt diese Einschätzung: 90 Prozent der untersuchten Frauen trugen Schuhe, die für ihre Füße zu klein waren und 80 Prozent hatten Fußprobleme. “Most women wear shoes a width to two sizes too small. As a result, many suffer from bunions, hammertoes, bunionetts, coms and other disabling foot problems. The lack of availability of variety of width sizes partially explains this problem. Men’s shoes on the whole are available in greater variety of width and conform more closely to the outer dimension of their feet.” (www.aofas.org 2003; vgl. Frey, Thompson, Smith u.a. 1993) Männerschuhe entsprechen in der äußeren Form mehr der Fußform und werden in variableren Weiten angeboten.
3.3 Physiologische Funktion der Füße, ein ‚Stachel’ im Frauenschuh
Es besteht ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen der physiologischen Funktion der Füße und der Passform eines typischen Frauenschuhs. Dieser Widerspruch löst eine sonderbare Reaktion aus. Nicht der Schuh wird als ‚unpassend’ identifiziert, sondern es ist die Fußform und -funktion, die als störend erscheint und empfunden wird. Die Schuhmode gibt nicht nur eine Fußform vor, an die sich der Fuß anzupassen hat, die Schuhform verändert ebenso Bewegungsabläufe und Bewegungsmöglichkeiten nach einem soziokulturell geformten, geschlechtsspezifischen Körperbild. (Wex 1979, Baur 1988, Kiener 1956) Die physiologische Funktion wirkt als Störfaktor bei der Darstellung einer geschlechtsspezifischen ‚somatischen Kultur’. (Boltansk 1976) (vgl. Kap. 7)
Die physiologische Funktion der Füße unterscheidet sich geschlechtsspezifisch nicht. Beim Gehen und Stehen lastet das gesamte Körpergewicht auf den Füßen. Drei funktionelle Aspekte sind zu unterscheiden:
Zusammen mit dem Bein ermöglicht der Fuß das ‚Stehen’ und stützt bei dieser statischen Funktion den Körper auf ebenen und unebenen Flächen.
Beim Gehen, Laufen und Springen bildet er eine stabile dynamische Plattform.
Für die Erhaltung des Gleichgewichts erfassen sensible Nerven mechanische Einwirkungen vom Untergrund, wie Stoß- und Vibrationswirkungen. (Debrunner J. 1998, S.10)
3.3.1 Fußanatomie als Grundlage der Funktion
Durch einen komplizierten Aufbau aus Skelett, Muskeln, Sehnen, Nervenfasern und versorgenden Blutgefäßen wird die Fußfunktion gewährleistet. (Rabl, Nyga 1994, S.7f) Die knöcherne Struktur bildet das Fußskelett, das im Röntgenbild sichtbar gemacht werden kann. Wir unterscheiden die Fußwurzel (Tarsus), den Mittelfuß (Metatarsus und die Zehen (Digiti). Die Fußwurzel besteht aus sieben Knochen, dem Sprungbein (Talus), dem Fersenbein (Calcaneus) und vier weiteren kleineren Fußwurzelknochen: Kahnbein (Os naviculare), zwei Keilbeinen (Ossa cuneiforme) und Würfelbein (Os cuboideum). (Abb. 3-4) Die Knochen sind durch Bänder verbunden, die die Bewegungen der Gelenke führen und begrenzen.
Abbildung 3 12 (Waldeyer 1969, S.357)
Rechter Fuß von dorsal mit Flexions-
und schräger Pro-Supinationsachse)
Für die Fußfunktion ist die Gewölbekonstruktion des Fußes von großer Bedeutung. Die Hauptlast des Körpergewichts wird vorwiegend hinten von der Ferse und vorn vom Ballen getragen, die Längswölbung dazwischen wird beim gesunden Fuß kaum belastet. Als tragende Knochenstützpunkte wirken das Tuber calcanei am Fersenbein und die fünf Metatarsalköpfchen der Mittelfußknochen. (Abb. 3-6 linke Seite)
Abbildung 3 13 Gewölbekonstruktion(Debrunner 2002, S.1123)
Eine unphysiologische Belastung der Fußsohle führt zu Druckstellen, Schwielen und den typischen ‚Hühneraugen’ (Clavi). Das Druckpodogramm (Abb. 3-6...) gibt die Kurven gleichen Drucks auf der Fußsohle wieder. Beim Gehen werden durch das ‚Abrollen’ nacheinander verschiedene Bereiche der Sohle belastet. (Abb.3-7)
Abbildung 3 14 (Debrunner 2002, S. 1124)
Beginnend mit dem Fersenauftritt sind die belasteten
Fußsohlenabschnitte eines Gangzyklus eingezeichnet.
3.3.2 Anatomische Struktur der Fußsohle
Die Fußsohle besitzt eine anatomische Struktur, die wie ein Stoßdämpfer den lokalen Druckbelastungen angepasst ist. An den belasteten Arealen bildet die bindegewebige Konstruktion der Fußsohle ein verformbares Polster. Durch Fettgewebekammern wird eine subkutane ‚Druckkammerstruktur’ aufgebaut, die die Druckbelastung abfedert. „Die Konstruktion der kräftigen Bindegewebs-septen garantiert eine feste, elastische deformierbare Verbindung zwischen Skelett und Boden.“ (Debrunner J. 1998, S. 17) Dadurch wird der Kraftfluss auf eine breite Sohlenfläche verteilt. „Die Fußsohle verformt sich bei Belastung nichtlinear. Mit zunehmender Belastung setzt sie der komprimierenden Kraft zunächst wenig Widerstand entgegen, bei starker Belastung wird sie zunehmend härter.“ (Debrunner J. 1998, S.19) Wenn die Gewölbekonstruktion des Fußes intakt ist, verteilt sich die gesamte Körperlast auf diese belastbaren Sohlenflächen, eine andere Belastungsverteilung führt fast immer zu Beschwerden. (Debrunner 2002, S. 1123) Beim normalen Stehen werden außerdem ständig wechselnde Zonen dieser Flächen belastet, so dass es nicht zu Druckschäden unter der Fußsohle kommt. Eine Reduzierung der Druckbelastung kann durch eine elastische Schuhsohle erreicht werden, dabei bewirkt „das elastische Nachgeben der Sohle unter der Ferse und dem Vorfuß eine ausgezeichnete Stossdämpfung.“ (Debrunner J. 1998, S.19) Beim typischen eleganten Frauenschuh mit Absatz ermöglicht die flache Konstruktion der Sohle keinen stoßdämpfenden Aufbau der Schuhsohle.
3.3.3 Funktion des Bewegungsapparates beim Stehen und Gehen
Der normale Bewegungsablauf beim Gehen beruht auf einem sinnvollen Zusammenspiel aller beteiligten Elemente. Der gesamte Bewegungsapparat stellt eine funktionelle Einheit dar, dabei setzt eine sinnvolle Funktionsweise eine entsprechende Konstruktion voraus. „Nähere Betrachtung zeigt, dass die Morphologie21 des Bewegungsapparates genau seiner Funktion entspricht.“ (Debrunner 1994, S. 32) „Es leuchtet ein, dass Ausfälle von einzelnen Elementen oder Funktionseinheiten manchmal komplexe Störungen der Gesamtfunktion nach sich ziehen, welche oft nicht nur am Ort des Schadens sichtbar werden. (...) Es ist deshalb notwendig, die Gesamtfunktion des integrierten Bewegungsapparates zu betrachten.“ (ebd., S. 33, Hervorhebungen im Original)
„Eine Hauptfunktion des Bewegungsapparates besteht darin, den aufrecht stehenden Körper gegen die Schwerkraft im Gleichgewicht zu halten, damit er nicht umfällt.“
Abbildung 3 15 Stabiles und labiles Gleichgewicht (Debrunner 2002, S. 134)
Aus der Abbildung (3-7) ist ersichtlich, dass im normalen Stand das Gleichgewicht dann stabil ist, wenn das Lot aus dem Körperschwerpunkt innerhalb der Standfläche liegt. Im Zehenstand wird dadurch Stabilität erreicht, dass der Körperschwerpunkt etwas nach vorn über die Ballen verlagert wird. Die Standfläche ist jetzt verkleinert. [Vergleiche Untersuchungen zum Stand auf Absatzschuhen, Kap...] Die Körperaktionen zur Erhaltung des Gleichgewichts „sind unbewusste komplizierte, reflektorische Vorgänge, bei welchen propriozeptive, optische, vestibuläre Reize usw. verarbeitet, in komplizierte Muskelaktionen umgesetzt, rückgekoppelt und schließlich wieder auf ihre Wirksamkeit kontrolliert werden.“ (Debrunner 2002, S. 134)
Der menschliche Gang „ist eine einzigartige Mischung von unwillkürlichen, automatischen mit halbautomatischen und willkürlichen Bewegungen. Sein Effekt ist eine zielgerichtete Fortbewegung mit geringem Energieaufwand unter Erhaltung eines komplizierten Gleichgewichts, sein Ablauf eine harmonische Bewegungsfolge. In regelmäßigem Rhythmus wiederholen sich bis in Einzelheiten festgelegte Muster. Trotzdem ist der Gang so individuell, dass man einen Menschen daran erkennen kann.“ (Debrunner 1994, S.102)
4. Gesundheitsschäden durch Frauenschuhe
Als geschlechtsspezifisches Kleidungsstück verursachen Frauenschuhe eine Vielzahl von Fußproblemen. Es sind dabei im Wesentlichen zwei Merkmale, die zu Fußschäden führen. Einerseits bewirkt die zierliche enge Form Zehenfehlstellungen, wie sog. Ballenbeschwerden (Hallux Valgus) und Hammerzehen, andererseits verursacht der erhöhte Absatz eine Fehlbelastung des ganzen Fußes und eine Instabilität beim Gehen. Dabei kommt es außerdem zu kompensatorischen Belastungen der Kniegelenke, der Hüften und der Wirbelsäule. Letztlich ist der gesamte Bewegungsablauf verändert. (vgl. Abs. 5.3)
4.1 Frauenschuhe als Ursachen häufiger Fußprobleme
Es gibt typische Fußprobleme, die auf unphysiologisch gestaltete Schuhe zurückzuführen sind. Ich beschränke mich im Folgenden auf die Darstellung der häufigsten Fußerkrankungen von denen besonders Frauen betroffen sind. In der aktuellen orthopädischen Literatur beschreibt Alfred M. Debrunner (1994, 2002) besonders ausführlich die ursächlichen Zusammenhänge zwischen Schuhform und Fußproblemen. Dabei weist er wiederholt auf die geschlechts-spezifische Bedeutung der Schuhform für bestimmte Fußerkrankungen hin.
C.R.H. Rabl und W. Nyga (1994) begründen die Tatsache, dass vorwiegend Frauen von Zehendeformitäten wie dem Hallux valgus betroffen sind mit einer Bindegewebsschwäche, die familiär gehäuft auftrete und konstitutionell bedingt das weibliche Geschlecht bevorzuge“. Sie konstatieren jedoch ebenfalls einen „zusätzlichen erheblichen Einfluss“ der Schuhmode auf die Zehenfehlstellung: “je spitzer die Vorderkappen gestaltet sind, umso mehr werden die Zehen vorn zusammengepresst. Durch häufig ungenügenden Halt des ganzen Fußes gleiten die Füße beim Stehen und Gehen begünstigt durch höhere Absätze in den Schuhen nach vorn, so dass die Zehen vorn anstoßen und noch mehr zusammengepresst werden.“ Als weitere, das Krankheitsbild begünstigende Faktoren werden „Körpergewicht, Lebensgewohnheiten, berufliche Tätigkeit etwa mit übermäßigem Stehen und Gehen“ genannt. (Rabl, Nyga 1994, S.104)
4.2 Spezifische Fußerkrankungen (Spreizfuß, Zehendeformitäten)
Fußprobleme gehören zu den häufigsten Beschwerden, die Patienten zum Orthopäden führen. Eine Ursache dieser Beschwerden ist bei Frauen oft der Spreizfuß, eine Insuffizienz des Vorfußes. Während sich beim gesunden beweglichen Fuß der Druck beim Stehen gleichmäßig auf die Metatarsalköpfchen verteilt und sich ständig hin und her verschiebt, wird beim Spreizfuß nur der mittlere Bereich belastet. (vgl. Abb. 3-5 rechte Seite b) Diese unphysiologische Belastung führt einerseits zu typischen Schmerzen, den sog Metatarsalgien. Eine weitere Folge sind vor allem Zehenbeschwerden, die am häufigsten dadurch zu Stande kommen, dass der verbreiterte Vorfuß mit den Zehen nicht mehr in normale Schuhe hineinpasst. (Debrunner 2002, S. 1149)
Abbildung 4 16 Spreizfuß (Debrunner 2002, S. 1149)
Als typische Begleiterscheinungen des Spreizfußes entstehen Zehendeformitäten wie Hallux valgus, Digitus quintus varus und Hammerzehen, diese „gehören zu den häufigsten Ursachen von Fußbeschwerden überhaupt. Sie sind mehr oder weniger zwangsläufig Folge des Missverhältnisses zwischen Insuffizienz des Vorfußes, welcher in die Breite drängt, und dem Druck zu enger, modischer Schuhe. Die Zehen werden vorne im Schuh zusammengepresst, bedrängen sich gegenseitig und drücken aufeinander, was Fehlstellungen und schmerzhafte Clavi (Hühneraugen) zur Folge hat. Gleichzeitig verlieren sie mit der Zeit ihre Beweglichkeit. In schweren Fällen entstehen groteske Deformitäten.“ (Debrunner 2002, S. 1150, Hervorhebungen im Original) Wenn die mittleren Zehen in ‚Krallenstellung’ fixiert spricht man von Hammerzehen. Eine weitere Folge sind schmerzhafte Schwielen und ‚Hühneraugen’.
Abbildung 4 17 Hammerzehen (Debrunner 2002, S.1150)
Die häufigste Zehendeformität, die durch eine unphysiologische Schuhform begünstigt wird, ist der Hallux valgus. Ursache dieser sog. ‚Ballenbeschwerden’ ist eine X-Stellung der Großzehe. „Von Natur aus ist der Normalfuß vorne am breitesten, und die Zehen bilden die gerade Fortsetzung der Mittelfußknochen.“ (Debrunner 2002, S. 1154) Da die meisten geschlossenen Konfektionsschuhe dieser Form nicht entsprechen, ist eine gewisse Abweichung der Großzehe nach lateral (gegen die Fußachse hin) in den westlichen Industrieländern als Begleiterscheinung der Zivilisation anzusehen, von der besonders Frauen betroffen sind. „Obwohl der Hallux valgus in der Damenwelt sehr verbreitet ist, macht er in der Mehrzahl der Fälle keine oder wenig Beschwerden.“ (Debrunner 2002, S. 1158) Zunächst ist die Fehlstellung reversibel und die Großzehe kann noch aktiv abgespreizt werden, bei allmählicher Zunahme der Deformität ist sie schließlich fixiert.
Alfred M. Debrunner beschreibt den typischen klinischen Verlauf der Erkrankung sehr anschaulich als „ein Drama, in dem Schuhe die Hauptrolle spielen:
„Nicht nur verstärken sie die Fehlstellung, sie sind auch die Ursache von Schmerzen. ’Ohne Schuhe keine Halluxschmerzen’, eine Binsenweisheit, doch versuchen sie einmal, Ihren Patientinnen dies zu erklären! Wenn Schmerzen auftreten, beginnen sie in der Regel an der Stelle, wo das Metatarsalköpfchen nach medial vorspringt (‚Exostose’, ‚Pseudoexostose’, ‚bunnion’). Hier ist jetzt der Fuß am breitesten, entsprechend drückt der Schuh am stärksten. Leicht kommt es zu mechanischen Reizerscheinungen an der Haut und am darunterliegenden Schleimbeutel, zu Entzündungen, Schwellungen, abakteriellen und auch eitrigen Bursitiden. Der Schuhdruck unterhält sie, so dass daraus ein chronisch rezidivierender schmerzhafter Zustand wird.“ (Debrunner 2002, S.1159)
Abbildung 4 18 (Debrunner 2002, S 1157)
Die pathogene Wirkung der Schuhe machen zwei Röntgenaufnahmen des Spreizfußes einer 50-jährigen Frau deutlich. Abb. 4-3a) zeigt einen leichten Spreizfuß, der zeitweilig Beschwerden verursacht. In Abb. 4-3b) ist der gleiche Fuß eingeengt im Schuh zu sehen. „Die Verschmälerung durch den seitlichen Druck auf die Metatarsalköpfchen I und V ist deutlich, ebenso die stärkere Konvergenz der Zehen und die Akzentuierung des Hallux valgus.“ (Debrunner 2002, S. 1157)
Abbildung 4 19 (Debrunner 2002, S. 1158)
Auf den geschlechtsspezifischen Aspekt der Zehendeformitäten weisen die Fotos der Füße einer 48-jährigen Frau und eines 40-jährigen Mannes hin. Abb. 4-4a zeigt einen beidseitigen Hallux valgus bei Spreizfüßen „einer 48 jährigen Dame, welche sich wie die meisten Frauen, den Schuhmodenströmungen nicht entziehen konnte und wollte. Die Deformität hat seit der Jugend ständig etwas zugenommen. Zuerst war sie reversibel, jetzt ist sie fixiert. Schmerzhaft ist der mediale Vorsprung des Metatarsalköpfchens der Großzehe, wo oft eine entzündete Bursa zu finden ist (‚bunion’), seltener auch das Großzehengrundgelenk.“ Abb. 4-4b zeigt im Gegensatz dazu die gesunden Füße eines 40 jährigen Mannes. „Solch völlig gerade Großzehen, wie sie der barfuss gehende Mensch natürlicherweise hat, sieht man in unseren Breiten noch bei Kindern und bei Erwachsenen mit schmalen Füßen. Die meisten Frauen haben eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Valgusstellung der Großzehe, zuerst nur im Schuh, später fixiert.“ (Debrunner 2002, S. 1158) Deutlich ist das fächerförmige Auseinanderweichen der Metatarsalstrahlen beim Spreizfuß im Vergleich mit dem Männerfuß zu sehen. Bemerkenswert ist auch die ‚kosmetische Verschönerung’ der deformierten Damenfüße durch Nagellack.
4.3 Deformierte Füße durch weibliche Konstitution?
Am Beispiel der geschmückten Füße einer Inderin, die traditionelle Sandalen trägt, führt Alfred M. Debrunner vor Augen wie attraktiv gesunde Füße wirken können.
Abbildung 4 20 (Debrunner 2002, S. 1157)
Dass nicht nur die Schuhe, sondern eben auch die Füße von soziokulturellen Bedingungen geformt werden zeigt die Abbildung unterschiedlicher Schuhformen, traditionelle chinesische Schuhe der sog. Lotusfüße (vgl. Abs. 7.3), moderne breite flache Sportschuhe und spitzzulaufende hochhackige Pumps. (Abb. 4-6)
Abbildung 4 21 (Debrunner 2002, S. 1152)
Die Unterschiede zwischen den verkrüppelten Lotus-Füßen chinesischer Frauen und den durch unphysiologische Schuhformen deformierten Füße westlicher Frauen sind nur graduell. Bemerkenswerterweise spielen die Mütter bei der Deformierung der Frauenfüße eine entscheidende Rolle. Die Medizin spricht gern von einer ‚vererbten Disposition’ wenn Mütter und Töchter gleichermaßen unter einem Hallux valgus leiden.
Abbildung 4 22 (Debrunner 2002, S. 1158)
Die Abbildung 4-7 zeigt die Füße einer 50-jährigen Mutter und ihrer 30-jährigen Tochter. (Debrunner 2002, S. 1158) Bei beiden besteht ein deutlicher Hallux valgus. Während in China Mütter, die Füße ihrer kleinen Töchter durch gezielte Verletzungen und Bandagen verstümmelten um ihnen eine ‚angemessenen’ Heirat zu ermöglichen, wirken Mütter in den westlichen Industrieländern durch ihr Vorbild und prägen mit dem Kleidungsstil auch die Passform der Schuh, die die Füße ihrer Töchtern dann ebenso deformieren, wie es ihre eigenen schon sind. Diese Erklärung erscheint mir glaubwürdiger als die Annahme einer ‚genetischen Disposition’ durch eine angeborene ‚Bindegewebsschwäche’ der Frauen. Es ist sicher notwendig, solche Vermutungen durch entsprechende (epidemiologische) Untersuchungen zu verifizieren. Nach neueren amerikanische Erhebungen, beruhen nur etwa 5% der Fußprobleme auf genetischer Disposition. (Women’s Health 1998)
Auch wenn bisher nur wenig genauen Zahlen vorliegen, ist unumstritten, dass besonders ältere Frauen von Fußdeformitäten betroffen sind. Die häufigste Fußoperationen überhaupt, die Korrektur eines Hallux valgus betrifft überwiegend Frauen. (Coughlin, Thompson 1995) Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schuhform und schwerwiegenden Fußerkrankungen wird kaum noch bestritten und lässt sich plausibel an Hand empirischer Befunde belegen, dennoch fehlt in keinem orthopädischen Fachartikel ein Hinweis auf eine ‚konstitutionelle Bindegewebsschwäche’ als Ursache für die ‚weibliche Disposition’ von Fußerkrankungen . Es hat in der westlichen Zivilisation (und besonders auch in der Medizin) eine unrühmliche Tradition, angebliche weibliche Eigenschaften mit dem Attribut der ‚Schwäche’ zu belegen. (Fischer-Homberger 1983)
Die gesundheitsschädigende Wirkung des Frauenschuh lässt sich auf unterschiedlichen Wegen nachweisen. Einerseits zeigt die orthopädische Praxis wie oben beschrieben, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schwerwiegenden Fußproblemen und der kulturhistorisch geprägten unphysiologischen Passform von Frauenschuhen. Andererseits können in biomechanischen Untersuchungen Veränderungen der Funktionsparameter am Fuß und beim Gangablauf direkt gemessen werden. Spezifische Fußerkrankungen können dann auf die (langandauernde) Wirkung unphysiologischer Belastungen zurückgeführt werden.
5. Durch Beobachtungen und Messungen zur passenden Schuhform?
5.1 Zwei frühe Beispiele einer langen Geschichte
Der ursächliche Zusammenhang zwischen einer unphysiologischen Schuhform und spezifischen Fußproblemen wurde von Medizinern seit mehr als 250 Jahren beschrieben. (Linder, Saltzmann 1998)
5.1.1 Petrus Campers „Abhandlung über die beste Form der Schuhe“ von 1783
Die pathogene Wirkung des Absatzes spielt dabei eine zentrale Rolle. Der Mediziner und Anatom Petrus Camper (1722-1789) veröffentlichte 1783 eine „Abhandlung über die beste Form der Schuhe“. Auf der Basis des aktuellen anatomischen Wissens und ‚physikalischer Untersuchungen’ beschreibt er die schädliche Wirkung zu enger und zu kurzer Schuhe mit Absatz. Dabei stellt er schichtspezifische Unterschiede in der Nutzung sog. modischer Schuhe fest und er gibt Hinweise für eine physiologischere Schuhform.
Abbildung 5 23 (Camper 1783)
Überlagerung von Fuß- und Schuhumriss zeigt
Missverhältnis von Fuß- und Schuhform.
„Die vornehmen Frauenzimmer gehen (wie wir solches in der dritten Figur bewiesen haben (Abb. 5-2), wegen der Höhe ihrer Absätze auf den Fußspitzen und folglich sehr übel.(...) Daher auch Frauenzimmer, welche viel gehen müssen, als zum Beyspiel gemeine Weiber, insonderheit auf dem Lande, am liebsten in Mannschuhen gehen,“ (Camper 1783, S. 62) Nur Frauen, die nicht viel auf den Beinen sein müssen, können die zierlichen Absatzschuhe tragen, die bis zur Französischen Revolution auch von Männern des Adels getragen wurden. Arbeitsschuhe waren nicht geschlechtsspezifisch gestaltet, sie hatten die Form von Männerschuhe. Camper weist auf die erhöhte Verletzungsgefahr durch den instabilen Gang auf Absatzschuhen hin. Um die häufig auftretenden ‚Verrenkungen’ zu vermeiden schlägt er vor, durch eine Verlagerung des Absatzes in die ‚Schwerpunktlinie’ (Abb. 5-2: Fig. 3.) die Fußstabilität beim Gehen zu verbessern. (ebd. S. 44)
Abbildung 5 24 (Camper 1783 )
„Auch wird der Schwerpunkt des ganzen Körpers durch die außerordentliche Höhe der Absätze aus seiner Lage gebracht. Er trifft mit dem Bewegungspunkt des Körpers nicht mehr zusammen, sondern geht nach Maßgabe der Höhe der Absätze in die Höhe. Daher fallen die Frauenzimmer leichter, ziehn sich Verrenkungen zu, und sind häufigerem Fallen unterworfen, weil sie keinen vesten Tritt haben.“ (ebd. S.47)
Als ein weiteres Problem erkennt Camper die veränderte Haltung der Wirbelsäule und des Beckens, daraus schließt er: „Die zu hohen Absätze der Frauenzimmer sind auch wegen der Niederkunft höchst schädlich. Die Frauenzimmer müssen nehmlich, um sich gerade zu halten, den Leib und den Kopf hinten überbiegen; der Rücken wird also in der Gegend der Weichen [Lenden? R.S.] hohl, und das Hüftbecken verengt sich, weil die Lendenwirbel, da, wo sie sich mit dem heiligen Bein vereinigen, welches die hintere Seite des Beckens macht, in diese Höhlung hineintreten. Der Kopf des Kindes, der dadurch gehen soll, wird alsbald aufgehalten, und sehr oft dergestalt eingekeilt, dass man ihn mit Zangen herausziehen muß. Diese mögen nun so sinnreich erfunden, und so bequem eingerichtet seyn, als sie wollen, so würken sie doch immer mit einer Gewalt, die zuweilen dem Kinde, oder der Mutter, und oft allen beyden, schädlich ist. Ich bin überzeugt, dass die Mode, dergleichen hohe Absätze zu tragen, welche bloß dazu erfunden ist, die Gestalt des schönen Geschlechts reitzender zu machen, viel schwere Geburten, besonders bey den Vornehmen, verursacht. Die Bauernweiber sind von diesem Unfall frey, weil die bessere Form ihrer Absätze sie dagegen schützt.“ (Camper1783, S. 45-47)
Petrus Camper zeigt in seiner Abhandlung wesentliche pathogene Veränderungen auf, die in aktuellen biomechanischen Untersuchungen mit neuen computergestützten Messmethoden bestätigt wurden. Die von ihm vermutete negative Wirkung auf die Gebärfähigkeit ist allerdings eine unbewiesene zeittypische Schlussfolgerung. 22 Vielleicht zeigt sich darin die erotisch aufgeladene Bedeutung der Füße und Schuhe, die auch in Aberglauben und Volkskunde ihren Niederschlag gefunden hat. (Aigremont 1909, Bächtold-Stäubli 1935/36) Eine erotische Ausstrahlung von High Heels ist auch heute noch wirksam und trägt sicher dazu bei, dass gesundheitliche Forderungen von Medizinern bis in die Gegenwart wenig Erfolg hatten. (Steele 1998; vgl. Abs. 7.3)
5.1.2 G. Hermann Meyer beschrieb 1885 „Die richtige Gestalt der Schuhe“
In einer wissenschaftlichen Abhandlung über „Die richtige Gestalt der Schuhe“ (1858) richtete der angewandte Anatom und Professor in Zürich, Dr. G. Hermann Meyer sein Augenmerk besonders auf die Form der Schuhsohle, die für den rechten und linken Fuß unterschiedlich geschnitten sein sollte. Er wandte sich gegen die zu seiner Zeit noch übliche Gewohnheit, den rechten und linken Schuh nach demselben Leisten zu formen und die Schuhe abwechselnd an beiden Füßen zu tragen.
Er erkannte auf Grund seiner anatomischen Kenntnisse, dass die unterschiedlichen Fußformen, an die Schuhmacher seiner Zeit die Schuhe anpassten, nicht der ‚natürlichen’ Fußform entsprachen, sondern die Folge einer jahrelangen Deformierung darstellten. Diese Erkenntnis einer vorgegebenen, natürlichen Fußgestalt führte zu der Forderung, den Schuh an die anatomische Fußform anzupassen und nicht den Fuß in eine willkürliche Schuhform zu pressen.
„In ihrem baue, d.h. in den Grundsätzen ihrer mechanischen Konstruktion sind, als Naturnothwendigkeit, alle Füße einander vollständig gleich, und die Verschiedenheiten, welche sich bei gesunden Füßen finden, sind einzig solche, welche sich auf die Länge und die Weite beziehen. Es gibt also nur längere und kürzere, breitere und schmälere Füße, aber keineswegs finden sich in der ursprünglichen Fußgestalt begründete Unterschiede, welche der Schuhmacher als gerade oder gebogene (krumme) Füße bezeichnet, noch weniger gar solche Unterschiede, welche sich auf die verschiedene Lage der großen Zehe oder auf die Dicke des ‚Ballens’ beziehen. Unterschiede der letzteren Art finden sich nur insoferne, als sich verschiedene Grade der Anpassung des Fußes an die hergebrachte Schuhgestalt bezeichnen, mit anderen Worten verschiedene Grade der Verkrüppelung des Fußes durch die früher getragenen Schuhe.“ (Meyer, G. H. 1858, S.17-18)
Abbildung 5 25..(Meyer, G. H. 1858, S.8)
Die Folgen eines dauerhaften Drucks durch zu eng geschnittene Schuhe auf den Fuß veranschaulicht Meyer in drei Abbildungen (Abb.5-3): „Figur 9 zeigt das Bild eines auf solche Art missgestalteten Fußes; die Zeichnung ist unmittelbar von der Natur abgenommen; es ist der Fuß eines noch jugendlichen weiblichen Individuums, und außer der Missgestaltung war an dem ganzen Fuße durchaus nichts Krankes zu finden. In Fig. 10 sind die Umrisse derselben Fußsohle mit einer entsprechenden Schuhsohle zusammengelegt, und Fig. 11 zeigt das Knochengerüst eines solchen Fußes.“ (Meyer, G. H. 1858, S.8) Zu der allgemein eingeführten Sitte, bei festeren Schuhen den Fersenteil der Sohle durch eine „Absatz“ zu erhöhen meint Meyer: „Solche Absätze gewähren im Allgemeinen einige kleine Vorteile, namentlich bei schmutzigem Wetter, weshalb man ihnen wohl auch ein Recht auf Existenz nicht absprechen darf. Aber die Absätze sollten möglichst niedrig sein, denn die so häufigen hohen Absätze haben sehr große Nachteile.
Es wird nämlich durch dieselben die Last des Körpers unverhältnismäßig stark auf die Zehen geworfen, und dadurch werden deren Gelenke zu stark angestrengt. Außerdem steht auf einem hohen Absatze die Sohle so schief, dass der Fuß immer nach vornen hinunterrutschen muß, wodurch die Zehen dann sehr stark in die Spitze des Schuhes hineingedrückt werden. Die Zehen werden demnach, auch wenn die Sohle nicht zu kurz ist, denselben Nachtheilen und Misshandlungen ausgesetzt, welche zu kurze Schuhe in ihrem Gefolge haben, und diese Nachteile sind natürlich doppelt groß da, wo auch noch eine unrichtige Sohlengestalt vorhanden ist.“ (ebd., S.23-24) Seine Forderung zum Absatz ist kurz und prägnant: „Hohe und schmale Absätze sind deshalb durchaus unzweckmäßig. Der Absatz sei möglichst niedrig und breit.“ (Meyer, G. H. 1858, S. 23-24)
In dem Zeitschriftenaufsatz „A Historie of Medical Scientists on High Heels.“ stellten Linder und Saltzmann (1998) mit ironisch zugespitzter Kritik an der medizinischen Wissenschaft dar, dass die seit Jahrhunderten zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über pathogene biomechanische Wirkungen von Absatzschuhen das weltweite gesundheitliche Problem nicht lösen konnten. Dabei führen sie die Unwirksamkeit medizinischer Warnungen auf eine fehlende bevölkerungswirksame Aufklärung zurück. Sie fordern groß angelegte epidemiologische Studien um überzeugende Argumente für Aufklärungskampagnen zu liefern. „The time is ripe to educate government, employers, and the public: standing and walking ‘perpetually tip-toe … is the death-knell of health and comfort to millions of human beings’23.” (Linder, Saltzman 1998, S.220) Die Autoren zeichnen die historische Entwicklung biomechanischer Erkenntnisse bis zur Gegenwart nach, die dank technologischer Fortschritte die pathogenen Effekte erhöhter Absätze immer genauer beschreiben. Einen Einfluss sozialer und gesellschaftlicher Bedingungen auf die Verbreitung gesundheitsschädigender Schuhformen sehen sie in Kleidungsvorschriften großer Firmen, die für ihre weiblichen Mitarbeiter eine ‚elegante Fußbekleidung’ fordern. Auf die Bedeutung historisch bedingter, soziokultureller Körperbilder und Verhaltensmuster gehen die Autoren jedoch nicht ein.
Die angeführten historischen Beispiele zeigen, dass die pathogenen Wirkung unphysiologisch gestalteter Schuhe seit mehr als 250 Jahren naturwissenschaftlich untersucht und beschrieben wurde. Einen Einfluss auf die aktuelle Gestalt von Frauenschuhen hatten diese Untersuchungsergebnisse bisher nicht. Es ist aufschlussreich, jetzt in einem Sprung in die Gegenwart einen Blick auf aktuelle Ergebnisse geschlechtsspezifischer biomechanischer Untersuchungen zu werfen. Danach wäre die Frage zu beantworten, ob sich daraus Schlussfolgerungen für eine gesundheitsfördernde Passform von Frauenschuhen ableiten lassen.
5.2 Aktuelle biomechanische Messmethoden
Biomechanische Funktionsanalysen haben zum Ziel, die normale Funktion des Bewegungsapparates zu beschreiben, pathophysiologische Mechanismen, die zu Erkrankungen führen, aufzudecken und Hinweise zur Behandlung und Prophylaxe zu geben. Typische Frauenschuhe verändern die Fußstatik, die Körperhaltung und den Gang. Durch biomechanische Messungen können diese Veränderungen objektiviert werden. Dabei werden komplexe Bewegungsabläufe durch Vereinfachungen und Modelle auf Teilfunktionen reduziert und damit messbar und verständlich.
In der Biomechanik werden hochkomplexe Zusammenhänge mit komplizierten Apparaturen gemessen und dargestellt. Dabei muss der orthopädisch geschulte Arzt mit Physikern, Ingenieuren und Computerfachleuten zusammenarbeiten. (Debrunner, Jacob 1998, S.1) Die technischen Grundlagen der Versuchs-anordnungen setzen profunde physikalische und mathematischen Kenntnisse voraus. Die Ergebnisse werden oft in unübersichtlichen, nur schwer nachvollziehbaren Zahlenreihen aufgelistet. In grafischen Darstellungen können unterschiedliche Messergebnisse anschaulicher und auch für Laien verständlich dargestellt werden.
Auf die Problematik der Messbarkeit lebendiger Strukturen weist der Orthopäde Alfred M. Debrunner hin. Da die Biomechanik des Bewegungsapparates es nicht mit einem ‚Ingenieurprodukt’ zu tun habe, sondern mit einem ‚lebendigen Gebilde’ beschreibt er als das Thema der Biomechanik: „die Wechselwirkungen zwischen lebenden Strukturen mit einem Stoffwechsel, mit Blutversorgung, mit einer neuralen Steuerung und bestimmten mechanischen Eigenschaften einerseits und den mannigfach wirkenden mechanischen Kräften andererseits.“ (Debrunner 2002, S. 40)
Die mechanischen Eigenschaften werden durch die Struktur des Bewegungsapparates bestimmt, die aus konstruktiven Details wie der Gelenkarchitektur und der Festigkeit der beteiligten Gewebe besteht. Die Kinematik studiert komplexe Bewegungsabläufe und beschreibt die Bewegungen der Gelenke in allen drei Raumebenen, ohne die einwirkenden Kräfte zu berücksichtigen. Die Kinetik untersucht dagegen die aktiven und passive Kräfte, die die Bewegungen verursachen und auf einzelne Teile einwirken. (Debrunner, Jacob 1998, S.1-3)
Abbildung 5 26 (Debrunner, Jacob 1998, S.9)
Zur Orientierung für die Biomechanik des Fußes dient (Abb. 5-4) die anatomische Nomenklatur der verschiedenen Bewegungen im Fußbereich. Abbildung 5-5 zeigt die Bewegungsachsen von Knie- und Fußgelenken, die für die Berechnung biomechanischer Bewegungsanalysen notwendig sind.
Abbildung 5 27 (Debrunner, Jacob 1998, S.9)
Koordinatensystem der anatomischen Nomenklatur
an Unterschenkel und Fuß. Oberes und unteres
Sprunggelenk (OSG und USG) wirken wie
Scharniergelenke, deren Achsenstellung ist
wichtig für Funktionsanalysen.
Der typische eng geschnittene Frauenschuh mit hohem Absatz verändert die strukturellen Eigenschaften der Gelenkarchitektur des Fußes und damit auch die Kräfte, die auf den Fuß einwirken. Ein Vergleich der Schuhsohlenform mit der äußeren Form der Fußsohle gibt Aufschluss über ein eklatantes, pathogenes Missverhältnis, das schon P. Camper (1783) und G.H. Meyer (1858) erkannt hatten. Weitergehende Erkenntnisse ermöglichen Messungen der wirksamen Kräfte unter der Fußsohle.
5.2.1 Statische Gewichtsverteilung unter der Fußsohle: Fußsohlenabdruck und Druckpodogramm
Beim Stehen und Gehen trägt der Fuß die gesamte Körperlast. Diese Belastung verteilt sich nicht gleichmäßig auf die ganze Fußsohle. „Das Verteilungsmuster der Sohlenbelastung wird durch die Beschaffenheit des Fußes (Skelett, Sohle) sowie durch die Fußhaltung bestimmt.“ (Debrunner, Jacob 1998, S. 20) Der Fußsohlenabdruck (Podogramm) macht die Belastungsflächen der Fußsohle sichtbar, wie man sie z.B. als feuchten Abdruck auf den Steinen im Schwimmbad beobachten kann (Debrunner 2002, S. 1126). Das Podogramm wird vom Orthopädietechniker mit einem Stempelkissen abgenommen und dient als Muster für die Anfertigung von Einlagen.
Abbildung 5 28 (Rabl, Nyga 1994, S.16)
Trittspur des normalen Fußes
bei: a voller Auflage, b Zehen-, c Fersenbelastung
Quantitative Aussagen über die Druckverteilung unter der Fußsohle liefert das Druckpodogramm, dabei werden Kurven gleichen Drucks unter der Fußsohle als Isobaren aufgezeichnet.
Abbildung 5 29 (Debrunner 2002, S.1123)
a) normale Druckverteilung beim gesunden Fuß, b) beim Spreizfuß
Es gibt unterschiedliche Methoden, den Flächendruck unter der Fußsohle zu messen, die hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden sollen. Üblich ist eine Einteilung der Sohlenfläche in Regionen.
Allgemeine Ergebnisse: Die Hauptlast beim Stehen trägt mit 60% die Ferse, der Mittelfuß nimmt 8% und der Vorfuß 28% des Körpergewichts auf während die Zehen mit 4% fast unbelastet bleiben. „Die Belastung der Metatarsalköpfchen hängt von der Körperhaltung ab. Bei der Vorverlagerung des Körperschwerpunktes (KPS) wird der erste Strahl zunehmend mehr belastet.“... „Im Schuh wird die Ferse (...) wesentlich stärker belastet als barfuss.“ (Debrunner, Jacob 1998, S. 22f)
5.2.2 Kontinuierliche Messung der Druckverteilung unter der Fußsohle / Dynamisches Druckpodogramm
Wie in Absatz 3.3.2 beschrieben wurde, wirkt die anatomische Struktur der Fußsohle, die an den belasteten Flächen eine verformbare, subkutane Druckkammerstruktur bildet, als Stoßdämpfer für die Kräfte, die beim Stehen und Gehen entstehen. Diese Kräfte werden beim Gehen „von den belasteten Knochen auf den Boden übertragen, wobei jeder Belastungspunkt einem raschen Belastungswechsel unterworfen wird.“ (Debrunner, Jacob 1998, S. 1) Durch automatisierte Ganganalysen können diese Bodenreaktionskräfte (Ground Reaktion Force: GFR) mittels Bodendruckplatten (Messplattform,) gemessen werden. „Die Boden- Reaktionskräfte sind die Summe aller Druckkräfte zwischen Sohle und Boden,“ die mit unterschiedlichen Methoden gemessen werden können. Dazu gehören im Boden eingelassene Messplattformen (Kistler Kraftmessplatte), flache Druckaufnehmer an diskreten Punkten zwischen Haut und Schuh oder Druckaufnehmer, die in die Sohle einer flexiblen Sandale eingearbeitet sind. Die so gemessene Kraft kann in drei Richtungsvektoren (1. vertikal, 2. horizontal in Gehrichtung und 3. quer dazu) zerlegt werden.
Abbildung 5 30 (Debrunner 2002, S.144)]
Messung der Bodenreaktionskraft mittels Bodendruckplatte
Abbildung 5 31 (Debrunner 2002, S.144)
Es gibt sehr unterschiedliche Formen, die Messergebnisse darzustellen Das hier abgebildete dynamische Druckdiagramm (Abb. 5-9) zeigt den zeitlichen Ablauf des Druckanstiegs unter der Fußsohle während einer Standphase. „Ähnliche Kurven zeigen die Propulsionen in der sagittalen Ebene beim Abstoßen bzw. die ‚Bremsung’ beim ‚Heel strike’ (Fersenauftritt) und die seitlich wirkenden Kräfte, die beim alternierenden Wechsel des Standbeines auftreten.“ (Debrunner 2002, S.143) Die Belastung des Fußes in der Standphase ändert sich mit der Gehgeschwindigkeit.
5.2.3 Automatisierte Ganganalysen
Neben einer automatisierten Erfassung der Bodenreaktionskräfte werden bei der Ganganalyse mit optischen Methoden dreidimensionale Bewegungsmessungen (frontal, sagittal) durchgeführt, woraus der Computer Gelenkwinkel und Gehgeschwindigkeit berechnet. „Damit ist nun eine sehr detaillierte Analyse des normalen Ganges inkl. Bewegungsausschläge, Stellung und Belastung jedes einzelnen Gelenkes in jeder Phase des Schrittes sowie auffällige Abweichungen möglich.“ (Debrunner 2002, S.143)
Es gibt unterschiedliche Bewegungsmesssysteme, als Standardmethode zur Bewegungsuntersuchung (am Fuß) dienen heute Videoaufnahmen mit PC- Auswertung. Dabei ergeben synchrone Aufnahmen aus mindestens zwei Richtungen dreidimensionale Koordinaten.(Debrunner, Jacob 1998, S. 30) Durch eine „sukzessive, dreidimensionale optische Registrierung von bestimmten Körperpunkten“ werden Bewegungsmuster bei gleichzeitiger Messung der Bodenreaktionskräfte aufgezeichnet. (Debrunner, Jacob 1998, S. 3) „Distanzen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der Messpunkte können direkt abgerufen werden, ebenso Winkel die von 3 Markierungspunkten gebildet werden.“ (ebd., S. 30) Dadurch können zum Beispiel Bewegungsausschläge der großen Gelenke dargestellt werden. (Abb. 5-10)
Abbildung 5 32 (Debrunner 2002, S. 145)
Bewegung von Hüfte, Knie und oberem Sprunggelenk
während der Standphase: Fersenkontakt (links),
Aufsetzen der ganzen Sohle(Mitte), beim Abstoßen (rechts).
Abbildung 5 33 (Debrunner 2002, S.145)
Bewegungsausschläge von Hüft-, Knie- und oberem
Sprunggelenk während eines normalen Gangzyklus
und Fußbelastung in der Standphase.
5.2.4 Zeitliche Struktur des Gangzyklus
Der Gangzyklus wird in verschiedene Phasen unterteilt (Abb. 5-11), beginnend beim Fersenauftritt (Heel strike) umfasst er einen Doppelschritt zwischen zwei Fersenauftritten desselben Fußes. Dabei wird die Standphase vom Aufsetzen der Ferse bis zur Belastung des Vorfußes gemessen, die Schwungphase vom Zehenabheben (Toe off) bis zum Fersenauftritt der Gegenseite. (Debrunner, Jacob 1998, S. 42) Die Phase der Doppelbelastung ist jeweils zwischen dem Fersenauftritt bis zum Abheben der gegenseitigen Zehen. Je nach Fragestellung wird die Dauer eines Doppelschritts oder der Standphase als 100% angesetzt. Die absoluten Zahlen sind abhängig von der Gehgeschwindigkeit. Debrunner u. Jacob geben für die Standphase 60-64% und für die Schwungphase 36-40% des Gesamtzyklus an.
Abbildung 5 34 (Debrunner 2002, S.142)
Phasen eines Doppelschritts, rechtes Bein schraffiert.
Darunter sind Stand- und Schwungphase von rechtem
und linkem Bein aufgezeichnet.
Die Phasen eines Doppelschritts (Abb. 5-12) lassen sich am besten durch eigenen Beobachtungen beim Gehen nachvollziehen. Als Grundeinheit des Gangzyklus gilt ein Doppelschritt zwischen zwei Fersenauftritten desselben Fußes. Der Bewegungsablauf beim Gehen bildet ein rhythmisch wiederkehrendes zeitlich strukturiertes Bewegungsmuster, das sich mit der Gehgeschwindigkeit ändert. Da sich Störungen des Belastungsmusters in Veränderungen des zeitlichen Ablaufs ausdrücken, sind Zeitmessungen sensitive Indikatoren für Abweichungen vom normalen Gangablauf. Für schädigende Wirkungen ist die Belastungsdauer, die in pathologischen Abweichungen vom normalen Zeitmuster sichtbar wird, ebenso bedeutungsvoll wie die Belastungsstärke. (Debrunner 1998, S.47)
5.2.5 Messung der Muskelaktivität: Elektromyogramm
„In der Ganganalyse ist es nützlich, eine Schätzung der Muskelkraft, ihrer Leistung und deren zeitlichen Verlauf zu haben. (...) Die Funktion der Einzelmuskeln wird zeitlich durch das Elektromyogramm (EMG) festgehalten, daraus ergibt sich ihre phasische Aktivität. Die wirksamen Kräfte von Einzelmuskeln werden geschätzt nach dem Muskelquerschnitt, gemäss Versuchen in vitro (Bestimmung der Muskelquerschnitte) und auf Grund von Modellversuchen. Aus den Beobachtungsdaten werden(...) auch Drehmomente und die Drehimpulse berechnet.“(Debrunner, Jacob 1998, S.4) Das EMG kann nur die Dauer einer Muskelanspannung festhalten, eine quantitative Aussage über die Intensität der Kraftentfaltung ist nicht möglich.
Abbildung 5 35 (Debrunner 2002, S. 143)
Das Myokinesigramm (‚Muskelpartitur’ nach Scherb)
gibt die Aktionen einiger Muskeln während des Gehens wider.
Die Belastung von Bändern, Gelenken und Knochen ist beim Gehen und Stehen unterschiedlich. „Weil das relaxierte Stehen eine Minimum an Muskeltätigkeit erfordert, müssen die Bänder die Struktur des Fußes fast allein stabilisieren. Beim Gehen hingegen, wird der Fuß muskulär aktiviert. Die Struktur wird nun dank der mechanisch sinnvollen Anordnung der Sehnen in bezug auf das knöcherne Fußgerüst (nicht in bezug auf die unmittelbar bewegten Gelenke) derart beansprucht, dass die Bänder weitgehend entlastet sein dürfen.“ (Debrunner, Jacob 1998, S.81)
5.3 Aktuelle Ergebnisse biomechanischer Messungen bei unterschiedlicher Absatzhöhe
In den vorliegenden Untersuchungen zur Auswirkung der Absatzhöhe auf die Biomechanik des Gehens werden die oben beschriebenen Messmethoden oft kombiniert eingesetzt, um ein möglichst umfassendes Bild der Veränderungen zu erhalten. Die Fragestellungen konzentrieren sich im wesentlichen auf zwei unterschiedliche Problemstellungen. Einerseits werden die Fußbelastungen im Stehen und Gehen untersucht, die sich aus der durch den Absatz veränderten Fußstatik ergeben, andererseits zeigen automatisierte Ganganalysen Haltungsänderungen auf, die die Wirbelsäule, das Becken sowie Hüft- und Kniegelenke betreffen.
5.3.1 Messungen zur veränderten Fußstatik auf hohen Absätzen
Schon im Stand ist der Fuß durch den Absatz in einer verändert Position fixiert. Je nach Absatzhöhe wird das oberen Sprunggelenk unterschiedlich stark gebeugt. (Abb. 5-14)
Abbildung 5 36 Röntgenaufnahme H. Newton (Steele 1999, S. 20)
Durch diese fixierte Plantarflexion (Nomenklatur siehe Abb. 5-4) verändert sich die relative Ausrichtung der anatomischen Struktur, was unphysiologische Belastungen im komplizierten Zusammenspiel von Gelenken, Sehnen und Muskeln im Fußbereich zur Folge hat. Zwangsläufig wird durch die Plantarflexion der Vorfuß stärker belastet und um das Gleichgewicht zu halten wird der Oberkörper nach vorn gebeugt, wie aktuelle Untersuchungen bestätigen. “Static forefoot loading increased systematically with an increased heel height, and standing trunk angle was flexed further forward in the high heels compared with the low and medium heels.” (Snow, Williams 1994, S. 571) (vgl. Abs. 5.3.3)
5.3.2 Messungen zur unphysiologischen Fußbelastung in Absatzschuhen (Bodenreaktionskräfte)
Da der Absatzschuh den Fuß in gestreckter Position (Plantarflexion) fixiert, verändert sich die gesamte Fußstatik. Dies führt zu einer unphysiologischen Fußbelastung, die sich an messbaren Veränderungen der Bodenreaktionskräfte nachweisen lässt. Dabei werden die Kräfte gemessen, die auf den Fuß einwirken und beim Stehen und Gehen auf den Boden übertragen werden. Da der hohe Absatz und die unflexible Sohle ein ‚Abrollen’ des Fußes beim Gehen verhindert, wird die Körperlast nicht funktionsgerecht auf die entsprechenden Strukturen der Fußsohle verteilt. Eine automatisierte vierdimensionale Vektordarstellung der Bodenkräfte mittels einer Kraftmessplatte von Kistler zeigt die veränderte Kräfteverteilung in der Standphase eines Gangzyklus durch Absatzschuhe (Abb. 5-15 d): „Die harmonischen Verteilung der Kräfte beim Barfußgehen weicht einer langdauernden Absatzbelastung mit kurzer terminaler Belastung des Vorfußes.“ (Debrunner, Jacob 1998, S. 38)
Abbildung 5 37 (Debrunner, Jacob 1998, S. 38)
Vierdimensionales Vektordiagramm einer Standphase,
computergesteuert. Gesunder Fuß, nach Debrunner und Stüssi 1979
In zahlreichen Studien ergab die Messung von Bodenreaktionskräften (Ground Reaktion Forces: GFRs) eine unphysiologische Vorfußbelastung in Absatzschuhen. Snow, Williams (1994) fanden sowohl im Stand als auch beim Gehen mit steigender Absatzhöhe eine Zunahme der auf den Vorfuß bezogenen Kräfte. “Vertical forces applied to the forefoot during standing increased with increased heel height. (…) Significant increases in vertical and anterioposterior forces during walking were found with increased heel height.” (Snow, Williams 1994, S.568)
Diese Ergebnisse werden von Wang, Pascoe, Kim u. a. (2001) bestätigt. Ihre Untersuchungen an zehn gesunden Studentinnen (21-23 Jahre) in neuen Absatzschuhen, flachen Lederschuhe und Turnschuhe zeigen, dass in Absatzschuhen der Vorfuß nicht nur stärker sondern auch länger belastet wird. “More foot support time combined with a faster cadence while walking with high heeled shoes may compensate the instability of gate pattern.” (Wang, Pascoe, Kim u. a 2001, S. 490)
Eine genaue Lokalisierung der Spitzendrucke unter der Fußsohle wird durch dynamische Messungen mittels flacher Drucksensoren ermöglicht, die an diskreten Punkten zwischen Haut und Schuh angeordnet sind. (Debrunner, Jacob 1998, S.55) Nyska, McCabe, Linge u. a. (1996) fanden dass die Spitzenbelastung sich in Absatzschuhen zum medialen Vorfuß und zum großen Zeh hin verlagert. „As a general pattern, our data indicate that heeled shoe loaded the forefoot more and the hindfoot less, with shifting of the load toward the medial forefoot and the hallux. This pattern may have a detrimental effect on the first metatarsophalangeal joint.” (Nyska, McCabe, Linge u. a., S. 666) Diese Druckverteilung kann eine Schädigung des Metatarsophalangealgelenks bewirken und zum Hallux valgus, der oben beschriebenen, bei Frauen weit verbreiteten Vorfußdeformität führen. Das Diagram (Abb. 5-16) zeigt, dass die plantaren Spitzendrucke im Vorfuß und im großen Zeh (Hallux) erhöht sowie im Rückfuß erniedrigt sind.
Abbildung 5 38 (Nyska u.a. 1996, S. 663)
Maximal plantar force in women walking while wearing LH and HH shoes.
Dynamische Messungen der plantaren Spitzendrucke im Schuh ergaben bei Mandato, Nester (1999) mit zunehmender Absatzhöhe ebenfalls eine signifikante Erhöhung der Spitzendrucke unter dem Vorfuß. „Increasing heel height increases to the forefoot and shift that pressure’s location to the hallux during ambulation. Women’s high-heeled Shoes force the foot into a position in which these forces could have a deleterious effect on the structure of the foot.” (Mandato, Nester 1999, S.79)
Der normale Abrollvorgang beim Gehen ist mit komplizierten Bewegungen der gesamten anatomischen Fußstruktur verbunden, die sich in verschiedene Bewegungsachsen zerlegen und messen lassen. (vgl. Abs. 5.2, Abb. 5-4) In engen hochhackigen Schuhen sind diese Fußbewegungen auf vielfache Weise gestört und behindert. Dies führt nicht nur zur beschriebenen Instabilität, sondern langfristig auch zur schmerzhaften Deformierung der anatomischen Struktur und weiteren Funktionseinbußen.
Abbildung 5 39 (Snow, Williams 1994, S.575)
Mean vertical and anteriorposterior GRFs versus time
for all subjects (N=10) showing differences between heel conditions.
Das Diagramm (Abb. 5-17) zeigt die vertikalen und anteriorposterioren plantaren Kräfte bei unterschiedlicher Absatzhöhe. “The significant increases in Fz1 and Fy1 with increased heel height could be related to the greater plantarflexed position of the foot in a high heeled shoe. Just after footstrike during normal barefoot walking the foot moves from supination to pronation, a flexible position to adapt to uneven walking surfaces. After midstance the foot moves into supination providing the body with a stiff lever from which to propel the body into the next step. When the ankle is in a plantarflexed position the foot tends toward supination and adduction. With an increase in heel height ankle plantarflexion increases and less pronation during support is evident. Some of shock-absorbing function of pronation may be lost with an increase in plantarflexion-supination in the high-heeled condition, resulting in greater Fz1 and Fy1.” (Snow, Williams 1994, S.574)
Mandato und Nester weisen darauf hin, dass nicht nur der hohe Absatz, sondern auch die enge kurze Passform von typischen Frauenschuhen zu Behinderungen der Fußfunktion mit nachfolgenden Deformierungen der Zehen führen. “The narrow toe box of high-heeled shoes forces abduction of the hallux and rotation of the fourth and fifth digitis, as well as hammering of all digitis.” (Mandato, Nester 1999, S.78)
5.3.3 Statische Veränderung des Körperschwerpunktes durch Absatzschuhe
Die Verlagerung des Gewichts auf den Vorfuß durch hohe Absätze bewirkt eine Verschiebung des Körperschwerpunkts nach vorn. (vgl. Abb. 3-7) Snow,. Williams fanden mit steigender Absatzhöhe im Stand eine signifikante Verlagerung des Körperschwerpunktes (body’s center of mass: COM) nach vorn. (Snow, Williams 1994, S. 571, 573) Die Haltung des Oberkörpers hat einen großen Einfluss auf den Körperschwerpunkt, da er 50% der gesamten Körpermasse ausmacht. „In this study, trunk angle became significantly more flexed with an increase in heel height (…). The increased trunk angle without the postural adaptations may have led to the anterior displacement of the COM with increasing heel height during standing.” (ebd., S.573) Nach Lee, Jeong, Freivalds (2001) wird der Körperschwerpunkt, ‚center of body mass’ (CBM) zusätzlich nach oben verlagert. „Therefore, a women wearing high heels walks with an upward displacement of CBM and a potentially more unstable posture. It could be hypothesized that this change in CBM should be reflected in an increase in low back compressive forces with a corresponding increase in erector spine muscle activity.” (Lee, Jeong, Freivalds 2001, S. 325)
Eine Folge des nach vorn und oben verlagerten Körperschwerpunkts ist eine potentiell instabile Haltung, die durch die Rückenmuskulatur aufrecht erhalten werden muss, was durch eine erhöhte Muskelaktivität des M. erector spinae im Elektromyogramm (EMG) nachgewiesen wurde. „The data showed that peak L4/L5 EMG increased significantly (…) as heel height increased. We can infer that wearing high-heels not only increases the loading on the erector spinae, but could also be a cause for low back pain.” (Lee, Jeong, Freivalds 2001, S. 324) Die erhöhte Belastung der Muskulatur im Bereich der Lendenwirbelsäule kann zu Rückenschmerzen führen. In einer Befragung von 200 Frauen (Anfang bis Mitte zwanzig Jahre alt), die regelmäßig über ein Jahr lang Absatzschuhe trugen, klagten 58% der Befragten über Rückenschmerzen und 55% empfanden eine Absatzhöhe zwischen 6-9 cm als sehr unangenehm. „This survey found that 58% complained of lumber back pain and 55% felt most inconvenienced with the heel heights in the range of 6-9 cm range…”. (ebd., S.322)
5.3.4 Kompensatorische Anpassung der Körperhaltung an die Absatzhöhe
Als Ausgangstellung für die Messung von Haltungsänderungen dient ein (einfaches) Schema der Grundstellung, wobei vorausgesetzt wird, dass Beine, Becken und Wirbelsäule gerade sind, und das Becken bei gleich langen Beinen horizontal steht. (Abb. 5-18)
Abbildung 5 40 (Debrunner 2002, S 139)
Aus der Darstellung ist leicht ersichtlich, dass eine Erhöhung des Absatzes kompensatorische Veränderungen in Fuß- und Kniegelenken, Hüftgelenken und Beckenneigung sowie in der Form der Wirbelsäule bewirkt.
Die Winkel von Wirbelsäule und Becken können in biomechanischen Untersuchungen nicht direkt gemessen werden, sondern sie werden durch auf der Haut angebrachte Messpunkte und ggf. mit Hilfe von Röntgenaufnahmen errechnet. Ob ein ‚hohles Kreuz’ (Lendenlordose) tatsächlich durch hohe Absätze verstärkt wird, ist eine interessante Fragestellung, die auch in kollektiven positiven Bewertungen typischer Frauenschuhe eine Rolle spielt.(vgl. Kap. 6) Aktuelle biomechanische Messungen liefern dazu sehr unterschiedliche und differenzierte Ergebnisse.
Die kompensatorische Anpassung der Körperhaltung an die Absatzhöhe ist nach den vorliegenden Untersuchungen anscheinend sehr variabel und hängt u.a. vom Alter der Probandinnen ab. Murray et al fanden beim Vergleich von niedrigen (0,25-1,25 Inches) zu hohen (2,75-3,75 Inches) Absätzen, bei siebzehn von dreißig Frauen eine leicht erhöhte Beckenneigung nach vorn, bei dreizehn Probandinnen jedoch eine leichte Neigung nach hinten. (Murray, Kory, Sepic 1970, S.639) Wobei eine Neigung des Beckens nach vorn eine Vertiefung der Lendenlordose zur Folge hat, während das nach hinten geneigte Becken die Lendenwirbelsäule aufrichtet, die Lordose also vermindert.
Um Haltungsunterschiede im Stand auf drei verschiedenen Absatzhöhen (Konfektionsschuhe: 1,91cm; 3,81cm; 7,62cm) festzustellen, führten Snow, Williams an elf Probandinnen Messungen der Beckenneigung und der Lendenlordose durch. Diese ergaben keine signifikanten Unterschiede in Relation zur Absatzhöhe. (Snow, Williams 1994, S.571) „There were no significant differences or trends found among heel heights for pelvic tilt, average lumbar curvature…”. Snow, Williams begründen dieses von anderen Studien abweichende Ergebnis mit unterschiedlichen Kompensationsstrategien der betroffenen Frauen. “The discrepancy among studies may be caused by a variation in compensatory postural strategies used by women wearing high heels.” (ebd. S. 573)
Opila-Correia (1990) bezieht sich auf frühere Untersuchungen, in denen eine Abflachung der Lendenwirbelsäule durch die Tendenz, auf hohen Absätzen das Becken nach hinten zu kippen erklärt wird. "Postural analysis with different heel heights has shown that in high-heeled shoes the pelvis tends to roll backward, causing a flattening of lumbar spine. This is probably an attempt to overcome the feeling of falling forward that is associated with high-heeled shoes.” (Opila-Correia 1990, S. 304) In eigenen Untersuchungen konnte die Opila-Correia (1990a) nachweisen, dass die Veränderung der Beckenneigung bzw. Lendenlordose während des Gangzyklus vom Alter der Probandinnen abhängt. Junge Frauen im Altersdurchschnitt von 26,3 Jahren zeigten eine Tendenz, im Gangzyklus beim Aufsetzen der Ferse die Lendenlordose zu vertiefen, während bei älteren Frauen von durchschnittlich 43,7 Jahren eine Abflachung der Lendenwirbelsäule gemessen wurde (Opila-Correia 1990a)
Entsprechend der allgemein anerkannten klinischen Wahrnehmung hatten de Lateur, Giaconi, Questad (1991) eine verstärkte Lendenlordose durch hohe Absätze erwartet. Sie untersuchten 16 erwachsenen Personen, neun Männern und sieben Frauen, beide Gruppen trugen Schuhe mit negativen Absätzen, sowie mit niedrigen und hohen (maximal 6,0 cm) positiven Absätzen. Die Messergebnisse zeigten bei männlichen Versuchspersonen eine Tendenz zur Abflachung der Lordose bei steigender Absatzhöhe, bei weiblichen Personen fanden sich jedoch keine einheitlichen, signifikanten Ergebnisse.
Eine übersichtlich dargestellte Studie führten Lee, Jeong, Freivalds (2001) an fünf gesunden jungen Frauen (‚in den Zwanzigern’) durch. Der Beugungswinkel der Lendenlordose wurde in Schuhen mit Blockabsätzen (0 cm, 4,5 cm und 8,0 cm) in Stand und beim Gehen gemessen. (Abb. 5-19)
Abbildung 5 41 Mesurement of lumbar flexion angle. (Lee u.a. 2001, S.322)
Die Messungen ergaben beim Gehen im Vergleich zum Stand einen um 16° größeren lumbalen Flexionswinkel. Dies bedeutet eine Abflachung der Lendenlordose. (Diagramm: Abb. 5-20)
Abbildung 5 42 (Lee u.a. 2001, S.323)
Effekt of walking and standing on lumbar flexion angle.
The trunk flexion angle increased by an additional 16°
while walking as compared to being stationary.
Abbildung 5 43 (Lee u.a. 2001, S.323)
Effect of heel height on lumbar flexion angle.
For each 1cm increase in heel height, the trunk
flexion angle decreased one additional degree.
Lee, Jeong, Freivalds (2001)fanden allerdings eine Verstärkung der Lendenlordose (Verringerung des Flexionswinkels) in Abhängigkeit von der Absatzhöhe. (Abb. 5-21) “This could be interpreted as a compensatory mechanism to counteract the anterior movement of CBM while wearing high heels and consequent sensation of falling forward.” (Snow, Williams 1994). “In the current study, this anterior movement amounted to a total of 13° and was significantly influenced (p<0,05) by heel height.” (Lee, Jeong, Freivalds 2001, S.323)
Nach diesen Untersuchungen nimmt der Beugungswinkel im Lendenbereich beim Gehen auf Absatzschuhen in Abhängigkeit von der Absatzhöhe ab, die Lendenlordose wird verstärkt, der Oberkörper nach hinten gebeugt, wahrscheinlich um bei nach vorn verlagertem Körperschwerpunkt das Gleichgewicht zu halten. Die Autoren vermuten, dass zusätzliche kompensatorische Haltungsäderungen die Gelenke der unteren Extremitäten betreffen, was messbare Veränderungen der Gangparameter zur Folge hat. (Lee, Jeong, Freivalds 2001, de Lateur Giaconi, Questad 1991)
Zusammenfassung der Messergebnisse zur Haltungsänderung:
Biomechanische Untersuchungen zur Haltungsänderung in Abhängigkeit von der Absatzhöhe ergaben zunächst verwirrende und sich zum Teil widersprechende Messergebnisse. Eine Ursache liegt wohl in der großen Beweglichkeit der Wirbelsäule und in der Tatsache, dass Probanden unterschiedlich auf die Verlagerung des Körperschwerpunktes reagieren . Dazu kommt die Schwierigkeit, den Flexionswinkel im Bereich der Lendenwirbelsäule an Hand äußerer Messpunkte exakt zu bestimmen. Wie Abbildung 6-3 (Abs. 6.6) verdeutlicht, ist die Kurvatur der Lendenwirbelsäule von der Beckenneigung und von der Ausrichtung des gesamten Oberkörpers abhängig. Zusammenfassend lassen sich aus den Untersuchungsergebnissen dennoch wesentliche Schlussfolgerungen ziehen.
Lee, Jeong, Freivalds (2001) benennen die schädigende Wirkung hoher Absätze: „The wearing of high heels causes several deleterious effects. The lumbar flexion angle decreases significantly as heel height increases. This not only creates a more unstable posture because of the increase in the height of the center of body mass (i.e. the upper body becomes more heavy as shown by the direct three dimensional motion analysis of CBM) but also creates additional compressive forces in the lower lumbar spine because of the change in the lumbar lordosis. In addition, there is a compensatory increase in erector spinae activity to maintain the abnormal posture. All these effects can significantly increase discomfort and fatigue in those wearing high heels especially at work, which explains the frequent complaints of low back pain. Although, only young females were tested, these results can be expected to hold true in older subjects as well. Thus, in conclusion, workers wearing heels for workers should be strongly discourages.” (Lee, Jeong, Freivalds 2001, S.325)
Da die Haltungsänderung auf hohen Absätzen eine starke Belastung der Wirbelsäule verursacht, die oft zu Rückenschmerzen führt, raten Lee u.a. besonders Berufstätigen dringend davon ab, während der Arbeit Absatzschuhe zu tragen.
Abbildung 5 44 (O’Keefe 1997 S.187)
First Ladies in ihren Pumps (v. links): B. Bush, N. Reagan; R. Carter, B. Ford, P. Nixon B. Johnson.
5.3.5 Messbare Veränderungen der Ganganalyse durch Absatzschuhe
Normalwerte für ‚die weibliche Art zu gehen’ wollten Murray et al. (1970) in Ganganalysen ermitteln. Um Maßstäbe für pathologische Abweichungen im Gangablauf zu erhalten, wurden in früheren Studien zunächst ausschließlich Standards für die Merkmale eines normalen Gangzyklus bei Männern erhoben. Um vergleichbare ‚normale’ Standards für Frauen zu erhalten untersuchten Murray et al. (1970) die Auswirkung von Alter, Körperstatur, Absatzhöhe und Gehgeschwindigkeit auf den Gangzyklus an 30 gesunden Frauen (zwischen 20 und70 Jahren alt). Alle Daten wurden mit niedrigen (0,25-1,25 Inches) und hohen Absätzen (2,75-3,75 Inches) und mit freier und schneller Gehgeschwindigkeit erhoben. Murray et al. beschreiben eine: „feminine attitude of locomotion“,( Murray et al. 1970, S.647) eine weibliche Gehweise, die sich deutlich von der Gehweise männlicher Probanden aus früheren Untersuchungen unterscheide. (vgl. Abb. 5-22) Insgesamt zeigen Frauen beim Gehen weniger ‚ausladende’ Bewegungen. „However, there were striking differences in the amplitudes of the patterns, with the women characteristically showing smaller excursions of motion than the men.” (…) „It appears to be a masculine attitude to show greater lateral shifting of the head and thorax, and less lateral shifting of the pelvis. Conversely, the feminine attitude appears to be characterized by less lateral shifting of the head and thorax, but greater lateral shifting of the pelvis. The women also showed decidedly smaller excursions of their upper limbs than men.” (Murray Kory, Sepic 1970, S.647) Frauen zeigten außerdem auf Grund der geringeren Schrittlänge eine geringere Gehgeschwindigkeit im Vergleich zu Männern, besonders in Schuhen mit hohen Absätzen.
Charakteristische Unterschiede ergaben die Messungen zwischen hohen und niedrigen Absätzen für die Beugung im Kniegelenk. „The women appeared to have a guarded manner of making initial floor contact in high heel shoes. At the instant of ipsilateral heel-strike, in the high heel shoes the women showed increased knee flexion and decreased toe elevation. At this precarious instant, there appeared to be an urgent need to enlarge the base of support for the oncoming body weight by making rapid floor-contact with the forepart of the foot. After the onset of weight bearing, the knee continued to be in greater flexion for the walking trials in the high heel shoes.” (Murray Kory, Sepic 1970, S.648) Um die geringere Stabilität auf Absatzschuhen auszugleichen wird der Fuß vorsichtiger aufgesetzt und das Gewicht schnell auf den Vorfuß verlagert um die Standfläche zu erhöhen. Diese Instabilität besonders im Einbeinstand bewirkte bei älteren Frauen (um 60 Jahre) eine Verlängerung der Standphase in Relation zur Schwungphase und eine Verkürzung der Schrittlänge. „…they spent a longer time in the stance phase and a shorter time in swing phase than did the younger women. These lower swing-to-stance ratios may reflect their relative instability during single-limb support.” (ebd. S.649)
Der theoretische Ansatz dieser Studien macht einmal mehr deutlich, dass schmale Schuhe mit hohem Absatz 1970 als übliche (normale) Fußbekleidung für Frauen galten und ohne Bedenken zur Ermittlung für standardisierte ‚Normalwerte’ von Gangparametern eingesetzt wurden. Die pathogene Wirkung eines solchen ‚normalen’ Gangablaufs ist nicht Thema der Untersuchung. Allerdings werden veränderte Gangparameter mehrfach durch die besondere Instabilität beim Gang in Absatzschuhen erklärt. Es erscheint mir sehr fragwürdig, den pathologischen Gang auf hohen Absätzen als ‚normalen Standard’ für ein weibliches Gangmuster zu definieren.
Im Gegensatz dazu werden von anderer Autoren in biomechanischen Untersuchungen die Gangparameter in Absatzschuhen (eleganten Pumps) mit denen in flachen Sportschuhen und/oder barfuß verglichen. Dabei gelten die Messergebnisse bei (weitgehend) uneingeschränkter Fußfunktion als normale Referenzgrößen, auch für weibliche Füße. Viele Studien haben zum Ziel, durch den Nachweis pathologisch veränderter Gangparameter in Absatzschuhen im Vergleich zu bequemer Fußbekleidung auf pathogene Folgen einer unphysiologischen Belastungen des Bewegungsapparates hinzuweisen.
Um pathomechanische Veränderungen durch Absatzschuhe festzustellen untersuchten Gastwirth, O’Brien, Nelson (1991) 34 Frauen im Durchschnittsalter von 26,1 Jahren, die durchschnittlich an 4,85 Tagen im Monat über 11,14 Jahre Absatzschuhe trugen. Die Messungen wurden in neuen Konfektionsschuhen derselben Marke mit hohen Absätzen (4,2 cm), in flachen Turnschuhen (0,2 cm) und barfuß durchgeführt. An der Fußsohle angebrachte Drucksensoren lieferten die Daten für eine computergestützte Ganganalyse. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Dauer der Vorfußbelastung in Absatzschuhen eine entscheidende Bedeutung für die pathogene Wirkung hat. „The findings suggest that an increased duration of forefoot loading, rather than an increased actual pressure, is responsible for pedal pathology secondary to wearing high-heel shoes.” (Gastwirth, O’Brien, Nelson. 1991, S.463)
Abbildung 5 45(Gastwirth et al. 1991, S.466)
Abbildung 5-23 zeigt signifikante Unterschiede für die zeitliche Unterteilung der Standphase bei verschiedenen Absatzhöhen. Die Zeit, in der der Absatzschuh in voller Länge Bodenkontakt hat, ist auf Kosten der Zeit für den initialen Fersenkontakt und für die Vorwärtsbewegung der Gegenseite verlängert. Die stabilste Position in einer allgemein instabilen Haltung wird möglichst lange aufrechterhalten, auf Kosten der anderen Bewegungsphasen. Dies führt zu dem oben schon beschriebenen ‚abgehackten’ Gangmuster auf hohen Absätzen. (vgl. Abs. 5.3.2., Abb. 5-15)
5.3.6 Wirkung der Absatzhöhe auf Knie- und Hüftgelenke
Da die physiologische Gelenkfunktion auf anatomische Gelenkwinkel angewiesen ist, lassen veränderte Gelenkwinkel beim Gang auf hohen Absätzen auf mögliche pathogene Wirkungen schließen. Beim Gang auf Absatzschuhen werden veränderte Gelenkwinkel der unteren Extremitäten beginnend mit der frühen Standphase gemessen. Um die verstärkte Plantarflexion im Fußgelenk auszugleichen sind die Knie- und Hüftgelenke in der ersten halben Standphase stärker gebeugt. (Esenly, Walsh, Walden u.a. 2003, S. 30-31) Verschiedene Autoren beschreiben Veränderungen der Kniegelenkswinkel. Das Knie ist auf hohen Absätzen beim Fersenauftritt und in der gesamten Standphase stärker gebeugt. (Opila-Correia 1990, Esenly, Walsh, Walden u.a. 2003) In der Schwungphase dagegen wurde auf hohen Absätzen (5-7 cm) eine geringere Beugung im Kniegelenk gemessen als auf flachen Schuhen (O-2 cm). (Opila-Correia 1990, S.306)
Eine signifikant erhöhte Belastung des Kniegelenks wiesen (Kerrigan, Todd, Rily 1998) nach. Sie fanden beim Gehen während der Standphase in Absatzschuhen verlängerte (sagittale und coronare) Drehmomente. Dies bedingt eine verlängerte Beanspruchung der Patellarsehne und einen andauernden Druck auf das patellofemorale Gelenk. Andauernde Beanspruchung (strain) und Druck führen zu degenerativen Gelenkveränderungen. Dies erklärt eine beidseitige doppelt so hohe Prävalenz von Osteoarthritis im Kniegelenk bei Frauen im Vergleich mit Männern.
Um anatomisch begründete geschlechtsspezifische Unterschiede in der Belastung des Kniegelenks beim Gehen zu untersuchen, führten Kerrigan, Riley, Nieto (2000) Messungen von Drehmomenten im Kniegelenk an Frauen und Männern beim Barfußgehen durch. Sie fanden keinen signifikanten Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Probanden. Dieses Ergebnis macht plausibel, dass die größere Prävalenz von Osteoarthritis im Kniegelenk bei Frauen nicht anatomisch bedingt ist, sondern auf einer pathogenen Wirkung von Absatzschuhen beruht, die regelmäßig nur von Frauen getragen werden.
Eine weitere Untersuchung bestätigt diese Annahme, denn auch breite hohe Absätze führen zu einer pathogenen Kniebelastung. „We have shown that wide-heeled , women’s dress shoes cause the same, if not greater, alterations in knee torques, as narrow-heeled shoes. These findings may have particular importance with respect to the development of knee osteoarthritis, insofar as women tend to wear these wide-heeled dress shoes routinely and for longer periods of time.” (Kerrigan Lelas, Karvosky 2001, S.1098)
5.3.7 Zusammenfassende Übersicht über die biomechanischen Untersuchungsergebnisse
Die scheinbar geringfügigen Veränderungen der Körperhaltung durch hohe Absätze bewirken eine grundlegende Störung im funktionellen Zusammenwirken des gesamten Bewegungsapparats, die sowohl die Wirbelsäule als auch Becken, Hüft- und Kniegelenke betreffen. Die biomechanischen Untersuchungen lassen sich im wesentlichen in zwei Gruppen gliedern.
Zum einen wird die Wirkung der Absatzhöhe auf die Fußfunktion untersucht, zum anderen geben computergestützte Ganganalysen Auskunft über Veränderungen im zeitlichen Gangablauf, über eine kompensatorische Anpassungen der Körperhaltung und über Störungen der physiologischen Gelenkfunktion von Hüft- und Kniegelenken.
Bei Untersuchungen zum Einfluss der Absatzschuhe auf die Fußfunktion gibt die Druckverteilung unter der Fußsohle im Stand und beim Gehen Hinweise auf eine unphysiologische Belastung des Vorfußes, wobei die Spitzendrucke unter dem Großzehengrundgelenk gemessen werden. Dies kann zu der bei Frauen häufigen Deformierung des Vorfußes führen, zum Spreizfuß mit Hallux valgus und Hammerzehen. (Gastwirth, O’Brien, Nelson u.a. 1991; Snow, Williams 1994; Nyska McCabe, Linge u.a. 1996; Mandato, Nester 1999; Wang, Pascoe, Kim u.a. 2001) Außerdem werden die für die normale Fußfunktion wesentlichen Drehbewegungen des Fußes (Pronation/Suppination) durch die fixierte ‚Spitzfußstellung’ auf hohen Absätzen (Plantarflexion) behindert. Dies führt zur Instabilität des Ganges, da die Fußhaltung nicht auf Bodenunebenheiten reagieren kann. (Snow, Williams 1994) Die üblicherweise enge Passform von Absatzschuhen zwängt die Zehen so zusammen, dass sie beim Gehen nicht mehr bewegt werden können. Dies führt zur Atrophie der kleinen Fußmuskeln, was wiederum Deformierungen des Vorfußes begünstigt. (Mandato, Nester 1999)
Die Anpassung der Körperhaltung an die Absatzhöhe führt zu einer Verlagerung des Körperschwerpunktes nach vorn und nach oben. Dadurch lässt sich eine Unsicherheit des Ganges auf hohen Absätzen erklären. Dies bewirkt eine nachweislich stärkere Muskelaktivität der Rückenmuskulatur, was die erhöhte Prävalenz von Rückenschmerzen bei ‚Stöckelschuhträgerinnen’ erklärt. (Lee, Jeong, Freivalds 2001) Die kompensatorische Haltungsänderung von Wirbelsäule und Becken auf Absatzschuhen ist anscheinend altersabhängig, während bei jungen Frauen eine verstärkte Lordose gemessen wurde zeigten ältere Frauen beim Gehen auf hohen Absätzen eher eine Abflachung der Lendenwirbelsäule. (Lee, Jeong, Freivalds. 2001; Snow, Williams 1994; Murray, Kory, Sepic 1970; Opila-Correia 1990, 1990a; de Lateur, Giaconi, Questad 1991) Auch wenn die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig sind, zeigen sie doch, dass der Gang auf Absatzschuhen die Wirbelsäule unphysiologisch beansprucht. Kompensatorische Veränderungen können ebenfalls für die Hüft- und Kniegelenke nachgewiesen werden, die während der Standphase auf hohen Absätzen stärker gebeugt sind. (Kerrigan, Todd, Riley 1998; Opila-Correia 1990, 1990a; Snow, Williams1994) Da die relative Ausrichtung der anatomischen Strukturen für ihre Funktion von entscheidender Bedeutung ist, bewirken veränderte Gelenkwinkel beim Gangablauf Funktionseinbußen und Belastungen, die langfristig zu Schäden führen. Eine stärkere Beanspruchung der Kniegelenke wurde durch verstärkte Drehmomente auf hohen Absätzen nachgewiesen, die gerade auch bei breiten hohen Absätzen auftreten, wie sie regelmäßig von vielen Frauen getragen werden. Das regelmäßige Tragen von Absatzschuhen kann also als Grund für die erhöhte Prävalenz von Arthrosen der Kniegelenke bei Frauen angesehen werden. (Opila-Correia 1990; Esenyl, Walsh, Walden. 2003; Kerrigan, Todd, Riley 1998; Kerrigan, Riley, Nieto 2000; Kerrigan Lelas, Karvosky 2001)
In Abhängigkeit von der Absatzhöhe zeigen Ganganalysen Veränderungen im gesamten Bewegungsmuster der Probandinnen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind so deutlich, dass Merkmale einer ‚spezifisch weiblichen’ Gehweise („feminine attitude of locomotion“) beschrieben werden. Bei kürzerer Schrittlänge sind die Bewegungen der Probandinnen beim Gehen schmaler und weniger ausladend als bei männlichen Versuchsteilnehmern. Während Männer Kopf und Oberkörper stärker seitlich bewegen, zeigen Frauen eine größere seitliche Beckenbewegung. (Murray, Kory, Sepic 1970)
6. Diskrepanz zwischen messbarer pathogener Wirkung und positiver kollektiver Bewertung von Frauenschuhen
Im Gegensatz zu den nachgewiesenen gesundheitsschädigenden Folgen wird hohen Absätzen vielfach eine positive Wirkung zugeschrieben. Es sind sehr unterschiedliche Quellen, in denen positive Effekte von Absätzen gerühmt werden.
Die oben beschriebene ‚weibliche Art zu gehen’ (Murray, Kory, Sepic 1970) beruht zum großen Teil auf biomechanisch messbaren Veränderungen der Fußstellung, der Körperhaltung und des Gangablaufs auf hohen Absätzen. Dieses durch die Schuhform erzwungene Bewegungsmuster ist soziokulturell so eng mit dem weiblichen Körperbild verbunden, dass alternative Weiblichkeitsbilder kaum vorstellbar sind . (vgl. Kap. 7) Die optische Signalwirkung des Frauenbeins auf Stöckelschuhen ist in der Werbung allgegenwärtig und wird ebenso wie der Blick auf den wohlgeformten Busen als optisches Signal eingesetzt. (vgl. Abb. 7-2) Der Frauenkörper, der als werbewirksames Zeichen für käufliche Genüsse benutzt wird, kann und soll hier nicht thematisiert werden.
Vielmehr geht es mir um die kritische Durchsicht positiver Bewertungen von Absatzschuhen in einer überschaubaren Anzahl unterschiedlicher Quellen, die von wissenschaftlich begründeten Aussagen bis zu rein subjektiven Wahrnehmungen reichen. Sachliche Gründe für die Vorteile des Absatzes am Schuh werden in einem Orthopädielehrbuch dargestellt, nicht ohne auf die negativen Folgen ‚zu hoher Absätze’ hinzuweisen. (Rabl, Nyga 1994) Auf einer Fachärztekonferenz für Schuhfragen stellte 1977 ein Orthopädieschuhmacher den scheinbaren Vorteilen hoher Absätze die ‚wirklichen’ gegenüber. (Kraus 1977, 1979) Während Barbara Tietze sich in einem Beitrag zur Kulturgeschichte der Fußbekleidung kritisch mit der ‚ergonomischen Forschung’ zum Gang auseinandersetzt, kommt sie durch intuitive Erkenntnis und einfühlende Beobachtung zu einer erstaunlich positiven Bewertung hoher Absätze. (neben wenigen kritischen Aspekten) (Tietze 1998) Aus subjektiver Sicht beschreiben zwei Journalistinnen ihre Leidenschaft für Stöckelschuhe. (Bieker, Ellinghaus 1999) Dabei befinden sie sich in Übereinstimmung mit einem Modepsychologen, der 1956 die positive Rolle hoher Absätze für ‚das typische des weiblichen Erscheinungsbildes’ beschrieb. (Kiener 1956) Seine Äußerungen sind für die auch heute noch geltende Wertschätzung hoher Absätze in der weiblichen Mode aufschlussreich.
6.1 Fachkundige Huldigung des Absatzes in einem Orthopädielehrbuch
Eine fachkundige Huldigung des Absatzes ist in der ‚Orthopädie des Fußes’ von Carl R. H. Rabl und Werner Nyga (1994) nachzulesen:
Der Absatz „hat verschiedene Vorteile. Erstens hebt er den größeren Teil des Fußes und Schuhes über den Straßenschmutz hinaus und gibt auf schlüpfrigem Boden mehr Halt, zumal beim Bergabgehen. Zweitens bedingt er eine gewisse Gewölbestützung, denn zwischen dem waagerechten, einige Zentimeter über dem Erdboden aufgebauten Lager für die Ferse und dem ebenfalls waagerechten Vorfußteil liegt das mehr oder weniger gebogene Stück für den Mittelfuß. Dadurch wird der Halt an dieser Stelle verbessert. Drittens wird das Längsgewölbe des Fußes durch die Körperlast um so weniger gedrückt, je schräger bzw. steiler es steht. Die Zugbeanspruchung der Bänder, die das aus Tarsus und Metatarsus bestehende Gewölbe halten, fällt fast ganz fort. Viertens verringert der Absatz die Spannung der Achillessehne, was beim Stehen und langsamen Gehen zweifellos angenehm ist. Und noch ein fünfter, weniger sachlicher Grund kommt hinzu: Bei kleinen Damen ist ein hoher Absatz beliebt, weil er sie größer erscheinen läßt.“( Rabl, Nyga 1994, S. 48)
Während der ’weniger sachliche Grund’ für hohe Absätze bei kleinen Frauen von einer aktuellen Meldung der Süddeutschen Zeitung (2003) bestätigt wurde, wonach sich Absatzschuhe positiv auf die Karriere von Frauen auswirke, da sie mit den konkurrierenden Männern auf Augenhöhe kämen, lassen sich die angeführten ‚sachlichen Vorteile’ des Absatzes in biomechanischen Untersuchungen kaum belegen.
Eine als ‚angenehm empfundene’ Entlastung der Achillessehne ist nur bei bestimmten Erkrankungen sinnvoll, im Übrigen wird sie dann als ‚angenehm empfunden’, wenn sich die Sehne durch den lange andauernden Gang auf hohen Absätzen bereits verkürzt hat und bei normaler flacher Fußstellung angespannt wird. Ein schräg gestelltes Längsgewölbe führt in erster Linien zur stärkeren Vorfußbelastung mit den beschriebenen pathogenen Folgen. Ob die veränderte statische Fußstruktur durch Absätze tatsächlich zu einer ‚Entlastung des Längsgewölbes’ führt und dem Fuß im Schuh mehr Halt gibt erscheint mir Angesichts der physiologischen Fußfunktion unwahrscheinlich. Die physiologische Verteilung der Körperlast ist auf eine ‚normale’ Fußhaltung abgestimmt und jede Veränderung hat pathogenen Auswirkungen auf den gesamten Bewegungsapparat zu Folge. Das sehr alte Argument, Absätze würden den Fuß über den Straßenschmutz hinausheben führte schon G. H. Meyer 1858 an. Während P. Camper 1785 darauf hinwies, dass man mit flachen Schuhen leichter an Stein stoßen würde. Meiner Ansicht nach zeigen moderne Sport- und Wanderschuhe, wie eine entsprechende Sohlenausführung die Bodenbeschaffenheit berücksichtigt. Auf Absätze kann dabei ohne Funktionseinbußen verzichtet werden. Nach meinem Eindruck bemühen sich die Autoren darum, positive Argumente für eine gängige Praxis und ein vertrautes weibliches Erscheinungsbild zu finden, das durch orthopädische Erkenntnisse nicht beeinflusst werden kann.
In der bei Rabl und Nyga folgenden ausführlichen Beschreibung biomechanischer Wirkungen hoher Absätze stehen pathogene Veränderungen im Vordergrund. Allenfalls die ‚Aufrichtung der Wirbelsäule’ könnte als ein positiver Effekt aufgefasst werden, der oft und nicht nur von schuhtechnischen Laien hervorgehoben wird.
„Ein zu hoher Absatz bewirkt eine vermehrte Beugung im Knie- und Hüftgelenk, verstärkt die Beckenkippung und die Lendenlordose. Dadurch richtet sich kompensatorisch die Brustwirbelsäule auf. Die Schrittlänge wird verkürzt und der Vorfuß durch die schiefe Ebene, die zwangsläufig entsteht vermehrt belastet. Die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk wird eingeschränkt, da der Fuß ausrechende Pro- und Supinationsbewegungen nur bei relativ niedrigem Fersenstand auszuführen vermag. Auf Grund der dauernden Spitzfußstellung führt die unzureichende Abwicklung des Fußes beim gehen zur Atrophie der kurzen Fußmuskulatur und einem Ungleichgewicht zwischen Flexoren und Extensoren.“ (Rabl, Nyga 1994, S. 48)
Während die oben beschriebenen ‚sachlichen Gründe’ für positiven Wirkungen erhöhter Absätze, in biomechanische Untersuchungen nicht bestätigt wurden, stimmen die beschriebenen biomechanischen Wirkungen ‚zu hoher Absätze’ mit den von mir ausgewerteten Untersuchungsergebnissen überein. Während Rabl und Nyga sich um eine sachbezogen naturwissenschaftliche Bewertung der Absatzhöhe bemühen, ist eine rein ästhetisch begründete positive Bewertung auch in der Fachliteratur von Schuhexperten häufig zu finden.
6.2 Unterscheidung von scheinbaren und wirklichen Vorteilen des Absatzes durch einen Orthopädieschuhmacher
In einem Vortrag vom 29.4.1977 auf der „Ständigen Fachärztekonferenz für Schuhfragen“) unterschied der Orthopädieschuhmachermeister Emil Kraus scheinbare und wirkliche Vorteile des Absatzes:
„Scheinbare Vorteile des Absatzes:
- er nähert die Körpergröße an die des Mannes an. (...)
- der Fuß erscheint durch den hohen Absatz kürzer und gefälliger.
- er zwingt zu kürzeren und zierlicheren Schritten
- durch die Beugestellung von Knie und Hüfte treten die weiblichen Körperformen stärker hervor.
Ein wirklicher Vorteil des hohen Absatzes ist der durch ihn ausgelöste Zwang zur Aufrechten Körperhaltung.“ Bei der Frau darf der Absatz je nach Körpergröße die Höhe bis 4 cm erreichen, ohne dass nach Ansicht der Fachärzteschaft daraus ein Schaden entsteht. Der Absatz ist also ein zivilisatorisch bedingter Kompromiss.“(Kraus 1977, S. 5/209) Etwas weniger positiv äußert sich E. Kraus (1979) in einem Artikel in der Zeitschrift des Bundesinnungsverbandes für Orthopädieschuhtechnik (OST). „Der Absatz am Schuh bringt den Körper in eine günstige Ausgangsstellung zur Schrittabwicklung, zwingt jedoch mit zunehmender Höhe zu kürzeren Schritten und zu verminderter Gelenktätigkeit in Fuß und Bein.“ (Kraus 1979, S. 507-508) In seine Richtlinien für die industrielle Herstellung naturgemäßen Schuhwerks führt er zum Absatz an: „Die Differenz zwischen Fersen- und Ballenauftritt soll keineswegs 4 cm überschreiten. Flache Absätze entsprechen der normalen Muskel- und Gelenkfunktion.“ (Kraus 1979, S. 509) Während der Autor den Absatz aus der Sicht des Orthopädieschuhmachermeisters 1977 noch relativ positiv beurteilte und bis zu vier Zentimetern Höhe als ‚zivilisatorisch bedingten Kompromiss“ für unschädlich hielt, ist sein Urteil zwei Jahre später weniger von ästhetischen Gesichtspunkten geprägt und die Erkenntnis, dass flache Absätze der ‚normalen Muskel- und Gelenkfunktion’ entsprechen führt zu der Forderung. „Schuhe, die abweichend von diesen Richtlinien ein Zugeständnis an Gesellschaft, Mode und Beruf darstellen, sollten im privaten Bereich so oft als möglich gegen naturgemäßes Schuhwerk ausgetauscht werden.“ (Kraus 1979, S. 509)
Die ‚scheinbaren Vorteile’, die der Orthopädieschuhmachermeister 1977 dem Absatz zuschreibt spiegeln die positive Bewertung eines kulturhistorisch geprägten weiblichen Erscheinungsbildes wider. In den Richtlinien für fußgerechte Konfektionsschuhe offenbart sich die schon oft beklagte Diskrepanz zwischen der Passform ‚typischer Frauenschuhe’ und funktionsgerechter Fußbekleidung. Ich nehme an, dass die Empfehlungen von E. Kraus für die Herstellung ‚naturgemäßer Konfektionsschuhe’ (1979) von aktuellen Ergebnissen biomechanischer Untersuchungen beeinflusst wurden, auch wenn sich der Autor auf orthopädische und schuhtechnische Fachliteratur bezieht.
6.3 Gefühlte Qualität’ einer Ganganalyse
Besonders deutlich wird der Gegensatz zwischen objektivierbaren biomechanischen Messergebnissen und der subjektiven Wahrnehmung einer ‚gefühlten Qualität’ in Ganguntersuchungen, die Barbara Tietze1. 1989 in einem Katalog zur Ausstellung Z. B: Schuhe ‚Eine Kulturgeschichte der Fußbekeildung’ vorstellt..In ironisch polemischer Form kritisiert die Autorin biomechanische Messverfahren, anatomisch-physikalische Bewegungsmodelle und statistische Auswertungsmethoden. Tietze dokumentiert die Ergebnisse einer Ganguntersuchung, die sich zwar der fotographischen Darstellungstechnik moderner Ganganalysen bedient, diese dann aber ‚ganzheitlich’ unter Berücksichtigung der ‚Selbstwahrnehmung’ auswertet. „Die (...) Interpretationen sind Ergebnis umfangreicher Versuche, die Qualität der dabei entstehenden Bewegungslinien nachzuempfinden.“ (Tietze 1998, S. 98) Im Gegensatz zur Ergonomie des menschlichen Ganges als „Lehre maschinenartiger Bewegungsabläufe“, die im Glauben der Techniker den Gesetzen der Physik unterlägen, fordert die Autorin die Mitteilung von Komfort- und Diskomfort-Erlebnissen, wenn es um unser körperliches Wohlbefinden gehe. „Ersatzweise forscht die Wissenschaft. Die vermeidet die Grauzonen der persönlichen Selbsterfahrung und schafft Schwarz-Weiß-Bilder mit dem Geruch von Tatsachen.“ (Tietze 1998, S. 94) In einer „ganzheitlichen“ Vorgehensweise sollen Beobachtungen und Selbstbeobachtungen miteinander verbunden werden. Durch Videoaufnahmen wurde versucht, „möglichst präzise und umfassend festzuhalten, was für Bewegungen eine Frau macht, die geht. (...) Wir nutzten Video und Motografie als Anstoß für die einfühlende Beobachtung, als Mittel zur Strukturierung von Wahrnehmungen und schrittweisen Annäherung an das Bewegungsgeschehen. So wie wir die Motografie einsetzen, handelt es sich um ein Verfahren zur Erleichterung von intuitiver Erkenntnis und Gesprächen und nicht um eine Meßtechnik.“ (Tietze 1998, S.98) Entsprechend diesen Intentionen werden in den Untersuchungsergebnisse sichtbare und messbare Veränderungen mit Empfindungsqualitäten verbunden und auf der soziokulturellen Ebene gedeutet.
„Das Becken kippt nach vorn und der Oberkörper steuert dieser Bewegung durch S-förmige Ausbildung der Lendenwirbelsäule (Lordose/Hohlkreuz) gegen. Die Konturen des Frauenkörpers werden damit sowohl in Gesäß- als auch in Brustregion plastischer. Durch Druck, Anspannung und Gleichgewichtsleistungen wird ein Körperbewusstsein vermittelt, das sehr stark mit der sozialen Rolle der Frau verknüpft ist. Hochhackige Schuhe zwingen zu einer Haltung, die sexuell wichtige Körperregionen (Beine/Brust/Gesäß) betont. Das objektiv labile Gleichgewicht signalisiert Hilflosigkeit und lässt den Griff nach dem männlichen Arm als natürliche und notwendige Geste erscheinen. Das sind Manipulationen des Lebensgefühls, die in ihrer Drastik eindeutig emanzipationsfeindlich sind. Gleichzeitig geht mit dem Tragen hochhackiger Schuhe ein Wohlgefühl einher, das gesundheitsbewusste Reformbemühungen gegen den Absatz auch wieder einseitig und tendenziös erscheinen lassen. Und das liegt nicht allein am Triumph über die Körpergröße. Vielmehr sind hier auch rein ergonomische Qualitäten im Spiel.“ (Tietze 1998, S. 96)
Zu den Auswirkungen hoher Absätze auf die Haltung beschreibt Tietze die Wirkung einer kulturgeschichtlich geprägten Körperwahrnehmung, die der gegenwärtigen gesellschaftlichen Beurteilung weiblicher Attraktivität entspricht. Sie stellt zwar fest, dass das ‚manipulierte Lebensgefühl’ auf hohen Absätzen emanzipationsfeindlich sei, versucht aber, das damit verbundene ‚Wohlgefühl’ durch ergonomische Veränderungen zu erklären.
In ihrer Begründung lobt die Autorin Stöckelschuhträgerinnen, sie betrieben eine ‚intuitive Haltungsprophylaxe’. Sie behauptet, der Gang auf hochhackigen Schuhen habe eine ‚körperliche Ausgleichsfunktion’ bei einseitiger Büroarbeit. „Die Beinmuskulatur wird gestärkt. Das Becken wird gezwungen, sich aufzurichten. Die daraus resultierende Gegenbewegung der Wirbelsäule (Lordose) bildet einen Ausgleich gegen die Bandscheibenbelastung bei sitzender Tätigkeit. Der Schuh zwingt zu einer Streckung des Oberkörpers.“ (...) „Besonders das Gehen auf hochhackigen Schuhen ist so etwas wie eine Gegenübung zur körperlichen Belastung an Büroarbeitsplätzen. Es beansprucht Muskeln und Bänder, die in der verkrampften Haltung an der Maschine und durch das Dauersitzen nicht ausreichend belastet werden. So betreiben Frauen eine intuitive Haltungsprophylaxe.“ (Tietze 1991, S.97) Damit befindet sich Tietze in erstaunlicher Übereinstimmung mit der überaus positiven Bewertung hoher Absätze für die weibliche Haltung und Figur, die der Modepsychologe Kiener1956 veröffentlichte. (vgl. Abs. 6.5 und 6.6)
6.4 Subjektiver Bericht passionierter Stöckelschuhträgerinnen
Eine farbige und sehr persönliche Darstellung ihrer ‚Schuhpassion’ veröffentlichten 1999 die Journalistinnen Sylvia Bieker und Christine Ellinghaus. Die leidenschaftliche Stöckelschuhträgerin Ellinghaus (Jahrgang 1965) macht darin deutlich, wie sehr sie es genießt, wenn der Gang auf hohen Absätzen die männliche Aufmerksamkeit erregt. Als Kronzeugen für den männlichen Blick zitiert sie ‚irgendeinen Designer’, der die Wirkung hoher Schuhe etwa so beschreibe: „Der Busen poppt vorne raus, der Po poppt hinten raus und die Hüften poppen abwechselnd rechts und links. Bei der Frau also. Das waren nicht seine Worte, aber so ungefähr. Stimmt auch. Hohe Schuhe tragen poppt.“ (Bieker, Ellinghaus 1999, S.53.) Mit anderen Worten drückte dies auch der Modepsychologe Kiener 1956 aus. (vgl. Abs. 6.5)
Damit beschreibt die Autorin eine Wirkung hoher Absätze auf den Gang, die zum Teil auch in biomechanischen Messungen bestätigt wird. So bezeichnen Murray Kory, Sepic (1970) die Betonung der seitlichen Hüftbewegungen als weibliche Art der Fortbewegung: ‚feminal attitude of locomotion’. Die Vorstellung, dass hohe Absätze die erotische Attraktivität steigern, wirkt sich positiv auf Selbstbild und Selbstwertgefühl der Stöckelschuhträgerin aus. Allerdings wird dieses positive Selbstbild durch äußerst schmerzhafte Begleiterscheinungen erkauft. „Um hier mal eines klarzustellen: Ja, ich tage absurde Absatzformen. Ja, ich kann darauf laufen. Ja, das sieht ziemlich einfach aus. Aber: Nein, es geht nicht ohne Schmerzen.“ (Bieker, Ellinghaus 1999, S.155) Ein Vergleich mit den Qualen, die Chinesinnen durch die sog. ‚Lotusfüße’ erleiden mussten, drängt sich auf. „...die armen Chinesinnen (haben) ja ihre Füße nicht freiwillig gequält. Ich schon. So was nennt man Passion. Das heißt auf deutsch: Leidenschaft. Leiden schafft. Schuhe schaffen leiden. Und zwar nicht nur die hohen. Auch die neuen. Und die engen. Und die harten. Und die mit Riemchen. Alle eigentlich.“ () Die Frage: „Warum tu ich mir das an?“ beantwortet die Autorin mit einer Gegenfrage: „Gibt es eine Alternative? Ich meine eine wirkliche Alternative, eine, die nicht nach Gesundheitsschuh oder Ökolatsche aussieht?“ Da diese für die Autorin ausscheidet, bleibe nur die Lösung, den Schmerz zu verdrängen. „Ihn als gegeben hinzunehmen. Wer schön sein will, muß schweigen.“ Als Ausweg empfiehlt die Autorin: „...sich wegdenken. (...) Lenken sie sich ab.“ Der Lohn für die Qualen, auf hohen Absätzen zu gehen ist die Aufmerksamkeit, die dieser Gang bei Männern erregt: „Außerdem (...) hatten mir beim Stöckeln jede Menge italienischer Männer nachgeschaut. Auch kein schlechter Grund zum Lachen. Und zum Leiden.“ (Bieker, Ellinghaus 1999, S.115-117)
„Ich finde, dass meine Füße zu meinen besten Körperteilen gehören. Sie sind so klein und schmal und hübsch, wie ich auch sonst gern wäre und es hat mich gefreut, als mein Ex-Freund Leo sagte, dass er es mag, sie in die Hand zu nehmen. Für ihn und mich (...) und alle, die es zu würdigen wissen, verpacke ich sie jeden Morgen in neue Folterwerkzeuge aus Riemchen, Schnällchen und Schleifen und sehe mutig den Blasen, Wunden, Schrunden ins Auge. Und abends, da bade ich sie, schrubbere jeden Ansatz von Hornhaut mit Bimsstein weg und creme sie mit einer speziellen Fußcreme ein, (...). Seit ich mit 32 und großem Entsetzen feststellte, daß meine großen Zehen sich latent nach außen krümmen, trainiere ich außerdem meine Vorderfußgelenke. Soll Hallux valgus (Ballen) verhindern,...“ und dabei denke sie: „Morgen trag’ ich meine neuen Glitzerpumps. Ich kann doch schließlich nicht barfuß gehen.“ (Bieker, Ellinghaus 1999, S.117-118)
Hier geht es nicht nur um den unauflösliche Gegensatz zwischen dem (positiv besetzten) Idealbild hübscher Füße, die klein und schmal sein sollen und den funktionellen Erfordernissen gesunder Füße, sondern um die Misshandlung ‚eines der besten Körperteile’. Der Widerspruch könnte kaum größer sein. Wenn die Folgen einer jahrelangen Misshandlung allmählich sichtbar werden, soll ein spezielles Training der Deformierung entgegenwirken. Die Frage, warum die Schuhform nicht den gegebenen anatomischen Fußbedingungen angepasst wird, bleibt letztlich unbeantwortet. Statt dessen wird der Fuß in eine Form gepresst, wie die Taille im 19. Jahrhundert in ein viel zu enges Korsett. Während das Korsett den Frauen den Atem abschnürte und sie ständig in Ohnmacht fielen, behindert der Schuh die Fortbewegung und ‚Eigenständigkeit’.
6.5 Verbesserung der Figur (Haltung) durch Absätze aus Sicht eines Modepsychologen
Aus der Sicht eines Modepsychologen beschreibt Franz Kiener 1956 die Bedeutung, die der Fuß für die Frau habe. Im Vergleich zum Mann liege ihr weniger das stramme Auftreten und „in ihrer mittelpunktgesammelten Lebensform weniger das Marschieren, aber sie liebt den Gang zum Brunnen und den Tanz. Ihr Schritt ist wiegend und rhythmisch, der Schuh leicht, um die Musik ihres Ganges nicht zu stören. Sie braucht keine allzu solide und vollständige Fußbekleidung, weil sie sich mehr im Hause aufhält.“ (Kiener 1956, S.265-266) Zwei Tendenzen macht der Autor in der weiblichen Fußbekleidung aus. Einerseits das Schmuckbedürfnis, das im Wesen der Frau liege und zum Anderen das Streben, kleinfüßig zu erscheinen. Kleine zarte Füße seien „nicht ohne erotischen Reiz. (...) Nicht allein deswegen strebt die Frau dieses Ideal an. Sie will durch zierliche Füße zugleich ihr feines, blumengleiches und elfenhaftes Wesen ausdrücken und außerdem hilfs- und Schutzbedürftig erscheinen. Das ‚schwache Geschlecht’ möchte auf solche Art andeuten, dass es der Stütze des männlichen Armes bedürfe oder dass es ‚auf Händen getragen werden wolle, so wertvoll und gebrechlich zugleich sei es. Gerade die Füße vermögen das Unselb-ständige und Hin-fällige deutlich vor Augen zu führen.“ (ebd., S.266) Es erscheint mir sehr zweifelhaft, ob junge Frauen, die heute modischen Stöckelschuhe tragen, diese Erklärung für ihre Fußbekleidung noch akzeptieren würden. Trotzdem besteht nach wie vor die Vorstellung, dass auf hohen Absätzen die Haltung von Frauen attraktiver und erotischer sei. Diese allgemein anerkannte Sichtweise, spiegelt sich auch in aktuellen Modezeitschriften und auf Werbeplakaten wieder.
Die ‚Verbesserung der Haltung’ durch hohe Absätze beschreibt Kiener sehr ausführlich und er illustriert seine Wahrnehmung durch zwei Zeichnungen. (Abb. 6-1)
Abbildung 6 46 (Kiener 1956, S.267)
„Hohe Absätze verbessern auch die Figur. Sie machen größer und schlanker, wie Stratz2 dargelegt hat. Wenn nämlich der Körper auf der ganzen Sohle ruht (Fig. 10a), dann nimmt er im aufrechten Stand eine Haltung an, in der er mit der geringstmöglichen Muskelspannung im Gleichgewicht bleibt: dadurch entsteht eine schlaffe Haltung. Die Schultern hängen zurück, der Kopf ist nach vorn abgesunken, der Bauch streckt sich vor, und die Beine sind leicht in den Knien nach vorne durchgebeugt. Stehen aber die Fersen auf hohen Absätzen, (Fig. 10 b), dann wird der Oberkörper über dem hohlen Kreuz gewölbt, die Brust tritt heraus, der Kopf hebt sich etwas an, die Beine strecken sich und der Bauch wird eingezogen, kurz, der Körper nimmt eine straffere Haltung an, welche die Figur der Frau verschiedentlich verbessert. Bei hohen Absätzen sind auch die Beine besser modelliert, die Waden sitzen höher. Sportlerinnen, die meist flache Absätze tragen, zeigen häufig ‚herabgerutschte Waden’. Orthopädisch wird daher heute nicht der flache, sondern der mäßig hohe Absatz empfohlen.“ (Kiener 1956, S.268)
Die ‚Aufrichtung der Brustwirbelsäule’ als positive Wirkung hoher Absätze auf die Haltung wurde auch in schuhtechnischer und orthopädischer Fachliteratur hervorgehoben. (Kraus 1977,1979; Rabl, Nyga 1994) Eine Empfehlung ‚mäßig hohe Absätze’ zu tragen, resultiert daraus jedoch nicht, sondern ein Absatz bis zu 4cm wird lediglich als ‚zivilisatorisch bedingter Kompromiss’ angesehen. Schon 1979 formulierte Kraus ganz klar, dass flache Absätze der ‚normalen Muskel- und Gelenkfunktion’ entsprechen. Auch in aktuellen Orthopädielehrbüchern ist die Empfehlung Kieners nicht mehr zu finden (Debrunner 1998, 2002)
6.6 Orthopädische Aussagen zur Körperhaltung und ihre ästhetische Bewertung
Die ästhetische Beurteilung der Körperhaltung klingt in einem Orthopädielehrbuch von 19683 wesentlich vorsichtiger als bei Kiener (1956). „Eine Haltung ist gut oder schön, wenn sie auf den Beschauer einen guten oder schönen Eindruck macht. Es handelt sich also um ein gefühlsmäßiges Urteil. Zahlen und Messungen können die Haltung nicht beschreiben.“ (Zitiert nach Debrunner 2002, S.811). Auch wenn sich diese Aussage nicht auf die durch hohe Absätze veränderte Körperhaltung bezieht, weist sie darauf hin, wie stark die Wahrnehmung der Haltung durch die gefühlsmäßige Einstellung des Betrachters geprägt ist. Biomechanische Messungen können zwar durch die Darstellung bestimmter Gangparameter ein objektives Bild der veränderten Körperhaltung auf Absatzschuhen liefern, sie geben aber keine Auskunft über die ästhetische Bewertung dieses Bildes.
Schon das Erscheinungsbild einer ‚normalen Haltung’ variiert sehr stark. „Haltung ist die Momentaufnahme einer beweglichen Wirbelsäule.“ (Debunner 2002, 814 Hervorhebung im Original) Erst wenn die Wirbelsäule ganz oder teilweise versteift ist, handelt es sich um eine fixierte, strukturelle Formabweichung. Zur Orientierung unterscheidet A.M Debrunner vereinfachend eine aktive und eine passive (schlaffe) Haltung. Die passive Haltung wird im wesentlichen durch den Bandapparat gewährleistet während bei der aktiven Haltung bestimmte Muskelgruppen eingesetzt werden. Dabei betont er, dass sich die Haltung normalerweise ständig etwas verändert, und zwischen aktiver und passiver Stabilisierung abgewechselt.
Abbildung 6 47 (Kiener 1956 s.....). Abbildung 6 48 (Debrunner 2002, S. 812)
Verbesserte Haltung durch hohen Absatz? a) Passive und b) aktive Haltung
„Bei der passiven Haltung läst sich der Körper ‚in die Bänder fallen’, das Becken kippt nach vorne, der Rumpf wird nach hinten geneigt und sinkt in sich zusammen. Diese Haltung ergibt sich daraus, dass Gelenke und Teilschwerpunkte in eine solche Lage zum Schwerpunktslot gebracht werden, dass eine Stabilisierung durch Bänder allein, mit nur geringer Muskelanstrengung, möglich ist.
Die aktive Haltung ist gekennzeichnet durch eine leichte Aufrichtung des Beckens (Gesäß- und Bauchmuskulatur), eine Abflachung der Lendenlordose, sodann Aufrichtung der Brustkyphose (Rückenmuskulatur) mit Zurücknehmen des Schultergürtels (Schulterblattmuskulatur): ‚Bauch eingezogen, Brust heraus’.“(Debrunner 2002, S.812, Hervorhebungen im Original)
Ein direkter Vergleich der Abbildungen von Kiener und Debrunner zeigen, dass die Unterschiede zwischen einer passiven und einer aktiven, aufrechten Haltung, wie sie auch Kiener beschreibt, keineswegs durch hohe Absätze bedingt sind, sondern dass beide Haltungen auch auf flachen Sohlen eingenommen werden können. Biomechanische Untersuchungen zur kompensatorischen Haltungsänderung von Wirbelsäule und Becken durch hohe Absätzen ergaben bisher keine eindeutigen Ergebnisse. Neben methodischen Problemen, die Winkel der Lendenwirbelsäule und der Beckenneigung zu messen, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Veränderung der Körperstatik durch hohe Absätze unterschiedlich kompensiert werden kann und dass die Anpassung der Haltung altersabhängig ist. (Murray, Kory, Sepic 1970) Von dem ‚Eindruck’ einer ‚schönen oder guten Haltung’ auf hohen Absätzen auf eine gesundheitsfördernde Wirkung der Absätze zu schließen, beruht auf einer verhängnisvollen Fehlinterpretation. Selbst wenn der Absatz einen ‚Zwang zur aufrechten Haltung’ bewirken sollte, hätte dies eine unphysiologische Fehlbelastung der Wirbelsäule zur Folge, die bei Stöckelschuhträgerinnen häufig zu Rückenschmerzen führt. (Lee, Jeong, Freivalds 2001)
Eine positive Wirkung auf die weibliche Körperhaltung, die hohen Absätzen zugeschrieben wird, lässt sich nicht durch positive physiologische Veränderungen des Bewegungsapparates erklären, wie dies immer wieder versucht wird. Es ist daher notwendig, nach anderen Gründen für diese ästhetische Bewertungen zu suchen.
Unbestritten ist der Einfluss psychischer Faktoren auf die Körperhaltung, in der sich auch die aktuelle Stimmungslage eines Menschen ausdrückt. Es besteht eine direkte Wechselwirkung zwischen Körperhaltung und Selbstwertgefühl. Der selbstbewusste, aufrechte Gang’ wird als ‚schön’ und attraktiv empfunden. Während der niedergedrückte Mensch ‚krumm’ geht. Meines Erachtens ist anzunehmen, dass die Vorstellung, auf hohen Absätzen attraktiv zu wirken, den Körper aufrichtet und die Person eine aktive gestreckte Haltung einnimmt. So wäre auch die unterschiedliche Haltung der Wirbelsäule auf hohen Absätzen bei jungen und bei älteren Frauen ein Resultat der unterschiedlichen Wirkung, die das eigene Körperbild und -bewußtsein hervorrufen.
Der in der Fachärztekonferenz von 1977 formulierte „Zwang zur aufrechten Körperhaltung“ der ein „wirklicher Vorteil des hohen Absatzes“ sein soll (Kraus 1977, S. 5/203,) erweist sich als verhängnisvolle Fehlinterpretation einer kulturhistorisch tradierten Anschauung, die bis heute weiterwirkt.
Auch wenn die biomechanischen Messmethoden dank digitaler Medien und Computertechnik inzwischen große Fortschritte gemacht haben, ergaben die Messungen zur Veränderung der Körperhaltung auf hohen Absätzen allerdings durchaus auch widersprüchlich Ergebnisse. (vgl. Abs. 5.3.4)
6.7 Zusammenfassende Bewertung der positiven Aussagen zu typischen Frauenschuhen vor dem Hintergrund biomechanischer Untersuchungsergebnisse
Während biomechanische Messungen pathogene Wirkungen hoher Absätze belegen, ist eine positive Bewertung typischen Frauenschuhen mit hohem Absatz nicht nur bei Laien allgemein üblich. Die dabei angeführten Argumente beziehen sich auf sehr unterschiedliche Begründungsebenen. Fünf unterschiedliche Aspekte lassen sich unterscheiden, die in der Literatur immer wieder auftauchen. Wobei die verschiedenen Ebenen in der Argumentation oft miteinender vermischt werden.
Die positiven Aussagen zu Absatzschuhen beziehen sich auf:
angebliche funktionelle Vorteile
die ästhetische Bewertung eines typisch weiblichen Erscheinungsbildes
das Wesen der Frau
die soziale Rolle der Frau
subjektives Wohlbefinden
Die Ergebnisse aktueller biomechanischer Untersuchungen lassen eine positive Bewertung hoher Absätze für die physiologische Funktion des Bewegungsapparates nicht mehr zu. Es gibt ganz im Gegenteil eine Vielzahl objektiver Belege, die die schädigende Wirkung kurzer, enger Schuhe mit hohem Absatz unzweifelhaft nachweisen. Biomechanische Vorteile werden in aktuellen Untersuchungen nicht bestätigt. Die Passform eines typischen Frauenschuhs ist gesundheitsschädigend und hat eine pathogene Wirkung für den gesamten Bewegungsapparat. Die durch den Absatz veränderte funktionelle Ausrichtung der anatomischen Struktur führt zu Fehlbelastungen von Gelenken, Bandapparat und Muskulatur. Fußdeformitäten, Kniearthrosen und Rückenbeschwerden sind u.a. die pathogenen Folgen. Die Behauptung, typische Frauenschuhe haben eine ‚funktionelle Ausgleichsfunktion’ (Tietze 1999) lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Die Empfehlung, gesundheitsschädliche Schuhe möglichst nur für kurze Zeit zu tragen, um den Schaden zu begrenzen, wird als zivilisatorisch bedingter Kompromiss angesehen, zu dem es anscheinend keine Alternative gibt?
Das Argument, der Absatz verstärke das ‚Typische der weiblichen Erscheinungsform’, geht von einem kulturhistorisch geprägten Weiblichkeitsbild aus, das in den westlichen Industrieländern entstand. Hier wird ein vorhandenes Körperideal zur ‚typisch weiblichen Form’ ernannt. Das besagt nur so viel, dass das was jetzt als typisch weiblich gilt, dem typisch weiblichen entspricht. Es ist eine bekannte Tatsache, dass zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen das typisch weibliche Körperbild nicht dem gegenwärtigen Idealbild einer Frau auf Stöckelschuhen entspricht.
Wie stark das weibliche Körperbild in unserer Gegenwart mit dem Absatzschuh verschmolzen ist, zeigen die starken Frauenbilder der Künstlerin Elvira Bach. (Abb.6-4)
Abbildung 6 49 (Einladung, Galerie Mönch, Bremen 2001)
7. Soziokulturelle Bedeutung der weiblichen Fußbekleidung
In diesem Abschnitt gehe ich der Frage nach, welche soziokulturelle Bedeutung der typischen Frauenschuh hat und wie individuelles und kollektives Gesundheitsverhalten von Frauen dadurch beeinflusst wird.
7.1 Fußbekleidung und Bewegung als Elemente einer geschlechtsspezifischen somatischen Kultur
Während der medizinisch-naturwissenschaftliche Blickwinkel körperliches Verhalten durch Beobachtungen und ‚objektive’ Messungen in Funktionsanalysen zu erfassen sucht, wird in der soziologischen Perspektive „die gesellschaftliche Dimension körperlicher Verhaltensweisen“ (Boltanski 1976, S.138) untersucht und beschieben. Für diese geschichtliche und soziale Dimension des Körperverhaltens hat Luc Boltanski den Begriff ‚somatische Kultur’ geprägt. Boltanski beschreibt einen schichtspezifischen soziokulturell geprägten Umgang mit dem Körper, der auch die Art zu gehen und sich zu kleiden einschließt.
„Derartige ‚Anstandsregeln’, die die konforme Art definieren, die alltäglichen Handlungen auszuführen, zu gehen, sich anzukleiden, sich zu ernähren, sich zu waschen, sich zu schminken und für einige, zu arbeiten, die korrekte Art, in der physische Interaktionen mit anderen abzulaufen haben, die Distanz zu einem Partner, die man aufrechtzuerhalten hat, die Art, in der man ihn anzusehen, zu berühren hat, die Gesten, die auszuführen in seiner Gegenwart angemessen ist und zwar abhängig von seinem Geschlecht, seinem Alter, davon ob er ein Verwandter, ein Freund, ein Fremder ist, ob er derselben Sozialschicht angehört oder nicht, von Ort und Tageszeit, schließlich, und vielleicht in besonderem Maß, die korrekte Art, von seinem Körper zu reden, von seinem äußeren Anblick und von den physischen Empfindungen, setzen sich nie explizit und systematisch oder in Form von konkreten, formalen Befehlen durch, sondern artikulieren sich verbal nur negativ und indirekt durch das Zurückrufen zur Ordnung, durch Spott, Herablassung, Geringschätzung, Verachtung oder moralische Indignation. All diese Regeln bilden einen Kodex der guten Sitten für den Umgang mit dem Körper, der tief verinnerlicht und allen Mitgliedern einer bestimmten sozialen Gruppe gemeinsam ist. Da ein solcher weitgehend unbewusster Kodex sich, wie die linguistischen Codes, nur über seine Produkte ausdrücket, d.h. im Verhalten derer, deren Verhalten er regelt, kann man ihn nur fassen durch Beobachtung, Analyse und Vergleich des Körperverhaltens von Mitgliedern der verschiedenen sozialen Gruppen...“ (Boltanski 1976, S.154-155, Hervorhebung im Original)
Dieser ‚Codex der guten Sitten’, enthält nicht nur schichtspezifische, sondern auch geschlechtsspezifische Regeln für angemessenes körperliches Verhalten von Männer und Frauen. „Die Wahrnehmung des Körpers und der Umgang mit ihm sind Bestandteil der Entstehung spezifischer, nach Geschlecht unterscheidbarer somatischer Kulturen und eng an die Ausgestaltung uns heute vertrauter Formen von Männlichkeit und Weiblichkeit gebunden.“ (Stein-Hilbers 1995, S. 62; vgl. Helfferich 1994, S 57 und Kolip 1997) Der Frauenschuh als geschlechtsspezifisches Kleidungsstück ist ein Element dieser somatischen Kulturen und prägt die alltäglichen Interaktionen zwischen den Geschlechtern.
"Das Alltagshandeln von Männern und Frauen verdeutlicht in übergenauer Weise, wie sehr diese somatischen Kulturen geschlechtsspezifisch gestaltet sind. Männer und Frauen gehen und sitzen anders, sie unterscheiden sich in ihrer Kleidung, ihrer Art, sich zu schminken, einander oder Mitglieder des anderen Geschlechts zu begrüßen, physisch und akustisch Raum für sich zu beanspruchen, mit anderen zu kommunizieren, sich in öffentlichen Räumen zu bewegen etc. Ihre alltäglichen Interaktionen werden durch geschlechts-spezifische Erwartungen bestimmt, die sich Männer und Frauen kulturell angeeignet haben und die ihre jeweiligen Interaktionskulturen bestimmen.“ (Stein-Hilbers 1995, S.65, vgl. Wex 1979)
Die geschlechtsspezifisch differenzierten, kollektiven Stile im Umgang mit dem Körper beeinflussen auch individuelles Gesundheitsverhalten. „Die Entscheidung darüber, welche Verhaltensweise als gesundheitsförderlich betrachtet und in Handlungen umgesetzt werden, wird überlagert von Vorstellungen über männliches und weibliches Verhalten.“(Kolip 1997, S.75)
Als Element einer geschlechtsspezifischen somatischen Kultur vermittelt der ‚typische Frauenschuh’ ein kulturhistorisch geprägtes Bild vom weiblichen Körper und erzwingt eine als spezifisch weiblich geltende Körperhaltung. Gleichzeitig bewirkt er eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die der Frauenrolle des 19. Jahrhunderts entspricht. (vgl. Abs.7.5) Einem verinnerlichten, unbewussten Code folgend, prägt der ‚typische Frauenschuh’ individuelles Körperverhalten von Frauen, das einem kulturhistorisch definierten kollektiven Stil des Umgangs mit dem weiblichen Körper entspricht. (vgl. Abb. 2-1) Als geschlechtsspezifisches Kleidungsstück ist der typische Frauenschuh ein sichtbares Zeichen der Geschlechtszugehörigkeit. Abbildung 3-1 zeigt den bekannten Fotografen Helmut Newton. Auf dem Foto, das seine Frau, die Fotografin Alice Springs 1987 aufgenommen hat, inszeniert Newton sich als irritierendes Vexierbild, bei dem der Blick zwischen der Wahrnehmung einer weiblichen und einer männlichen Figur hin und herspringt, da sie ja nicht beides gleichzeitig sein kann!
Abbildung 7 50 (Honnef u.a. [Hrsg.] 1993, S.131)
7.2 Der Frauenschuh in der interaktiven Konstruktion von Geschlechtlichkeit
7.2.1 Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht
In der Debatte um die Geschlechtsunterschiede wird seit Ende der 60iger Jahre, auch unter dem Einfluss der Frauenbewegung, zwischen ‚biologischem’ und ‚sozialem’ Geschlecht unterschieden. Während das biologische Geschlecht (sex) sich auf unterscheidbare (angeborene) körperliche Merkmale bezieht, wird das ‚soziale Geschlecht’ (gender) interaktiv nach vorhandenen kulturhistorischen Mustern gelernt, gestaltet und dargestellt. Die soziokulturell geformten Geschlechtsmerkmale oder -indizien gelten als ‚typisch weibliche oder männliche’ Eigenschaften und Verhaltensweisen. Sie sind Teil einer geschlechtsspezifischen ‚somatischen Kultur’. „Die Differenzierung von biologischem und sozialem Geschlecht verweist darauf, dass das Geschlecht zugleich eine soziale Kategorie ist, die an der unterschiedlichen Anatomie festgemacht wird. (Bilden 1991) Es gibt zwar biologische Differenzen zwischen den Geschlechtern, aber diese erlangen erst in einem bestimmten soziokulturellen Kontext – dem zweigeschlechtlichen System – an Bedeutung.“ (Kolip 1997, S. 61, Hervorhebung im Original)
Die geschlechtsspezifische Differenzierung der Schuhe kann sich nicht auf die unterschiedliche Ausprägung eines biologischen Merkmals berufen. Zwischen weiblichem und männlichem Skelettsystem und Körperbau gibt es zwar spezifische Unterschiede; anatomischer Aufbau und physiologische Funktion der Füße von Frauen und Männern unterscheiden sich jedoch nicht grundsätzlich4 (vgl. Kap. 3.). Die ‚weibliche’ Fußbekleidung bezieht ihre geschlechtsspezifische Bedeutung ausschließlich als Attribut eines geschlechtstypischen Erscheinungsbildes und Lebensstils. Der Schuh bestimmt Gang und Bewegungsmuster von Frauen in einer Weise, die als ‚typisch weiblich’ gelten. (vgl. Abs. 5.3.5) Damit ist der typische Frauenschuh an der Konstruktion des ‚sozialen Geschlechts’ beteiligt und seine Bedeutung geht weit über eine rein physische Beeinträchtigung hinaus. In der weiblichen Fußbekleidung werden auch Aspekte des aktuellen Geschlechterverhältnisses ausgedrückt und sichtbar.
„Die Unterscheidung der Geschlechter bildet ein grundlegendes soziokulturelles Merkmal unserer Gesellschaft. Das soziale Geschlecht ist eng verwoben mit den politischen und ökonomischen Strukturen. Es beeinflusst die individuellen Chancen und den Status in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen wie Erziehung, Erwerbsarbeit, Familie, Sexualität, Recht, Religion, Politik und Ökonomie. (...) Das Geschlecht ist Merkmal der sozialen Realität und strukturiert wesentliche Teile der Persönlichkeitsentwicklung. Es bestimmt soziale Interaktionen und menschliches Zusammenleben. (...) Die meisten Gesellschaften sind wie unsere tiefgreifend von einem symbolischen System der Zweigeschlechtlichkeit geprägt, das gesellschaftliche Strukturen und individuelle Handlungsspielräume, Kognitionen, Einstellungen, Verhaltensweisen und –möglichkeiten bestimmt.“. (Kolip 1997, S. 53)
Zweigeschlechtlichkeit ist in unserer Gesellschaft „ein weithin akzeptiertes Ordnungssystem, das alle individuellen und gesellschaftlichen Bereiche durchdringt (...). Es ist eng verknüpft mit dem Prinzip der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung und damit mit der ökonomischen Machtstruktur der Gesellschaft.“ (Kolip 1997, S.55) Die inhaltliche Ausstattung der Kategorien männlich/weiblich variiert allerdings kulturspezifisch und unterliegt kulturhistorischen Veränderungen. Was als typisch weiblich oder männlich gilt unterscheidet sich in verschiedenen Gesellschaften und historischen Epochen. Dennoch besteht innerhalb eines sozialen Systems Konsens über die Inhalte der einen oder anderen Kategorie. (Kolip 1997, S.55) Bis zum Alter von 6 Jahren haben Kinder sich das Symbolsystem der Zweigeschlechtlichkeit angeeignet und gelernt sich selbst und andere Personen als weiblich oder männlich einzuordnen. Geschlechtstypisches Verhalten wird dabei interaktiv nach vorhandenen Vorbildern und Stereotypen imitiert und von der Umwelt bestätigt. Geschlechtstypische Unterscheidungsmerkmale sind vor allem auch die Kleidung und Frisuren. (ebd., S. 58-60) Die Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht weist darauf hin, dass sich Männer und Frauen zwar biologisch unterscheiden, das Geschlecht aber als ‚soziale Kategorie’ einem Prozess unterliegt, der prinzipiell veränderbar ist.
Mit der Übernahme des symbolischen Systems der Zweigeschlechtlichkeit, das auch geschlechtstypische Bewegungskulturen beinhaltet, hat sich bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr ihre Geschlechtsidentität herausgebildet, aus sozialisationstheoretischer Perspektive wurde die Geschlechtsrolle übernommen. Während der Begriff der Geschlechts-Identität von einer einmaligen, unverwechselbaren Person ausgeht, deren Geschlecht unveränderbar ist (Transsexuelle haben in diesem Sinn eine gestörte Geschlechtsidentität), geht der Geschlechtsrollenansatz davon aus, dass die zu übernehmenden Geschlechtsrollenstereotypen inhaltlich veränderbar sind. (Kolip 1997, S.121) Das neu eingeführte psychologische Konstrukt des Geschlechtskonzepts, bezeichnet den Teil des Selbstkonzepts, „der sich auf die Wahrnehmung und Definition von sich selbst als geschlechtlicher Person bezieht.“ (ebd. S.123) Diese Aspekte des Selbstkonzepts erlangen zwar in den ersten Lebensjahren eine gewisse Stabilität, die Geschlechtlichkeit und ihre kulturelle Bedeutung sind aber darauf angewiesen, in der Interaktion mit anderen bestätigt und ausgebaut zu werden. „Die –reale oder antizipierte- Rückmeldung der sozialen Umwelt ist hierbei elementarer Bestandteil der Konstruktion von Geschlechtlichkeit.“ (Kolip 1997, S. 123)
7.2.2 Fußbekleidung als Mittel zur Darstellung der Geschlechtszugehörigkeit
Auf die zentrale Rolle des Körpers bei der Konstruktion des sozialen Geschlechts weist Helga Bilden (1991) mit Bezug auf Baur(1988) und Hirschauer(1989) hin. „Geschlechtszugehörigkeit muß verkörpert, d.h. in körperlichen Zeichen und Darstellungen symbolisiert werden.“ (Bilden 1991, S.284) In Untersuchungen über die Erfahrungen Transsexueller weist Hirschauer (1989) nach, dass kulturelle Objekte, wie Kleidung, Frisuren, Gesten und Körperhaltungen, Namen, Berufe, Fähigkeiten, Eigenschaften u.a. mit einer geschlechtsspezifischen Bedeutung versehen werden, um die Geschlechts-zugehörigkeit darzustellen. Transsexuelle und ihre Kommunikationspartner erleben im Prozess der Geschlechtsumwandlung, dass in einem alltäglichen geschlechtsspezifischen ‚Zeichensystems’, die Geschlechterdifferenz nicht nur dargestellt, sondern interaktiv hergestellt wird. Hirschauer weist auf die ‚Bildförmigkeit’ sozialer Wirklichkeit hin, und meint damit „körperliche Anschauungsbilder der Alltagswirklichkeit, in die Teilnehmer nicht nur mental, sondern sinnlich und praktisch involviert sind.“ In sozialen Situationen „reproduzieren und modifizieren Teilnehmer die Bedeutung kultureller Objekte mit Hilfe eines ‚Bildermediums’ (...), das selbst durch Darstellung (und ihre Entzifferung) ständig erneuert wird. Bei Geschlechtsdarstellungen sind diese kulturellen Ressourcen zum Teil auf historisch sedimentierte, aber auch in stetem Wandel befindliche ‚männliche’ und ‚weibliche’ Repertoires verteilt. Sie bestehen aus sexuierten Darstellungselementen, die ein Betrachter z.T. als Geschlechtsmerkmal oder – indiz, aber auch als ‚gehöriges Verhalten’ erkennen kann.“ (Hirschauer 1989, S.104, Hervorhebungen im Original) Hirschauer vertritt die These, dass der ‚natürliche Unterschied’ zwischen den Geschlechtern auf einer ‚kulturell konstruierten Zeichenrealität’ beruhe. Dabei sei der Körper nicht die Basis, sondern der Effekt sozialer Prozesse. (ebd., S.101, Hervorhebung im Original)
In der interaktiven Geschlechtskonstruktion wird eine Geschlechtsbedeutung nicht nur Personen, sondern vielen kulturellen Objekten zugeschrieben. Hirschauer schlägt vor, die Zuschreibung von Geschlechtsattributen als ‚Sexuierung’ zu bezeichnen. „Sie kann neben Personen und ihren Körpern auch Kleidungsstücke, Frisuren, bestimmte Gesten und Körperhaltungen, Tätigkeiten und Örtlichkeiten, Namen, Pronomina - und im grammatikalischen Genus - beliebige Wörter erfassen.“ (Hirschauer 1989, S.103) Dabei können anders als Personen, Kleidungstücke ihr Geschlecht historisch verlieren.
Am Beispiel des Frauenschuhs lässt sich nachvollziehen, wie ein Körperteil ohne geschlechtsspezifische Ausprägung zum geschlechtstypischen Körper-Merkmal wurde. Der ‚weibliche’ Fuß wird nicht mit seiner anatomischen Form identifiziert, sondern mit einer kulturhistorisch geprägten Schuhform. Im Prozess der Geschlechtsattribution stellt der typische Frauenschuh nicht nur ein sexuiertes Merkmal der Geschlechtszugehörigkeit dar, sondern in seiner Wirkung auf den Körper ist er an der Konstruktion eines vermeintlich ‚natürlichen’ Unterschiedes zwischen den Geschlechtern beteiligt.
7.2.3 Geschlechtsspezifische Körpersozialisation und Bewegungsverhalten
Die ‚Verkörperung’ von Weiblichkeit und Männlichkeit geschieht in einem lebenslangen Sozialisationsprozess5, in den Individuen nicht nur als passive Objekte eingebunden sind, sondern den sie aktiv mitgestalten. (Bilden 1991, S.284) „Körpersozialisation beschreibt jenen Teilaspekt der Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt, der sich auf das Erlernen des gesellschaftlich adäquaten Umgangs mit dem Körper und auf körpervermittelte Sozialisationsprozesse bezieht.“ (Kolip 1997, S. 110) Aus psychologischer Sicht mündet die Körpersozialisation in geschlechtsspezifische Körperkonzepte6. In einem Literaturüberblick beschreibt Jürgen Baur (1988) diesen lebenslangen geschlechtsspezifischen Lernprozess. Danach beginnt die geschlechtsspezifische Körpersozialisation, in der sich die individuelle Lebensgeschichte verkörpere, schon mit der Geburt. Baur beschreibt wie geschlechtstypische Körperkarrieren, „im Kindes- und Jugendalter über geschlechtsdifferente Lebensverhältnisse sozial eingespurt werden.“ (Baur 1988, S. 152)
„Bereits von Geburt an wird in der elterlichen Wahrnehmung zwischen Jungen und Mädchen differenziert; die ersteren werden eher als stark, munter und gut koordiniert, die letzteren dagegen eher als schwach, zart und feingliedrig wahrgenommen – und zwar auch dann, wenn sich die Kinder in Größe, Gewicht und Reflexbereitschaft nicht unterscheiden. (...) In Übereinstimmung damit sind die Eltern-Kind-Interaktionen je nach Geschlecht des Kindes unterschiedlich. In den ersten 3-6 Lebensmonaten scheinen Jungen häufiger taktil und kinästhetisch (durch Anfassen, Streicheln, Aufnehmen und Wiegen) stimuliert zu werden, während in den Interaktionsspielen mit Mädchen öfter Vokalisieren, Sprechen und Anschauen/Anlächeln vorkommt.“ (Baur 1988, S.155)
In der geschlechtsspezifischen Körpersozialisation werden von den Eltern geschlechtstypische Bewegungskulturen vermittelt, die Jungen dazu ermuntern, „sich ihre soziale Umwelt räumlich und taktil anzueignen, während Mädchen eher im sozialen Nahbereich gehalten werden.“ (Kolip 1997, S.112) Dementsprechend beteiligen sich Jungen häufiger an bewegungsakzentuierten Spielen und Tätigkeiten, die draußen stattfinden, während Mädchen offenbar ‚ruhigere’ Betätigungen im Haus, wie Handarbeiten, Mit-Puppen-Spielen, Malen und Zeichnen bevorzugen. Bei sportlichen Aktivitäten im Alter zwischen 12 und 14 Jahren ziehen Mädchen eher ‚ästhetisch-gesundheitliche’ Bewegungen mit gemäßigtem Körpereinsatz vor, wie Reiten, Schwimmen, Gymnastik, Tanzen. (Baur 1988, S.157) Entsprechend der soziokulturellen Typisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit führt die geschlechtsspezifische Körpersozialisation bei Erwachsenen zu unterschiedlichen Erwartungen an ihren Körper.
„Für Männer (gilt) ein instrumenteller Umgang mit ihrem Körper als typisch; er soll, in guter Verfassung, verfügbar und für die ihm gestellten Lebensaufgaben ‚einsatzfähig’ sein. Frauen dagegen, so wird angenommen, leben eher ‚mit’ ihrem Körper, zu dem sie ein sensibleres Verhältnis haben, der für sie eher ein Medium sozialer Attraktivität darstellt und dem sie deshalb mehr Aufmerksamkeit in gesundheitlicher, hygienischer und ästhetischer Hinsicht widmen.“ (Baur 1988, S.154)
Diese Aussagen enthalten einen bemerkenswerten Widerspruch, während Frauen einerseits mehr auf das körperliche Aussehen achten und ihren Körper als ‚Medium sozialer Attraktivität’ für eine äußere Wirkung einsetzen, wird ihnen andererseits eine höheren Sensibilität für innere Körperprozesse zugesprochen. Diese Diskrepanz zeigt sich schon bei Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren, die „innere Körperprozesse sensibler wahrnehmen und sich leichter und differenzierter zu ihrer körperbezogenen Befindlichkeit äußern können.“ (Kolip 1999, S.111) Gleichzeitig betonen Mädchen aber mehr das Körperäußere, sie achten mehr auf Körperpflege und Aussehen und sie berichten häufiger von Figurproblemen, während Jungen einen größeren Wert auf Sportlichkeit und Fitness legen. In Übereinstimmung mit dem geschlechtstypischen Bewegungsverhalten, scheint Männern körperliche Aktivität und Funktion wichtiger zu sein, während für Frauen die optische Wirkung des Körpers auf andere eine größere Bedeutung hat. Dieses ‚gute Aussehen’ wird sowohl „über Kleidung und Mode als auch über die Erfüllung körper- und figurbezogener Normen“ vermittelt. (Kolpi 1997, S.98) Es orientiert sich am jeweils geltenden weiblichen Schönheitsideal und unterliegt einem gesellschaftlichen und historischen Wandel. In der aktuellen Frauen- und Gesundheitsforschung wird allerdings hervorgehoben, „dass Frauen und Mädchen nicht passiv einem Schönheitsideal unterworfen werden, vielmehr gestalten sie dieses aktiv mit.“ (ebd.)
Das aktuelle Schönheitsideal hat für das Selbstwertgefühl von Mädchen und Frauen eine große Bedeutung, denn Wertschätzung und Anerkennung von außen sind für sie stark mit körperlicher Attraktivität verknüpft. „Mädchen werden schon früh nach Kriterien von Schönheit und Attraktivität beurteil, die auch die Gestaltung ihrer körperlichen Ausdrucksformen und ihres ‚niedlichen’ Aussehens beeinflussen.“(Stein-Hilbers 1995, S.72) Mädchen lernen vor allem darüber Anerkennung zu bekommen, dass sie gut aussehen und wenigstens annäherungsweise dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Dabei ist wichtig, dass ihre Schönheit besonders auch von Jungen und Männern anerkannt wird. „Wahrend für Jungen Männlichkeit über eigene Fähigkeiten und Leistungen definiert wird, findet Weiblichkeit ihre Bestätigung erst durch die männliche Anerkennung (...): Im männlichen Blick spiegelt sich ihre Attraktivität.“ (Kolip 1997, S.99)
7.2.4 Sexualisierung des weiblichen Körpers
Schönheit ist für Frauen immer auch mit sexueller Attraktivität verbunden. In der Pubertät führt die sexuelle (physische und psychische) Entwicklung zu einer veränderten Wahrnehmung des eigenen Körpers und zu veränderten Reaktionen der sozialen Umwelt. „Generell tritt vor allem für Mädchen das ein, was begrifflich als Sexualisierung des Körpers zu fassen ist.“ (Stein-Hilbers 1995, S.72) Spätestens jetzt müssen sie sich damit auseinandersetzen, dass ihr Körper ‚mit sexuellen Botschaften aufgeladen’ wird. Fremd- und Selbsteinschätzung hängen nun wesentlich von der ‚sexuellen Attraktivität’ des Körpers für den männlichen Blick ab. „Dabei werden nicht nur die sekundären Geschlechtsmerkmale sexuell aufgeladen, sondern die Sexualisierung lässt sich auch an anderen Körperteilen, z.B. Haaren, Bauch oder Beinen festmachen.“ (Kolip 1997, S.101)
Die Erfahrung, dass der eigene Körper begehrenswert und verführerisch ist, kann sehr unterschiedlich und widersprüchlich erlebt werden. „In der Adoleszenz wird der Körper erstmalig als sexuelles Ausdrucksmittel wahrgenommen“ und seine Wirkung in der gegengeschlechtlichen Kontaktaufnahme erprobt. Dabei wird ein „als geschlechtstypisch erachteter Körperausdruck“ eingesetzt um Aufmerksamkeit zu erregen. (Kolip 1997, S.90) Gemeinsame Körper-inszenierungen wie Schminken, Frisuren und Kleidungsstile dienen bei Mädchen auch dazu, sich mit dem eigenen Geschlecht vertraut zu machen. Neben dieser bewussten Stilisierung des Körpers berichten Mädchen aber auch über die Erfahrung, „dass ihr Körper mit sexuellen Botschaften aufgeladen wird, bevor sie ein eigenes akzeptiertes Verhältnis zum Körper haben finden können.“ (ebd, S.102)
Nicht nur auf Werbeplakaten und in einschlägigen Zeitschriften ist unübersehbar, dass „mit der Sexualisierung weiblicher Körper immer eine gewisse Verfügbarkeit einhergeht.“ (Kolip 1997, S.102) Gleichzeitig drücken weibliche Posen der sexuellen Dominanz aber auch erotische Machtphantasien aus. (vgl. Steele, 1998) In einer Welt, in der scheinbar alles herstellbar und käuflich ist, erfahren Mädchen und Jungen, dass (zunehmend nicht nur) der weibliche Körper als verfügbares Objekt erlebt, aber auch bewusst eingesetzt werden kann. „Die bewusste Gestaltung und Stilisierung des Körpers durch Bewegungen, Schminken etc. spielt vor allem für Mädchen in der Pubertät eine zentrale Rolle. Der Körper wird einerseits als Sexualobjekt erlebt und andererseits instrumentell eingesetzt, er sichert die Wertschätzung anderer. Der Körper wird zum ‚Kapital’, um dessen Attraktivität man ständig bemüht sein muß.“(Stein-Hilbers 1994, S.94 und 1995, S. 73)
Der typische Frauenschuh hat für die Sexualisierung des weiblichen Körpers eine große Bedeutung. In der Werbung wird besonders der ‚Stöckelschuh’ als optisches Signal eingesetzt um Aufmerksamkeit zu erregen. Das weibliche Bein, der Fuß, der Schuh und der weibliche Gang gelten nicht erst seit Erfindung des typischen Frauenschuhs im 19. Jahrhundert als sexuell aufreizend und verführerisch. Bemerkenswert erscheint mir dabei nicht, dass dies so ist, denn „Geschlechtszugehörigkeit muss ‚verkörpert’, d.h. in körperlichen Zeichen und Darstellungen symbolisiert (und kommuniziert) werden.“ (Bilden 1991, S.284) Entscheidend ist jedoch die Frage, warum in unserer Kultur der körperliche Ausdruck der Geschlechtszugehörigkeit für Frauen im Gegensatz zu der von Männern mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen verbunden ist? Eine umfassende Antwort auf diese Frage kann in dieser Arbeit sicher nicht gegeben werden. Eine Blick auf die historische Entwicklung und die soziokulturelle Bedeutung weiblicher Fußbekleidung liefert aber einige wertvolle Hinweise.
7.3 Symbolische Bedeutung weiblicher Füße und Schuhe
Das weibliche Bein mit ‚Stöckelschuh’ gilt als ein Zeichen erotischer Attraktivität, entsprechende Abbildungen in Werbung und Modezeitschriften sind allgegenwärtig. (Abb. 7-2)
Abbildung 7 51 (Werbung für ‚After Business Party’ 2004)
Für die Kuratorin am ‚Fashion Institute of Technology’ in New York, Valerie Steele, sind Stöckelschuhe „das wichtigste modische Weiblichkeitssymbol, ...(sie) werden mit Sex, Status, Weiblichkeit und Modebewusstsein assoziiert. (...) ‚In Stöckelschuhen kann eine Frau gar nicht anders als sexy sein’,“ zitiert Steele einen Modedesigner. (Steele 1999, S. 16) In ihrem reich bebilderten Buch mit dem Titel ‚Schuhe’ gehe es ihr nicht nur um die Widerspiegelung aktueller Schuhmodelle, vielmehr befasse sie sich darin mit der „gesellschaftlichen und psychologische Bedeutung verschiedener Schuhmodelle“. (ebd., S.10) Die sexuelle Attraktivität von Stöckelschuhen erklärt Steele allerdings mit anatomisch-funktionellen Veränderungen der Körperhaltung und assoziierten sexualbiologischen Deutungen.
„Daß Stöckelschuhe als sexy gelten, liegt nicht zuletzt daran, dass sie eine aufgerichtete Stellung der Ferse und damit ein gedehntes Bein bewirken. Der Fußspann wird radikal gewölbt – wie bei einer Ballettänzerin, die auf Spitzen tanzt. Der ganze Unterkörper gerät derart in eine Art Spannung, die an den Zustand im Zuge sexueller Erregung erinnert. Indem das Becken geneigt wird, wölbt sich die untere Rückenpartie. Die Brüste fallen nach vorn, der Po wird herausgestreckt. (...) Eine Frau, die Schuhe mit hohen Absätzen trägt, balanciert auf schmalen Stelzen und bewegt sich mit schwingenden Hüften in einer leicht übertrieben wirkenden Art und Weise.“ (Seele 1999, S.18)
Diese Beschreibung und Bewertung der körperlichen Veränderungen durch Absatzschuhe entspricht einer allgemein üblichen Anschauung. Die anatomischen und biomechanisch messbaren Wirkungen hoher Absätze auf die Körperhaltung wird in Kapitel 5 ausführlich diskutiert. (vgl. auch Abs. 6) Die sexualwissenschaftliche Frage, ob die Haltung auf Stöckelschuhen tatsächlich einer Geste weiblicher sexueller Erregung entspricht, geht über den Rahmen dieser Arbeit weit hinaus. Die (oben beschriebene) Logik der ‚interaktiven Konstruktion von Geschlechtlichkeit’ wird aber durchaus bestätigt, wenn die Bewegungen eines sexuierten Körperteils, das der Darstellung des weiblichen Geschlechts dient, sexuelle Vorstellungen erregt.
Auch lösgelöst vom Körper stellt Steele Schuhe als Objekte der Lust und Begierde vor. „Schuhe seien besser als Sex,“ zitiert sie eine Karikaturistin: „Schuhe sind Symbole entkörperlichter Lust. Sie sind Bonbons für die Augen, Poesie für die Füße...Sie stehen für alles, was man sich wünschen kann.“ (Steele, 1999, S.8)
Das Schuhen selbst eine erotische Wirkung zugeschrieben wird ist keine Erfindung zeitgenössischer Schuhdesigner oder Fetischisten (vgl. Steele 1998). „Fuss- und Schuh-Symbolik und –Erotik beschrieb ein Mediziner unter dem Pseudonym ‚Dr. Aigremont’ 1909 in seiner „Folkloristischen und sexualwissenschaftlichen Untersuchung“. In einer volkskundlichen Abhandlung zeigte er an zahlreichen Beispielen, welche Vorstellungen sich in Mythologie und Volksglauben mit dem Fuß und Schuh verbinden. Dabei unterscheidet er folgende Aspekte der Fußsymbolik, die auch auf den Schuh übertragen werden:
Der Fuß ist „Sinnbild für das Schreiten, Gehen, glückliche Wandern, Pilgern, Heimkehren“ und schließlich für den Lebensweg und das Leben selbst.
Er ist ein Symbol für Herrschaft, Macht und Recht; der Fußkuss eine Geste der Unterwürfigkeit.
In „uralte Zeiten“ zurück reiche die „Fußsymbolik des Segens, der Fruchtbarkeit, besonders der weiblichen Fruchtbarkeit.“(...) „Der großen lebensspendenden, gebärenden Erde sichtbares kleineres Abbild ist das Weib. In der Antike wurden heilige Fußspuren der Fruchtbarkeitsgöttinnen verehrt. (Aigremont 1909, S. 9, Hervorhebung im Original)
Im Patriarchat veränderte sich die geschlechtliche Symbolik von Füßen und Schuhen, in denen sich jetzt eher der männliche Zeugungsakt widerspiegelte.
„Den Zeiten des Matriarchats und der Gynäkokratie, jenen Zeiten des Mutterrechts, mögen Fuß wie Schuh als Symbole mütterlicher Fruchtbarkeit angehören. Der spätere Phallus-Kult des Patriarchats, des Vaterrechts, hat ihre Spuren so ziemlich verwischt.“ (ebd., S.42) An alten deutschen Volksbräuchen, Volksrätseln, Sprichwörtern, Redewendungen und obszönen Liedern zeigt Aigremont, dass die Bedeutung von Fuß und Schuh als Sinnbilder für das weibliche Geschlechtsteil, einer sehr alten Vorstellung entspricht. Als Symbole der geschlechtlichen Fruchtbarkeit werden weiblicher Fuß, Bein und Schuh jetzt direkt mit den primären Geschlechtsorganen (Vagina/Vulva und Penis) und dem Geschlechtsakt assoziiert. (Ebd. S.46-47)
Das ‚Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens’ (1934/1935) bestätigt diese Geschlechtsbedeutung weiblicher Füße und Schuhe. Im deutschen Volksglauben werde der Schuh „geradezu zum Sinnbild des weiblichen Geschlechtsteils und zum weiblichen Geschlechtszeichen, während der Fuß, mit dem man in das Loch des Schuhes fährt, das männliche Glied versinnbildlicht.“ (Bächtold-Stäubli [Hrsg.] 1935/1936, S. 1293)
Abbildung 7 52 Keramik Ludmilla Schalthoff (Eigenes Foto)
In den zeitgenössischen Schuhobjekten der niedersächsischen Künstlerin Ludmilla Schalthoff kommt diese sexuelle Doppeldeutigkeit weiblicher Füße und Schuhe plastisch zum Ausdruck. Die Aufschrift auf dem abgebildeten Schuhobjekt „Bartflechte für Mannesrechte“ (Abb. 7-3) weist auf die patriarchalische Geschlechterordnung hin, die Schuhspitze ist wie ein blutiges Tiermaul geformt, aus dem eine phallisch nach oben gebogene Zunge herausragt.
Abbildung 7 53 Keramik Ludmilla Schalthoff (Eigenes Foto)
Abbildung 7-4 zeigt den Schuh als sexuelles Zwitterwesen, bei dem die Kappe von einem männlichen Geschlechtsteil gebildet wird, während die Innensohle vom hohen Blockabsatz her, in Form einer Zunge ausgebildet ist. 7
Die archetypisch anmutenden Frauenbilder und Skulpturen der international bekannten Künstlerin Elvira Bach drücken eine starke, lebendige und glühende Geschlechtlichkeit aus. Auf den Bildern fällt auf, dass ihre starken Frauenfiguren fast immer auf hohen Absätzen stehen, wobei der Eindruck entsteht, als seien die Füße in Form der Schuhe ein Teil des Frauenkörpers. Die immer gleiche seitliche Silhouette von Schuh/Fuß und Bein wirkt dabei wie ein kulturelles Zeichen unserer Gegenwartskultur, das in den Körper eingeschrieben ist. (Abb. 7-5)
Abbildung 7 54 (Elvira Bach, ‘Untitled’ Picturebook 1998, S.37)
Der beschuhte Fuß an Elvira Bachs kräftigen Frauenkörpern entspricht, trotz der optischen Verkürzung durch den hohen Absatz, so gar nicht dem Ideal des kleinen zierlichen Frauenfußes, wie es in dem bekannten Aschenputtel-Märchen vorkommt. (Abb. 7-6) Besonders der kleine Fuß gilt bei Frauen in unsere Kultur als ein Zeichen erotischer Attraktivität. Der Modepsychologe Franz Kiener, schrieb 1956, Frauenfüße seien nicht ohne erotischen Reiz. „Dies trifft hauptsächlich dann zu, wenn sie klein und zart erscheinen. Nicht deswegen allein strebt die Frau dieses Ideal an. Sie will durch zierliche Füße zugleich ihr feines, blumengleiches und elfenhaftes Wesen ausdrücken und außerdem hilft- und schutzbedürftig erscheinen.“ (Kiener 1956, S. 266)
Abbildung 7 55 (McDowell 1989, S. 89)
Der gläserne Schuh.
Cinderella, Walt Disney 1950,
nach Charles Perrault 1697
Das Ideal des kleinen Frauenfußes fand seinen extremsten Ausdruck im chinesischen ‚Lotusfuß’. Bereits im 13. Jahrhundert war die Sitte in China weit verbreitet, die Füße von kleinen Mädchen durch Verletzungen und Bandagen so zu verkrüppeln, dass sie in einen Schuh von 10-13 cm Länge passten. Diese als ‚Lotus’ bezeichneten Füße, auf denen die Frauen nur unter Schmerzen gehen konnten, galten ebenso wie der unsicher tippelnde Gang als erotisch und ermöglichte eine standesgemäße Heirat. Erst nach Ausrufung der Republik (1911) und Gründung der Volksrepublik China (1949) endete allmählich diese Praxis durch ein Verbot der Regierung. (Watzl 1993; Kerner 1998; Strittmatter 2003; Cummings u.a. 1997)
Abbildung 7 56 (Watzl 1993, S.184, Gin-Lien ‘Goldener Lotus’)
Die nur 13-15 cm langen Schuhe wurden von den Frauen selbst angefertigt und kunstvoll bestickt.
Anja Meulenbelt, Hochschuldozentin und niederländische Feministin, veröffentlichte 1984 (die deutsche Ausgabe) ihrer persönlichen Berichte von einer Rundreise durch China in den achtziger Jahren. Sie erkannte in den Lotusfüßen ein Symbol für die Unterdrückung der Frau.
„Die Unterdrückung von Frauen lässt sich symbolisch am eindrucksvollsten in der Sitte erkennen, die Füße der Frauen zu kleinen ‚Lotusblüten’ zu binden. In vielen westlichen Büchern wird davon geredet, als handele es sich dabei um eine ‚erotische’ Marotte oder vom Standpunkt des Patriarchats aus gesehen, um das Bedürfnis von Frauen, sich für Männer attraktiver zu machen, wie das auch in anderen Kulturen üblich sei, von unseren Stöckelschuhen bis hin zu den von Reifen gestreckten Hälsen der ‚Giraffen-Frauen’ in Birma. Für Frauen war natürlich überhaupt nichts ‚Erotisches’ an dem Binden der Füße.“ (Meulenbelt 1984, S. 67-68)
Der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Peking Kai Strittmatter berichtet 2003 im Süddeutschen Magazin ausführlich über alte Frauen in einem kleinen Dorf in China, die dort noch „mit gebrochenen, gewickelten Füßen“ leben. Ihre Füße waren einst ein „Synonym für Schönheit, ja für die Frau an sich. Symbol der Tugend - aber auch der Verführung.“ Die verkrüppelten Füße banden die Frauen ans Haus, dass sie ohnehin nicht verlassen durften. Für Männer waren sie ein Gegenstand der sexuellen Verzückung. „In der Literatur werden elektrisierende Szenen beschrieben: Männer, die beim Anblick der entblößten Füße aufbrüllen wie Verrückte.“ Mit der ‚Befreiung’ des Landes durch Mao Zedong (1949) wurden auch die Füße befeit, die Frauen wurden als tüchtige Arbeitskräfte gebraucht. Die alten Frauen sind stolz auf ihre gebundenen Füße: „Natürlich sind kleine Füße schöner!“ Eine heute 68 jährige sagt: „Ist das nicht schade, wenn wir nicht mehr sind, wird es auf der Welt nur noch große Füße geben.“ (Strittmatter 2003, S.4-9)
Abbildung 7 57 (Foto: Beate Passow, in Strittmatter 2003
Warum faulen die Füße noch nicht?’, schimpft
die Mutter des Mädchens.
Die Großmutter gibt Porzellanscherben in die Binde.
Dann Schlamm, schließlich Würmer.
Endlich: Das Fleisch entzündet sich, verrottet,
fällt ab.“ (Strittmatter 2003, S. 7)]
In einem Kunstwerk Daniel Spoerris sind modische Stöckelschuhe mit einem starken Seil zu einem Kranz gebunden, wobei die Spitzen der Absätze nach außen zeigen, wie Stacheln oder Dornen. Die Schuhe sind im wahrsten Sinne des Wortes in einen Circulus vitiosus, einen Teufelskreis verstrickt. Diese Assemblage gehört zu einer Reihe von Arbeiten Spoerris (von 1963/64), die als ‚Pièges-à-mots’ bezeichnet werden, „’Wortfallen’, in denen Sprichwörter und Redewendungen wörtlich genommen und bildhaft umgesetzt wurden“. (Sammlung Karl Gerstner 1991, S.40)
Abbildung 7 58 Daniel Spoerri ‚Circulus Vitiosus’ Neues Museum Weserburg, Bremen 8
Die abgebildeten künstlerischen Beispiele weisen auf ganz unterschiedliche Aspekte weiblicher Fußbekleidung hin. Während Ludmilla Schalthoff in ihren Schuhobjekten die geschlechtliche, symbolische Bedeutung direkt aufgreift und reflektiert, zeigen Elvira Bachs Frauenfiguren, wie eng die geschlechtliche Ausstrahlung des Frauenkörpers mit der Vorstellung von einer typisch weiblichen Schuhform verschmolzen ist, die nicht der natürliche Fußform entspricht. Daniel Spoerris Assemblage verweist dagegen auf die ‚Verstrickung’ der Frauenschuhe in einen Circulus vitiosus, einen vieldeutigen Teufelskreis, bei dem jeder Versuch, herauszukommen, nur tiefer in die unangenehme Lage hineinführt. In der Medizin bezeichnet ein Circulus vitiosus auch einen (möglicherweise lebensbedrohlichen) Krankheitsprozess bei dem sich mehrere Störungen gegenseitig verstärken. (Roche Lexikon Medizin 1998)
7.4 Weibliche Fußbekleidung und körperliches Wohlbefinden: ein unvereinbarer Gegensatz?
Die Diskrepanz zwischen ästhetischen und funktionellen Anforderungen ist ein wesentliches Merkmal der weiblichen Fußbekleidung. (vgl. Kap. 6) Die ‚Körperbehinderung’ durch den typischen Frauenschuh entspricht nicht nur der geschlechtstypischen Bewegungskultur, die im Prozess der geschlechtsspezifischen Körpersozialisation gelernt wurde, sondern er wird von Frauen auch (mehr oder weniger) bewusst als Mittel körperlicher Attraktivität und Schönheit eingesetzt. Gleichzeitig verkörpert sich mit dem Absatzschuh eine Ausdrucksform weiblicher Geschlechtszugehörigkeit.
Wenn jugendliche Mädchen Gesundheit mit ‚sich gut fühlen’ beschreiben, dann spielen Schönheit, Attraktivität und Schlankheit eine große Rolle. (Stein–Hilbers 1995, S.73) Für die weibliche Fußbekleidung enthält diese Aussage einen unüberbrückbaren Widerspruch. Studien zeigen, „dass Mädchen (zwar) innere Körperprozesse sensibler wahrnehmen als Jungen und sich leichter und differenzierter zu ihren körperlichen Befindlichkeiten äußern können“, in ihren Körperkonzepten aber die ‚äußere Wirkung’ betonen. (Kolip 1997, S.111) Nach der Pubertät sind Mädchen mit ihrem Körper weniger zufrieden als Jungen und sie berichten häufiger über subjektive körperliche und psychische Beschwerden. (Kolip 1997, S.28) Darin könnte sich eine größere Diskrepanz zwischen dem soziokulturellen weiblichen ‚Körperideal’ und der physischen Realität des Frauenkörpers ausdrücken. Für die Füße ist diese Diskrepanz unmittelbar ersichtlich. Erst eingezwängt in den typischen Frauenschuh, wird der Frauenfuß zum weiblichen ‚Körpermerkmal’. Der körperliche Ausdruck des (sozialen) weiblichen Geschlechts ist mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen verbunden. Nicht nur für die Füße besteht eine große Diskrepanz zwischen dem kulturhistorisch definierten Idealbild vom weiblichen Körper und der tatsächlichen Körperform. Besonders deutlich wird diese Diskrepanz aber an der Form eleganter Stöckelschuhe, die in keiner Weise einer physiologischen Fußform und Fußfunktion entsprechen, und folglich als Mittel zur Fortbewegung gänzlich ungeeignet sind. (vgl. Kap. 5) Das Ideal einer ‚Gesundheit’, wie es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1946 formuliert wurde, ist für Frauen in geschlechtstypischer Fußbekleidung nicht zu erreichen. Die soziokulturell geprägte Schuhform impliziert körperliche Beeinträchtigungen, da sie die tatsächlichen anatomischen und physiologischen Bedingungen weiblicher Füße ignoriert. Diese Diskrepanz kann auch durch gesundheitsbewusstes Verhalten von Frauen nicht überwunden werden.
8. Kulturgeschichtliche Entwicklung der Frauenschuhe im 19. Jahrhundert
Die jeweils zeitgemäße Schuhform, die von der Mode geprägt wird, spiegelt auch aktuelle gesellschaftliche Bedingungen wider. In einem Referat der Österreichischen Volkskundetagung (1986) stellt Elisabeth Katsching-Fasch die kulturelle Bedeutung der Mode im Blickwinkel geschlechtsspezifischer Forschung dar. „Mode ist als Bekleidungssystem Ausdruck und Ergebnis gesellschaftlicher Strukturen, (...) sie ist die Sphäre, wo sich Geschlechterverhältnisse, deren Projektionen und Inszenierungen am sichtbarsten ausdrücken. Sie ist sozusagen die sprechendste Schauwand gesellschaftlicher Kultur.“ (Katsching-Fasch 1987, S.128) So wird die modische weibliche Schuhform zum Spiegel für das Geschlechterverhältnis. „Durch gesellschaftliche Inszenierung wird die Frau zum Objekt. Die Absichten und Bedürfnisse der Geschlechterhierarchie werden in die Kleidung projiziert. Jene Kleidungsstücke gelten als die elegantesten, die einem die meiste Beweglichkeit rauben: Stöckelschuhe behindern beim Gehen. Die soziale Unfreiheit der Frau in der jeweiligen Gesellschaft drückt sich in dem Maße aus, als Bekleidung die Bewegung hindert...“. (ebd., S.132)
Gertrud Lehnert (1998) betont dagegen, ein wesentliches Kennzeichen der Mode sei, „dass das ästhetische Vergnügen am Wechsel der äußeren Form, die Lust am immer neuen zum Selbstzweck wird.“ Ausgangspunkt der Mode sei nicht der menschliche Körper, sondern die “in jeder Zeit andere Körpervorstellung, die in der Neuzeit nicht zuletzt durch die Mode, aber etwa auch durch die Medizin, die Kunst und die Theologie geprägt werden. (...) Mode kreiert vielmehr einen Idealkörper, als ihren Ausgangspunkt, den sie in der Regel aber ständig verändert.“ Als Ausdruck der Geschlechterdifferenz schaffe die Mode „einen fiktiven menschlichen Körper, der die biologischen Geschlechtsmerkmale verbirgt und an ihre Stelle neue modische Geschlechtsmerkmale setzt, die dann unsere Wahrnehmung von Geschlecht dominieren.“ (Lehnert 1998, S. 7-9)
Der typische Frauenschuh ist als ‚modisches Geschlechtsmerkmal’ in seiner Form allerdings erstaunlich unverändert geblieben, wie ein Blick auf die Schuhmode vor mehr als 100 Jahren zeigt. (Abb. 8-1)
Männerschuhe - Frauenschuhe
(um 1890 bis 1920)
Abbildung 8 59 (Swann 1982, S.55-59)
-
oben: Herrenstiefel (1888-1919),
unten: Herrenschuhe (1900-1905)oben: Damenstiefel (1888-1917),
unten: Damenschuhe (1890-1905)
Nach Durst und Gavenhorst ist die geschlechtsspezifische Schuhform ein Ergebnis der kulturhistorischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Die Differenzierung des Schuhs als geschlechtsspezifisches Kleidungsstück erfolgte erst in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Vorher „finden sich (...) durchaus erkennbare Unterschiede zwischen Frauen- und Männerschuhen. Aber sie bleiben den Unterschieden zur Kennzeichnung der ständischen Hierarchie gegenüber zweitrangig.“ (Durst, Gravenhorst 1988 S. 202)
Während vor der Französischen Revolution (1789-92) Männer und Frauen des Adels zierliche Schuhe mit Absatz trugen (Abb. 8-2), wurde im 19. Jahrhundert der Absatz ein typisches Merkmal von Frauenschuhen. Männerschuhe erhielten die noch heute übliche Gestalt der praktischen Schnürstiefel oder Halbschuhe. (vgl. Abb. 8-1)
Abbildung 8 60 Damenschuh mit rotem Absatz,
Portugal 1695 (O’Keeffe 1997, S.78)
Zur Zeit des Direktoriums (1795-1799) und im Kaiserreich (Empire) Napoleons I. (1769-1821) setzte sich unter dem Einfluss des Klassizismus die Empiretracht durch, die Damen der Gesellschaft trugen ‚Escarpins’, flache, dünnsohlige Stoffschuhe mit langen Kreuzbändern (Abb. 8-3). Leichte, flache Schuhe wurden auch von Männern getragen, sie prägten eine neue Art zu gehen. „Der typische Gang des Höflings der Rokokozeit war marionettenhaft und gestelzt.“ Die neue flache Schuhmode ermöglichte zum ersten Mal seit Generationen eine natürliche und mühelose Gehweise. (McDowell 1989, S.12-13) Allerdings waren diese Schuhe wenig strapazierfähig. Nach einer viel zitierten Anekdote beschwerte sich ein Dame bei einem bekannten Pariser Schuhmacher, ihre neuen Schuhe seien nach einmaligem Tragen bereits unbrauchbar, worauf er die Schuhe untersucht und sagt: „Ah, Madame, ich weiß woran es liegt, Ihr seid damit gegangen.“ (Weber 1994, S. 90; O’Keffe 1997, S. 133; Pattison, Cawthorne 1998, S. 29)
Abbildung 8 61 Escarpin vor 1830 (O’Keffe 1997, S.132)
Abbildung 8 62 Damenstiefel Paris um 1870 (Gall 1998, S.59)
Im ausgehenden Biedermeier (1820-1850) kamen Absätze allmählich wieder in Mode, jetzt allerdings als typisches Merkmal von Frauenschuhen. (Abb. 8-4)
Eine der bedeutendsten Frauen der Romantik, Rahel Varnhagen, geb. Levin (1771-1833) fand 1819 ein starkes Bild für die gesellschaftliche Situation der Frauen in ihrer Zeit. Am 22. Januar 1819 schrieb sie in einem Brief an Rose im Hag:
„Dies ist der Grund des Frivolen, was man bei Weibren sieht und zu sehen glaubt: sie haben der beklatschten Regel nach gar keinen Raum für ihre eigenen Füße, müssen sie nur immer dahin setzen, wo der Mann eben stand, und stehen will; und sehen mit ihren Augen die ganze bewegte Welt wie etwa einer, der wie ein Baum mit Wurzeln in der Erde verzaubert wäre; jeder Versuch, jeder Wunsch, den unnatürlichen Zustand zu lösen wird Frivolität genannt oder doch für strafwürdiges Benehmen gehalten.“ (Behrens Hrsg. 1995, S. 239-240, Hervorhebung im Text)
Die gesellschaftliche Rolle der Frauen im beginnenden 19. Jahrhundert erlaubte ihnen nicht ‚auf eigenen Füßen zu stehen’. Ihre ganze Existenz wurde von Vätern, Ehemännern und Söhnen bestimmt. Wie ‚angewurzelt’ waren sie im häusliche Leben fixiert, unverrückbar an den Sandpunkt der männlichen Sichtweise gebunden, wenn ihr Verhalten nicht unanständig und schamlos gelten sollte.
Der Stiefel, ein Symbol männlich kraftvollen Auftretens erschien in der Mitte des 19. Jahrhundert in ‚verniedlichter’ Form auch an Frauenfüßen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es dann auch für Damen recht bequeme Stiefel mit niedrigem Absatz und gerundeter Kappe. (Abb. 8-6) Dies war ein Zeichen zunehmender weiblicher Bewegungsfreiheit, auch außerhalb der ihr zugewiesenen häuslichen Welt. Der Schuh diente nun auch für Frauen der Fortbewegung. Frauen gingen jetzt tatsächlich ‚auf die Straße’ um für ihre Rechte zu kämpfen.
Abbildung 8 63
(Mlle Bloch, erste weibliche Kandidatin
der École polytechnique, Paris um 1900
(Duby, Perrot 1994, S.498)
Abbildung 8 64 Reise- u. Straßenschuh 1892 (McDowell 1989, S. 15)
Nach dem französischen Verb trotter ‚laufen’ wurden diese Schuhe ‚Trotteur’ genannt.
Während in England Suffragetten9 für politische Gleichberechtigung kämpften hatten Frauen ihren ersten ‚Auftritt’ in solchen Trotteurs an den Universitäten. (Abb. 8-5) Den aufsehenerregenden Schritt in den öffentlichen Raum wagten Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts in abgewandelten ‚Männerschuhen’, in denen sie auch Sport trieben und Berge bestiegen. (Abb. 8-8) „Die breiten Absätze der ‘vernünftigen’ Schuhe, mit denen die Suffragetten auf ihre Protestmärsche gingen, kamen bei Wanderschuhen in Mode, und immer mehr Frauen trieben Sport und trugen dazu bequeme Turnschuhe aus Segeltuch und Gummi.“ (O’Keeffe, S. 240-242) Die Entwicklung des Frauensports im 19. Jahrhundert veränderte das alltägliche Erscheinungsbild der Frauen und prägte auch die Schuhmode. (Abb. 8-7)
Abbildung 8 65 ‚Balmorals’, England um 1860 (O’Keeffe 1997, S.303)
Solche Stiefel trug Königin Viktoria (1837-1901)
auf ihren Wanderungen bei Schloss Balmoral im schottischen Hochland.
Abbildung 8 66 Bergsteigerin in Tyrol, 1885
(Müller-Windisch 1995, S. 107)
In der Kulturgeschichte der Schuhmode wird fast ausschließlich die modische Fußbekleidung der Oberschicht vorgeführt. Die Schuhe der arbeitenden Schichten waren einfacher gearbeitet, hatten aber die gleichen Modemerkmale. Arbeitsschuhe für die körperlich schwere Industriearbeit und für die Landbevölkerung wurden nicht nach modischen und geschlechtsspezifischen, sondern überwiegend nach praktischen Gesichtspunkten weitgehend aus Holz oder aus einer Holzsohle mit Lederoberteil gefertigt, ihre Form änderte sich im Laufe der Jahrhunderte kaum. (Abb. 8-10) (McDowell 1989, S. 126-128)
Abbildung 8 67 Arbeiterin im Bergwerk von Wigan,
um 1870 (Duby,Perrot 1994, S.352)
Die Mehrzahl der bequemen Frauenschuhe waren abgewandelte Männerschuhe. Sie wurden zunächst (nur) für Männer hergestellt und erst später auch dem Frauenfuß angepasst. Mit zunehmender Gleichberechtigung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen wurde die funktionelle Form von Männerschuhen allmählich auch an Frauenfüßen akzeptiert. Allerdings galten diese Schuhe an Frauenfüßen als plump, unattraktiv und unweiblich. (Swan 1982, S.54) Während sich also einerseits auch für Frauenschuhe eine funktioneller Passform durchsetzten, wurde gleichzeitig der zierliche Schuh mit Absatz zum Symbol der Weiblichkeit und als typischer Frauenschuh dem Männerschuh, dem praktischen Schnürstiefel oder Halbschuh gegenübergestellt.
Diese geschlechtsspezifische Differenzierung der Schuhe hat sich bis heute erhalten. In einem Prospekt der Firma Schreiber (2004) werden die ‚passenden’ Schuhe für erfolgreiche Männer und Frauen vorgestellt. Für Herren sind es relativ funktionelle Schnürschuhe, für Damen dagegen hochhackige ‚Pumps’. (Abb. 8-10)
Abbildung 8 68 (Prospekt, Firma Schreiber, Bremen 2004)
Frauen und Männer sind in unserer Gesellschaft inzwischen formal weitgehend gleichberechtigt. Die gesellschaftliche Rolle gibt Frauen viel mehr Bewegungsspielraum und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Für ihre unterschiedlichen Aktivitäten stehen inzwischen passende, funktionelle Schuhmodelle zur Verfügung. Die Form des ‚typischen Frauenschuhs’ entspricht jedoch immer noch der gesellschaftlichen Stellung einer Frau des 19. Jahrhunderts. Wie die gesamte Kleidung, so zeigte auch die Fußbekleidung „den Gegensatz zwischen dem tätigen, finanziell unabhängigen und damit mächtigeren Mann und der häuslichen abhängigen Frau. (...) Während die Frauen der bürgerlichen Oberschicht daheim blieben und dem Ideal des sichtbaren Müßiggangs treu blieben, brauchte der Mann praktische Kleidung. So entstand die noch heute für viele Männer selbstverständliche korrekt- unauffällige Norm: Anzug, Hemd und flache zweckmäßige Halbschuhe oder Stiefel. Den direkten Gegensatz bildete der erotisch-unpraktische Stöckelschuh für die Dame.“ (Spitzing 1988, S. 55-56)
Wie Mediziner seit mehr als 250 Jahren wissen, ist dieses Relikt einer barocken Lebenshaltung für Frauen nicht nur ein lästiges Bewegungshindernis, sondern eine Ursache für gravierende Gesundheitsschäden. Die ‚Mode’ ist daran nicht unbeteiligt, aber sie ist sicher nicht die Ursache der geschlechtsspezifischen Ungleichheit, die sie zum Ausdruck bringt. Die modische Gestaltung des Frauenkörpers schaffte eine künstliche Frau, deren Zartheit und Unbeweglichkeit die Abhängigkeit vom Mann unterstreichen sollte. An dem fiktiven Körper, den die Mode schafft, können wir auch heute noch ablesen, wo und wie Frauen im Leben stehen und wie viel Bewegungsspielraum sie sich inzwischen erobert haben, oder auch nicht?
9. Gut zu Fuß: weibliche Fortbewegung in Gesundheitsförderung und Prävention
Die geschlechtstypische weibliche Fußbekleidung, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts Frauenfüße in eine zu kurze, enge Form presst und permanent auf die Zehenspitzen zwingt, entspringt keiner modischen Laune weiblicher Torheit, wie aufgeklärte Mediziner und Gesundheitserzieher seit Jahrhunderten behaupten. Eine modische Passform der Schuhe, wie die zugespitzte Form der Vorderkappe, die jetzt wieder an Damen- und Herrenschuhen in Mode ist, kann zwar eine pathogene Wirkung auf die Fußfunktion haben. Doch während die Schuhform mit der aktuellen Mode ständig wechselt, sind die typischen Merkmale der weiblichen Fußbekleidung seit mehr als 150 Jahren erstaunlich gleich geblieben. Diese Tatsache wird erst durch die soziokulturelle Bedeutung des typischen Frauenschuhs vor dem Hintergrund der interaktive Konstruktion des ‚sozialen Geschlechts’ verständlich. Als Merkmal der weiblichen Geschlechtszugehörigkeit prägt der Schuh nicht nur die Selbst- und Fremdwahrnehmung des weiblichen Körpers, sondern darüber hinaus auch die Anschauung vom typisch weiblichen Gang.
Durch den Frauenschuh als ‚soziales Geschlechtsmerkmal’ werden Fuß und Bein beim Stehen und Gehen in eine Haltung gezwungen, die angeblich einer Körperhaltung in sexueller Erregung entspricht. Ich denke, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Vergleichbar mit der erotischen Wirkung der verkrüppelten Lotus-Füße chinesischer Frauen, wirkt der abgehackte Gang auf Stöckelschuhen, ebenso wie der tippelnde Schritt auf verstümmelten Füßen, nur deswegen erotisch, weil er als Ausdruck der Geschlechtlichkeit mit einer sexuellen Bedeutung aufgeladen wurde. An dieser Stelle soll nicht über die erotische Ausstrahlung weiblicher oder männlicher Bewegungen spekuliert werden. Mir geht es darum, zu zeigen, dass in unserer Zivilisation der körperliche Ausdruck des weiblichen Geschlechts (und der sexuellen Attraktivität), mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung verbunden ist, die durch eine historische Schuhform hervorgerufen wird und zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden führen kann.
Das Konzept der interaktiven Konstruktion von Geschlechtszugehörigkeit (doing gender) betont die aktive Rolle von Frauen und Männern bei der ‚Herstellung’ und Ausgestaltung des sozialen Geschlechts und die prinzipielle Veränderbarkeit sozialer ‚Geschlechtsmerkmale’. Daher ist zu hoffen, dass in Zukunft auch für die typisch weibliche Fortbewegung eine Ausdrucksform gefunden wird, die nicht nur attraktiv und verführerisch auf das andere Geschlecht wirkt, sondern die sich von Kopf bis Fuß gut anfühlt. Die vielleicht richtungsweisende Anschauung einer (ungehinderten) weiblichen und männlichen Gangart zeigt Abbildung 9-1 10.
Abbildung 9 69 Mannheim 2004
Während die historische Gesundheitsaufklärung zur Fußgesundheit darauf abzielte, gesundheitsschädigendes Verhalten durch Wissensvermittlung zu beeinflussen, sind aktuelle Ansätze der Gesundheitsförderung weiter gefasst und beziehen positive Veränderungen der sozialen Umwelt ein. (Trojan 2002)
Die Leitideen der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (1986) haben ein breites Echo gefunden und wurden in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in Programme übernommen und in konkrete Maßnahmen umgesetzt. (Kolip 1997, S. 279; vgl. Laser, Hurrelmann 1998; Trojan 2002)
„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, daß sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. sie verändern können.“11 (WHO 1986 in Troschke u.a. [Hrsg.] 1996, S. 182-187) Entsprechend dieser Zielsetzung, ist Gesundheitsförderung darauf gerichtet, durch Maßnahmen der Persönlichkeitsentwicklung das Selbstwertgefühl zu stärken und die Lebenskompetenz zu fördern. Nach Petra Kolip (1997) muß diese Gesundheitsförderung an einem positiven Gesundheitsbegriff ansetzen, der das ‚Wohlbefinden’ in den Vordergrund rückt. Affektive Komponenten, wie Lebenslust, Wohlbefinden, Neugier, Spaß, Spannung, Kraft, und Vitalität sollten dabei im Vordergrund stehen. (Kolip 1997, S.279)
Nach der Ottawa Charta (1986) hat Gesundheitsförderung außerdem zum Ziel, Chancengleichheit auf dem Gebiet der Gesundheit zu fördern und „bestehende soziale Unterschiede des Gesundheitszustandes zu verringern. (...) Menschen können ihr Gesundheitspotential nur dann weitestgehend entfalten, wenn sie auf Faktoren, die ihre Gesundheit beeinflussen, auch Einfluß nehmen können. Dies gilt für Frauen ebenso wie für Männer.“ (Zit. nach Troschke u.a. [Hrsg.] 1996, S. 182-187)
Dieser emanzipatorische Ansatz, der am einzelnen Individuum ansetzt, stößt jedoch dort an unüberwindbare Grenzen, wo in den Köpfen der Menschen Werte, Normen, Konflikt- und Bewältigungsmuster eingeprägt sind, die durch Erziehung und Vorbilder des öffentlichen Lebens vorgelebt und über die Medien vermittelt werden. (Trojan, 2002, S.208) Gleichzeitig wird der individuelle Gestaltungsspielraum durch die Bedingungen der ‚äußeren’ Lebensumwelt bestimmt.
Der persönliche Einfluss auf die ‚Determinanten von Gesundheit’12, der sich auch in dem (bekannten) Spannungsverhältnis von (Gesundheits-) Verhalten und Verhältnissen ausdrückt, ist in vielfacher Hinsicht von den Lebensbedingungen und Lebensstilen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen abhängig. In geschlechtsspezifischen Programmen der Gesundheitsförderung und Prävention sind diese unterschiedlichen Determinanten für Frauen und Männer zu berücksichtigen.
Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention für gesunde Frauen-füße und weibliche Fortbewegung, können nur dann erfolgversprechend sein, wenn sie die soziokulturelle Bedeutung weiblicher Fußbekleidung als ‚soziales Geschlechtsmerkmal’ berücksichtigen. Als Zielgruppen für solche Maßnahmen würde ich aus unterschiedlichen Gründen insbesondere Jugendliche und ältere Frauen ansehen. Jugendliche sind über schulische Programme erreichbar und sie dürften in der pubertären Entwicklungsphase an Themen wie Kleidung, körperlicher Attraktivität und Sexualität besonders interessiert sein. Für ältere Frauen dagegen steht die Prävention von Gesundheitsschäden im Vordergrund, da die typischen Merkmale weiblicher Fußbekleidung zu unsicherem Gang führen, damit das Unfallrisiko erhöhen und zusätzlich die besonders notwendige Bewegungsfähigkeit im Alter einschränken. (Dawson, Thorogood, Marks u.a. 2002; Arnadottrir, Mercer 2000) Gleichzeitig halte ich Aktionen der Gesundheitsaufklärung z.B. auch in den Medien für sinnvoll, in denen dem allgegenwärtigen Bild einer schmerzhaft fixierten Pose attraktiver Weiblichkeit ein weibliches Körperbild gegenübergestellt wird, das nicht nur ‚gut aussieht’, sondern das zu erkennen gibt, dass es sich von Kopf bis Fuß gut anfühlen kann, eine Frau zu sein.
Der multiperspekivische Ansatz in den Gesundheitswissenschaften / Public Health ermöglicht es, Erkenntnisse aus dem Blickwinkel verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen zusammenzuführen. Für Gesundheitsförderung und Prävention ergeben sich daraus positive neue Ansätze. Dabei sind gleichermaßen Maßnahmen der Prävention und der Gesundheitsförderung sinnvoll, die sich in der Praxis oft gar nicht so klar von einander trennen lassen, wie es die begriffliche Zuordnung nahelegt. Während Prävention auf die Verhütung bestimmter Krankheiten abzielt, bezieht sich das Konzept der Gesundheitsförderung ausdrücklich auf die konkrete soziokulturelle Lebensumwelt und die realen Lebensbedingungen. (vgl. Hurrelmann 2000, S.97-100)
Auf der Basis aktueller medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und vor dem theoretischen Hintergrund der interaktiven Konstruktion des sozialen Geschlechts (doing gender) sollten konkrete Maßnahmen entwickelt werden, die Handlungsspielräume von Frauen erweitern, um ihnen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen. Diese sollten aber ebenso auf gleiche Chancen für körperliches Wohlbefinden und gesunde Lebensbedingungen von Frauen und Männern hinwirken.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 1 „Zagreb, August 1996“, Regina Schmecken
(Süddeutsche Zeitung 16.7.2004) 5
Abbildung 2 2 (Werbung Firma Opel 2004) 10
Abbildung 2 3 Damenschuh, Frankreich 1785 (O’Keeffe1997, S.147) 13
Abbildung 2 4 (Schmeil 1964, S. 20) 19
Abbildung 2 5 (Schmeil 1964, S. 21) 19
Abbildung 2 6 (Frey u.a. 1993 S. 78) Abbildung 2 7 (ebd. 1993 S. 79) 22
Abbildung 2 6 (Frey u.a. 1993 S. 78) Abbildung 2 7 (ebd. 1993 S. 79) 22
Abbildung 2 8: Coughlin, Thompson 1995, S.372 23
Abbildung 3 9 Der Aufbau eines normalen Halbschuhs (Rabl, Nyga 1994, S.47) 28
Abbildung 3 10 Gute Fassung des Fußes (Rabl, Nyga 1994, S.47) 28
Abbildung 3 11 (Debrunner 2002, S.1157) 29
Abbildung 3 12 (Waldeyer 1969, S.357) 31
Abbildung 3 13 Gewölbekonstruktion(Debrunner 2002, S.1123) 32
Abbildung 3 14 (Debrunner 2002, S. 1124) 32
Abbildung 3 15 Stabiles und labiles Gleichgewicht (Debrunner 2002, S. 134) 34
Abbildung 4 16 Spreizfuß (Debrunner 2002, S. 1149) 36
Abbildung 4 17 Hammerzehen (Debrunner 2002, S.1150) 37
Abbildung 4 18 (Debrunner 2002, S 1157) 38
Abbildung 4 19 (Debrunner 2002, S. 1158) 39
Abbildung 4 20 (Debrunner 2002, S. 1157) 40
Abbildung 4 21 (Debrunner 2002, S. 1152) 40
Abbildung 4 22 (Debrunner 2002, S. 1158) 41
Abbildung 5 23 (Camper 1783) 43
Abbildung 5 24 (Camper 1783 ) 44
Abbildung 5 25..(Meyer, G. H. 1858, S.8) 47
Abbildung 5 26 (Debrunner, Jacob 1998, S.9) 50
Abbildung 5 27 (Debrunner, Jacob 1998, S.9) 50
Abbildung 5 28 (Rabl, Nyga 1994, S.16) 51
Abbildung 5 29 (Debrunner 2002, S.1123) 52
Abbildung 5 30 (Debrunner 2002, S.144)] 53
Abbildung 5 31 (Debrunner 2002, S.144) 54
Abbildung 5 32 (Debrunner 2002, S. 145) 55
Abbildung 5 33 (Debrunner 2002, S.145) 56
Abbildung 5 34 (Debrunner 2002, S.142) 57
Abbildung 5 35 (Debrunner 2002, S. 143) 58
Abbildung 5 36 Röntgenaufnahme H. Newton (Steele 1999, S. 20) 59
Abbildung 5 37 (Debrunner, Jacob 1998, S. 38) 60
Abbildung 5 38 (Nyska u.a. 1996, S. 663) 62
Abbildung 5 39 (Snow, Williams 1994, S.575) 63
Abbildung 5 40 (Debrunner 2002, S 139) 65
Abbildung 5 41 Mesurement of lumbar flexion angle. (Lee u.a. 2001, S.322) 67
Abbildung 5 42 (Lee u.a. 2001, S.323) 68
Abbildung 5 43 (Lee u.a. 2001, S.323) 68
Abbildung 5 44 (O’Keefe 1997 S.187) 70
Abbildung 5 45(Gastwirth et al. 1991, S.466) 72
Abbildung 6 46 (Kiener 1956, S.267) 86
Abbildung 6 47 (Kiener 1956 s.....). Abbildung 6 48 (Debrunner 2002, S. 812) 88
Abbildung 6 47 (Kiener 1956 s.....). Abbildung 6 48 (Debrunner 2002, S. 812) 88
Abbildung 6 49 (Einladung, Galerie Mönch, Bremen 2001) 91
Abbildung 7 50 (Honnef u.a. [Hrsg.] 1993, S.131) 94
Abbildung 7 51 (Werbung für ‚After Business Party’ 2004) 102
Abbildung 7 52 Keramik Ludmilla Schalthoff (Eigenes Foto) 105
Abbildung 7 53 Keramik Ludmilla Schalthoff (Eigenes Foto) 105
Abbildung 7 54 (Elvira Bach, ‘Untitled’ Picturebook 1998, S.37) 106
Abbildung 7 55 (McDowell 1989, S. 89) 107
Abbildung 7 56 (Watzl 1993, S.184, Gin-Lien ‘Goldener Lotus’) 108
Abbildung 7 57 (Foto: Beate Passow, in Strittmatter 2003 109
Abbildung 7 58 Daniel Spoerri ‚Circulus Vitiosus’ Neues Museum Weserburg, Bremen
110
Abbildung 8 59 (Swann 1982, S.55-59) 114
Abbildung 8 60 Damenschuh mit rotem Absatz,
Portugal 1695 (O’Keeffe 1997, S.78) 115
Abbildung 8 61 Escarpin vor 1830 (O’Keffe 1997, S.132) 115
Abbildung 8 62 Damenstiefel Paris um 1870 (Gall 1998, S.59) 116
Abbildung 8 63
(Mlle Bloch, erste weibliche Kandidatin
der École polytechnique, Paris um 1900
(Duby, Perrot 1994, S.498) 117
Abbildung 8 64 Reise- u. Straßenschuh 1892 (McDowell 1989, S. 15) 117
Abbildung 8 65 ‚Balmorals’, England um 1860 (O’Keeffe 1997, S.303) 118
Abbildung 8 66 Bergsteigerin in Tyrol, 1885
(Müller-Windisch 1995, S. 107) 119
Abbildung 8 67 Arbeiterin im Bergwerk von Wigan,
um 1870 (Duby,Perrot 1994, S.352) 120
Abbildung 8 68 (Prospekt, Firma Schreiber, Bremen 2004) 122
Abbildung 9 69 Mannheim 2004 125
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Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
....................................................
(Renate von Strauss und Torney)
Verzeichnis der Fußnoten
1Aus der ‚Akademischen Rede vom Volkselend als Mutter der Krankheit’, gehalten in Pavia 1790. Aus: Deppe, Regus (Hrsg.) 1975, S.149-162
2"Nahezu alle empirischen Studien heben für Frauen die ausgeprägtere Wahrnehmung von Körperzuständen und Befindlichkeiten hervor." Stein-Hilbers 1994, S.89
3Abweichung des großen Zehs nach außen. Zur medizinischen Diagnose siehe Kap.4.)
4Die Definition von Gesundheit aus der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO)vom 22.Juli 1946 betont die positive, subjektive Wahrnehmung des eigenen ‚Wohlbefindens’ gegenüber einer bloßen Abwesenheit von Krankheitssymptomen und Gebrechen. „Health is a state of complete physical, mental, and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.”
5Gemeint sind hier Spreizfüße als häufigste Insuffizienz des Vorfußes.
6Linder, Salzman 1998, S. 220, Zitat aus: How shall we clothe our feet. Hall’s J. Health 21: 466-469, 1874
7Johann Peter Frank, Garnisonsarzt und Leibarzt verfasste von 1779-1819 in seinem siebenbändigen Werk ‚System einer vollständigen medicinischen Polizey’ ein „weit ausgelegtes Programm eines öffentlichen Gesundheitsdienstes.“(Schipperges 1990, S. 100)
8Max von Pettenkofer (1818-1901), Hygieniker, Professor in München, gilt als Begründer der modernen naturwissenschaftlichen Hygiene. „Pettenkofer war einer der ersten, der die Umwelt des Menschen in ihrer Einwirkung auf die Gesundheit systematisch untersuchte.“ (Schipperges 1990, S.101)
9„Lehre von der Gesunderhaltung des Menschen und seiner Umwelt durch Einsatz einschlägiger – öffentlicher und privater – Vorkehrungen und Verfahren als Gebiet der Medizin mit den speziellen Richtungen: Wasser-, Boden-, Luft-, Umwelt-, Sozialhygiene und Gesundheitspflege.“ (Roche-Lexikon Medizin 1998)
10Lehrbuch der Hygiene. Präventive Medizin. Hrsg. Gärtner, Reploh 1969
11Preuner 1977
12Diese begriffliche Zuordnung ist nicht korrekt. Während Hallux valgus eine Abweichung der großen Zehe nach lateral ausdrückt, sind mit Hammerzehen Fehlstellungen der Zehen 2-4 gemeint, die in gebeugter Form dem Schuhdruck nach oben ausweichen. (vgl. Kap. 4)
13Ein Blick auf die kulturhistorische Entwicklung des Frauenschuhs zeigt, dass der Absatzschuh sich vom adeligen Standessymbol für Männer und Frauen zur typisch weiblichen Schuhform wandelte. (Dust, Gavenhorst 1998, siehe auch Kap...)
14Untersuchung der American Orthopeadic Foot and Ankle Society an 356 Frauen im Alter zwischen 20-60 Jahren, die nicht an Allgemeinerkrankungen wie Diabetes oder Rheumatoider Arthritis litten. Alle Frauen wurden von einem orthopädischen Chirurgen untersucht. (Frey, Thompson, Smith u.a.1993)
15Zu den medizinischen Diagnosen vgl. Kapitel 4.
16(vgl. Coughlin MJ, Thompson FM: The high price of high-fashion footwear. Instructional cours lectures 1995; 44: 371-378)
17Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): http://www.bzga.de
18Der Begriff Gesundheitsverhalten (Health behavior) bezeichnet „Verhaltensweisen, die vor dem Hintergrund medizinischer Erkenntnisse als für die Gesundheit förderlich, riskant oder schädlich (im Sinne der potentiellen Verursachung von Krankheiten) bewertet werden können.“ (Troschke v. 1998, S.371)
19Soziale Ungleichheit bezeichnet eine nach Statuslagen vertikal angeordnete Sozialstruktur, der die Mitglieder einer Gesellschaft nach den Kriterien Bildung, Einkommen und beruflichem Status zugeordnet werden. (Siegrist, Möller-Leimkühler 1998, S.94)
20American Orthopaedic Foot and Ankle Society
21Morphe: Gestalt, Morphologie: Lehre von Bau und Gestalt der Lebewesen
22In derselben Tradition steht vermutlich eine aktuelle Untersuchung über die Beziehung zwischen Schuhgröße und Entbindungsmethode. Gorman et al (1997) fanden keine signifikante Korrelation beim Vergleich von zwanzig Erstgebärenden mit Kaiserschnittentbindung und dreiundzwanzig Frauen, die vaginal entbunden hatten. Im Gegensatz zu dieser sonderbaren Fragestellung, ist die von Camper postulierte Relation zwischen Beckengröße und Geburtsvorgang immerhin logisch nachvollziehbar. Ich fand jedoch keine aktuellen Hinweise darauf, dass die Beckenweite sich durch das Tragen von Absatzschuhen verändert und den Geburtsvorgang negativ beeinflusst.
23O.A. How shall we cloth our feet. Hall’s J. Health 21: 466-469, 1874
1Barbara Tietze führte die Ganguntersuchungen mit Studierenden für Industrie-Design an der HdK Berlin durch. Veröffentlichung 1988 in dem Ausstellungskatalog: Z.B. Schuhe:
Vom bloßen Fuß zum Stöckelschuh. Eine Kulturgeschichte der Fußbekleidung. 1.Aufl., unveränderte 4. Aufl.: Andritzky, Kämpe Link (Hrsg.) 1998
2Strazt, C.H.: Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung. Stuttgart 1922
3Pitzen: Lehrbuch der Orthopädie 10. Aufl. 1968
4Die geschlechtsspezifischen anatomischen Unterschiede des Bewegungsapparates, die die Fußfunktion betreffen, rechtfertigen in keiner Weise die unphysiologische Passform typischer Frauenschuhen. Bezeichnenderweise werden funktionelle Sport- und Wanderschuhe zwar in Damen- und Herrenschuhe unterschieden, ein grundsätzlich unterschiedliches Design haben diese jedoch nicht.
5„Sozialisation bezeichnet den Prozess der lebenslang anhaltenden Konstituierung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von und in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umwelt und der biophysischen Struktur des Organismus." (Hurrelmann 2000, S.60)
6Als Teil des Selbstkonzepts enthält das Körperkonzept „die Gesamtheit der körperbezogenen Kognitionen, Bewertungen und Handlungspläne, die jedes Individuum im Hinblick auf seinen eigenen Körper sowie dessen Teile, Funktionen und Fähigkeiten entwickelt.“ (Kolip 1997, S.111)
7Die Fotos der Schuhobjekte habe ich mit freundlicher Genehmigung von Frau Schalthoff aufgenommen.
8Eigenes Foto. Mit freundlicher Genehmigung des Neuen Museums Weserburg, Bremen
9In den USA und Großbritannien wurden die Kämpferinnen für Gleichberechtigung ‚Suffragetten’ genannt, von suffrage ‚Stimmrecht’. (dtv-lexikon 1973)
10Werbung, Stadtmarketing Mannheim, Süddeutsche Zeitung vom 2.4.2004
11“Health Promotion is the process of enabling people to increase control over, and to improve their health. To reach a state of complete physical, mental and social well-being, an individual or group must be able to identify and to realize aspirations, to satisfy needs ,and to change or cope with the environment.” Charta der 1. internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung, Ottawa, 1986.
12Der Begriff wird von der WHO (1998) definiert als „das Spektrum an persönlichen, sozialen, ökonomischen und umweltbedingten Faktoren, die den Gesundheitszustand von Individuen oder Bevölkerungsgruppen bestimmen...“. (Zit. nach Trojan 2002, S.206)
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Freie Hansestadt Bremen - das Projekt ZuBau
von Falko von Strauss und Torney
Der Artikel erschien im Dezember 2003 im Bundesbaublatt in leicht gekürzter Form. Der Absatz über die organisatorische Entwicklung der Bauverwaltung in Bremen ist hier enthalten.
ZuBau heisst eigentlich "Zustandserfassung Bau", eine Aufgabe, die die Bauverwaltungen der Länder und der Kommunen in vielen Fällen noch vor sich haben, nachdem über Jahrzehnte die Instandhaltung der öffentlichen Bauten aus Geldmangel vernachlässigt wurde.
1. ZuBau = Zustandserfassung Bau
Ende 2003 hat der Bremer Baubetrieb (BBB) im Auftrag der Gesellschaft Bremer Immobilien (GBI) ein Großprojekt erfolgreich abgeschlossen, bei dem der Zustand von über. zwei Millionen Quadratmetern öffentlichem Gebäudebestand digital erfasst wurde. ZuBau ist die Abkürzung für "Zustandserfassung Bau" - erfasst wird der bauliche und technische Zustand der ca. 1900 im Besitz der Freien Hansestadt Bremen (FHB) befindlichen Gebäude und Liegenschaften einschliesslich der geschätzten Kosten für die Beseitigung der festgestellten Schäden.
2. Bremen auf Sanierungskurs
Bremen baut zur Zeit die Liegenschaftsverwaltung um, um die Effizienz zu steigern und um den über Jahrzehnte entstandenen Sanierungsstau bei den öffentlichen Liegenschaften zu beseitigen. Der Bremer Baubetrieb (BBB) ist ein Eigenbetrieb im Geschäftsbereich des Senators für Bau, Umwelt und Verkehr. Aufsichtsorgan des Eigenbetriebes ist ein Betriebsausschuss, dem neben Parlamentariern auch Vertreter der Beschäftigten angehören. Ein Eigenbetrieb hat keine eigene juristische Rechtspersönlichkeit: Er ist Teil Bremens, aber als abgesondertes Vermögen "Sondervermögen" wird sein Haushalt kaufmännisch geführt und es wird kaufmännisch Rechnung gelegt.
3. Neustrukturierung der Bauverwaltung
Die bisher klassisch aufgebaute Bauverwaltung (Senat/Hochbauamt) wurde neu aufgestellt:
Die Gesellschaft für Bremer Immobilien mbH (GBI) ist ein Unternehmen der Freien Hansestadt Bremen und verwaltet als Eigentümervertreterin weite Teile des stadt- und landeseigenen Immobilienbestandes. Hierzu gehört insbesondere die treuhänderische Verwaltung der in zwei Sondervermögen (Land und Stadtgemeinde) zusammengefaßten etwa 1.900 Gebäude.
Die Gebäudeflächen betragen mehr als 2 Millionen Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Die verwaltete Grundstücksfläche etwa 13 Millionen Quadratmeter (13 Quadratkilometer).
Die GBI ist darüber hinaus für weitere Liegenschaften des allgemeinen Grundvermögens der Freien Hansestadt Bremen zuständig.
Das Gebäude- und Technikmanagement Bremen (GTM, ein Eigenbetrieb) ist zuständig für die Bauinstandhaltung, Bewirtschaftungsaufgaben sowie Technische und Kaufmännische Dienstleistungen im Zusammenhang mit den o.g. bremischen Immobilien.
Der Bremer Baubetrieb (BBB) erledigte bisher alle baubezogenen Aufgaben, die nicht im o.g. Aufgabenbereich enthalten sind, so z.B. die operative Betreuung der Bauten des Bundes im Land Bremen, Servicedienste für die anderen Gesellschaften und Betriebe, z.B. die gesamten öffentlichen Vergabeverfahren und Projektaufgaben, die keinen fortdauernden Charakter haben und nicht Neubau, Sanierung und/oder Instandhaltung betreffen.
Lt. Koalitionsvereinbarung zur Legislaturperiode 2003-2007 wird der Bremer Baubetrieb zum Jahresende 2003 als ein nächster Schritt der Neuaufstellung aufgelöst, sein Personal und seine Aufgaben gehen überwiegend in den Eigenbetrieb GTM über.
4. Voraussetzungen für ein zentrales Immobilienmanagement durch GBI
Die Einführung eines effektiven zentralen Immobilienmanagements setzt eine intensive Datenerhebung voraus, weil diese notwendigen Daten bei den Einrichtungen der öffentlichen Hand stets nur mehr oder weniger mangelhaft vorliegen.
Der Bremer Baubetrieb hat bisher nahezu umfassend den obigen Baubestand aufgemessen und in elektronischer Form (CAD oder Rasterdaten) dokumentiert. Damit ist das Grunddatum Fläche für den Bestand mit zusätzlichen Daten zu Reinigungsobjekten und Oberflächenqualitäten umfassend erhoben und auf dem neuesten Stand.
4.2. Zustandserfassung = ZuBau
Der Immobilieneigentümer bzw. dessen Verwalter (GBI) benötigt aber auch Erkenntnisse über den baulichen und technischen Zustand seiner Immobilien. Die Bauverwaltungen der Länder und der Kommunen haben in den Zeiten, in denen ausreichende Mittel für die Bauinstandhaltung zur Verfügung standen, regelmässig sog. "Baubedarfsnachweisungen" geführt, in denen der Instandhaltungsbedarf systematisch (papiergebunden) aufgrund von regelmässigen Ortsbegehungen aufgelistet wurde. Nachdem jedoch auch in Bremen die Mittel aufgrund der zunehmenden Sparmaßnahmen so gering bemessen wurden, dass praktisch nur noch die Durchführung von Not- und Sofortmaßnahmen möglich war, wurde die systematische Dokumentation des Verfalls - was es letztlich geworden wäre - eingestellt. Damit enstand die Notwendigkeit einer neuen umfassenden Bestandsaufnahme als neuer Sockel einer dann - unter der Voraussetzung der Sanierung und der ausreichenden Mittelbereitstellung - weiterzuführenden Datenbasis über den Bauzustand. Diese Zustandserfassung erhielt in Bremen den griffigen Namen "ZuBau".
4.3. Immobilienbewertung
Als letzter Schritt bei der Erstellung einer Datenbasis für ein kaufmännisches integriertes Immobilienmanagement ist die Objektbewertung zu sehen. Hierzu sind Flächenaufmass und Zustandsbewertung zwingende Voraussetzung, das Ergebnis der Objektbewertung ist der Geldwert, mit dem das Objekt in die Bilanz des Sondervermögens, welches von der GBI verwaltet wird, eingeht.
5. Kernproblem Instandhaltungsrückstau
Durch versäumte Instandhaltung, Sanierung oder Instandsetzung der Immobilien befinden sich viele Städte und Gemeinden - so auch Bremen -mit dem Erhalt ihrer Immobilien in einem gefährlichen Rückstand. So waren einerseits die verfügbaren Mittel für die Bauunterhaltung extrem knapp, andererseits waren die erforderlichen Maßnahmen an den Gebäuden und deren Kosten nur rudimentär oder gar nicht bekannt.
Unter diesen Voraussetzungen können die Kommunen keine gezielte Planung und Steuerung zur Bauunterhaltung ihrer Immobilien durchführen. Die Kosten für notwendige Maßnahmen zum Bauerhalt wurden meist nur grob geschätzt oder schlicht vom Vorjahr fortgeschrieben. Insofern existierten in der Regel weder fundierte Budgetpläne, noch konnten die erforderlichen Mittel erfolgreich angemeldet werden. Können die mittelfristigen Kosten für Instandhaltung, Sanierung oder Instandsetzung der nächsten Jahre nicht eingeschätzt werden, ergeben sich dadurch auch bedeutende Schwierigkeiten bei der Verwendungsbeurteilung der Immobilien.
Vorhandene Informationen über aktuelle Zustände und bereits durchgeführte Baumaßnahmen wurden zudem oft lückenhaft und unsystematisch erfasst. Häufig befanden sich vorhandene Daten verstreut in Aktenarchiven, Excel-Tabellen oder Datenbanken. Um die nötige Datenbasis zu schaffen fehlten geeignete Möglichkeiten effizienter und kostengünstiger Datenerfassung, sowie Instrumente zur Verwaltung und Pflege des erhobenen, aktuellen Datenbestandes.
6. Ziele des Projektes Zustandserfassung
Die bauliche und technische Zustandserfassung ist - wie weiter oben ausgeführt - nur ein wesentlicher Baustein der insgesamt für ein effizientes zentrales Immobilienmanagement erforderlichen Datenbasis. Wegen der enormen Menge der zu erfassenden Daten und der Vielzahl der beteiligten Dienstleister und Personen war eine klare Definition der Methodik und der Datenstrukturen erforderlich. Eine einheitliche Schulung der aus verschiedenen Firmen kommenden Erfassungsteams war ebenfalls Voraussetzung. Datenstrukturen und Instrumente mussten für eine langfristige vielseitige Auswertbarkeit und eine einfache Pflege des Datenbestandes ausgelegt werden. Die Kosten für die Beseitigung der festgestellten Mängel sollten möglichst vor Ort gem. DIN 276 ermittelt und festgehalten werden. Eine Priorisierung der erforderlichen Maßnahmen nach Jahren, Bauteilen und Gewerken ist mittlerweile erstellt: Das heißt, dass für den Zeitraum nächsten 10 Jahre alle erforderlichen Maßnahmen und Kosten für den Bauunterhalt nach Prioritäten gestaffelt werden sollten. Der Vorteil: Wird z.B. ersichtlich, wie viele Fenster und Fassaden im Jahr 2005 bei bestimmten Gebäuden erneuert werden müssen, lassen sich Auftragsvolumina besser koordinieren und bündeln. Ein Plus in punkto Kostenminimierung.
Eine weitere Anforderung bestand darin, den Qualitätsstandard erfasster Daten durch den Einsatz eines Qualitätsmanagements zu sichern.
Exakt im geplanten Zeitrahmen von 18 Monaten und mit erheblichen Budgeteinsparungen kann der Bremer Baubetrieb das Projekt jetzt den eigenen Vorstellungen entsprechend zum Abschluss bringen.
Ursprünglich wurde seitens des Auftraggebers ein papiergestütztes Verfahren mit Grobeinschätzung von Bauteilgruppen und Bauteilen gemäß DIN 276 geplant. Abgesehen davon, dass der hier eingeschaltete Berater die wesentlichen Arbeitsgrundlagen hierfür nicht beschaffen konnte, wäre dabei auch ein nicht unmittelbar verwertbares, auf rein statistischer Grundlage beruhendes Arbeitsergebnis entstanden.
Das jetzt durchgeführte Verfahren weist positionsweise Schadensbeschreibungen bzw. die Maßnahmen und Kosten für deren Beseitigung aus. Die Entwicklung der Leistungsverzeichnisse für die Instandhaltung fällt auf dieser Basis der zuständigen GTM erheblich leichter. Die ursprünglich eingeplanten Budgets für eine händische oder auf Excel-Listen basierende Erfassung nach der statistischen Methode lagen um ca. 35 % höher als die letztlich durch die GBI beauftragte Projektsumme. Selbst diese wurde nach Durchführung der Ausschreibung für Dienstleistungen der Datenerfassung noch um 20 % unterschritten, wozu das papierlose Verfahren der Erfassung und Kalkulation in einer Datenbank ganz wesentlich beigetragen hat.
Im Zeitaufwand ist trotz der nicht unerheblichen Verringerung der Kapazitäten um 4 Aufnahmeteams von anfänglich geplanten 10 der ursprüngliche Zeitrahmen von 15 Monaten eingehalten worden. Maßgeblichen Anteil an diesem Zeitrahmen hatten allerdings die Fristen für die notwendige EU-weite Ausschreibung der Erfassungsdienstleistungen. ( 3 Monate)
BBB hat auf diese Weise den überaus zeitkritischen und problematischen Auftrag im Zeit- und Kostenrahmen abgearbeitet – wer gleichartige Aufgabenstellungen zu bearbeiten hat, sollte in jedem Fall auf die Datenerfassung mit Datenbanken vor Ort setzen.
Die GBI als Auftraggeber bekommt in Kürze eine digitale Datenbasis zur Hand, die den nach Dringlichkeit und Kosten gestaffelten Baubedarf auf über 2 Millionen Quadratmetern Bruttogrundfläche ausweist. Es wird GEDAsoftâ Verwaltung der Firma AMB-Systeme GmbH eingesetzt, um die Gebäudeinformationen in einer Zentraldatenbank vielen Nutzern für unterschiedliche Zwecke einfach und übersichtlich nutzbar zu machen.
Dem Problem „Instandhaltungsrückstau“ des öffentlichen Gebäudebestandes kann jetzt sinnvoll, gezielt und mit genauen Kostenvorstellungen begegnet werden. Für das ausführende Unternehmen des BBB ist dies ein Erfolg – für andere Kommunen ein Beispiel für zukunftweisendes Instandhaltungsmanagement.
9. Projektbeteiligte
Auftraggeber: Gesellschaft für Bremer Immobilien |
Softwarehaus GEDAsoft®: |
Projektsteuerung: |
Auftragnehmer und Projektleitung: Bremer Baubetrieb Hutfilterstr. 1-5 28195 Bremen |
Qualitätssicherung: Fruhwirth Gebäudedaten KG mit Dipl. Ing. Sabine Grewe Teerhof 56 28199 Bremen |
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Ein öffentlicher Vortrag, gehalten am 24. Februar 2002 im Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (Focke-Museum) im Rahmen der Ausstellung "Mit viel Licht und Luft also - Architektur in Bremen 1950 - 2000" in der dazugehörigen Vortragsreihe "Zeitzeugen: Längsschnitte 1950-2000. Bremer Baugeschichte als Geschichte Bremer Architekturbüros".